Der Vortrag fand in der Veranstaltungsreihe 25 Orte - 25 Vorträge zum 25. Geburtstag der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) statt.
Der Professor ist nicht nur ein profunder Kenner von Geldpolitik und Finanzmärkten, sondern verfügt als ehemaliger Mitarbeiter der Bundesbank und Berater verschiedener Zentralbanken über weitreichenden Einblick in den Zentralbank-Apparat. Und bei der EZB in Frankfurt am Main, würde der aktuelle Kurs der Bank ebenfalls recht kontrovers diskutiert. "Im Kern geht es darum, ob die sogenannte unkonventionelle Geldpolitik mit Negativzinsen und unbegrenzter Liquidität die neue Normalität ist und bleiben soll", so Seitz.
Zunächst werde sich mindestens ein Jahr nichts ändern können, da der scheidende EZB-Chef Draghi Minuszinsen und Anleihekäufe seiner Nachfolgerin Lagarde "als Kuckucksei" vermacht habe. Und auch für einen längeren Zeitraum prognostizierte Seitz den Zuhörern: "Von positiven Zinsen müssen Sie sich verabschieden." So würden weiterhin gut zwei Billionen Euro überschüssige Mittel herumliegen, auf die Negativzinsen bezahlt werden und die nicht an Firmen in Form von Krediten, speziell in den Krisenländern, weitergegeben würden.
Franz Seitz stellte die Argumente, mit denen die bisherige EZB-Leitung diese Politik begründete auf den Prüfstand: beständig sinkende Realzinsen, Deflationsgefahren, Konjunktursorgen oder schwächelnde Kreditvergabe. In allen Fällen legte er anhand langfristiger Daten dar, dass viele dieser Diagnosen falsch gedeutet oder jedenfalls falsch behandelt wurden. Zumindest stellten sich die Auswirkungen der verabreichten geldpolitischen Medizin oft als negativ heraus. Auf eine Konsequenz wies Seitz speziell hin: "Zwar sind die aktuellen Inflationsraten niedrig, doch Niedrigst- und Negativzinsen vernichten künftige Kaufkraft."
Der Professor riet aber auch, die Verantwortung nicht allein bei der Zentralbank, sondern auch bei den Regierungen der Euro-Länder zu suchen. "Für Staaten sind niedrige Zinsen super, die können hochverzinste Kredite ablösen", erklärte Franz Seitz. So sinke die Notwendigkeit für Haushaltsdisziplin: "Es wird nicht gespart." Die eigentlichen Probleme seien strukturelle Probleme - in Staat und Wirtschaft wie auch in der Architektur der Währungsunion. Letztlich hätten sich die nationale und europäische Politik als unfähig erwiesen "und dann die EZB als Retter geholt, die den Euroraum zusammenhielt. Ob das nun Sinn macht oder ihre Aufgabe ist oder nicht."
Angesichts der aktuellen, noch länger anhaltenden Entwicklung mahnte Professor Seitz, man solle in der EZB mehr auf die kritischen Stimmen hören. In der Krise des Jahres 2008 hätten zum Beispiel die kleinen Banken und Sparkassen das System stabilisiert. "Jetzt droht die Geldpolitik, genau diesen Instituten, das Geschäftsmodell kaputtzumachen", so Seitz.














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