Amberg
06.09.2020 - 09:24 Uhr

Nach Sexualtat beim Bergfest 2017: Beweise reichen nicht für Verurteilung

Beim Amberger Bergfest 2017 sollen zwei Mädchen von einem Mann sexuell belästigt und missbraucht worden sein. Im Vorjahr gab es bereits einen Prozess, dem nun ein weiterer folgte. Er endete mit einem Freispruch für den Angeklagten.

Ein damals 63 Jahre alter Mann soll 2017 beim Bergfest in Amberg zwei Mädchen sexuell belästigt und missbraucht haben. Bild: Oliver Berg/dpa
Ein damals 63 Jahre alter Mann soll 2017 beim Bergfest in Amberg zwei Mädchen sexuell belästigt und missbraucht haben.

Zwei Mädchen waren im Sommer vor drei Jahren mit Angehörigen beim Bergfest in Amberg. Am 4. Juli 2017 gegen 16 Uhr gingen die Kinder mit der Erlaubnis ihrer Erziehungsberechtigten in den nahen Wald. Dort soll es zu einem Ereignis gekommen sein, dass später nach Veröffentlichung eines Polizeiberichts für Diskussionen innerhalb der Bürgerschaft sorgte.

Zwischen den Bäumen stand angeblich ein Mann, der seine Hose heruntergelassen hatte und die Kinder darum bat, ihm "beim Pippimachen zu helfen". Eines der Mädchen griff nach behördlichen Ermittlungserkenntnissen tatsächlich an das entblößte Körperteil des Unbekannten. Die Sechsjährige und ihre ein Jahr jüngere Freundin liefen danach zurück zu ihren Verwandten, erzählten aufgeregt von der Begebenheit und lösten damit die Sofortreaktion eines Polizeibeamten aus, der gleich in der Nähe an einem Biertisch saß und um Hilfe gebeten wurde. Der in seiner Freizeit zum Bergfest gekommene Hauptkommissar wurde aktiv, ging mit den Mädchen an den von ihnen genannten Tatort und stieß dort auf einen Mann in Radfahrerkleidung. Der Beamte nahm den Mann fest, rief eine Funkstreifenbesatzung und übergab seinen Kollegen den mutmaßlichen Täter. Er war damals 63 Jahre alt und stammt aus dem Kreis Amberg-Sulzbach.

Vorfall im Wald

Danach kam es zu Vernehmungen der Mädchen. Zudem wurden zwei weitere Kinder befragt, die den Vorfall im Wald aus einiger Distanz beobachtet hatten. Fest stand dabei für die Staatsanwaltschaft von vornherein: Man wollte jedem einzelnen von ihnen die mündliche Anhörung vor Gericht ersparen.

Vor fast genau einem Jahr kam es zu einem ersten Prozess vor dem Schöffengericht. Schon dabei ergaben sich Ungereimtheiten. Die schriftlich vorliegenden Angaben der Kinder unterschieden sich. Besonders bei der Beschreibung des Täters und dessen Kleidung. Der von dem Polizeibeamten festgenommene Mann hatte ein leuchtend gelbes Trikot und eine schwarze Radlerhose getragen. Doch die Farbe Gelb kam nirgends vor. Außerdem fielen Beschreibungen wie "Er hatte eine Glatze" und der Täter sei "dick" gewesen. Beides traf nicht zu. Vom Angeklagten kamen seinerzeit keinerlei Angaben. Er ließ seinen Anwalt argumentieren.

Nach längerer Verhandlungsdauer ließ der damalige Schöffengerichtsvorsitzende Markus Sand im September 2019 anklingen: "Zu einer Verurteilung wird das nicht reichen." Doch die Staatsanwaltschaft sah das zu diesem Zeitpunkt anders. Sie verlangte nach weiteren Zeugen und hielt auch die mündliche Vernehmung der Kinder nicht mehr für ausgeschlossen. Daraufhin brach Sand die Verhandlung ab.

Jetzt, zwölf Monate später, tagte das Schöffengericht erneut in gleicher Sache. Allerdings ebenfalls mit der festen Absicht, Zeugen im Kindesalter nicht zu vernehmen. Allerdings kam diesmal der seinerzeit auf dem Mariahilfberg ermittelnd tätig gewordene Polizist zu Wort. In seiner Aussage zeigte sich der Hauptkommissar überzeugt davon, bei seinem Zugriff den für die Sexualstraftat verantwortlichen Täter festgenommen zu haben. Er war ferner der Meinung, dass sich die Begebenheit tatsächlich so zutrug, wie sie die Mädchen erzählt hatten. Die Frage blieb allerdings: Hatte man wirklich den Richtigen auf der Anklagebank? Während der heute 65 Jahre alte Angeklagte im Prozess weiter schwieg, gab Gerichtsvorsitzende Kathrin Rieger allen Verhandlungsbeteiligten Gelegenheit, vorliegende Unterlagen während einer längeren Pause zu lesen. Das galt besonders für die in diesem zweiten Prozess neuen Schöffen.

Danach ging alles sehr rasch. "Ich habe lange darüber nachgedacht, wie wir das Verfahren zum Abschluss bringen", sagte Staatsanwältin Barbara Tutsch und fügte hinzu: "Ich persönlich bin überzeugt davon, dass es der Angeklagte war." Doch das Gesetz verlange nach schlüssigen und nicht widerlegbaren Beweisen. Trotz vieler Indizien reiche die Lage nicht aus, um den Rentner zu verurteilen.

Unterschiedliche Angaben

Den von der Anklagevertreterin beantragten Freispruch verlangte auch Verteidiger Bernhard Weber. Allerdings mit anderen Argumenten. Das Beweisverfahren habe nicht ergeben, "dass der Vorfall überhaupt geschehen ist", sagte er und wies auf "eklatante Widersprüche" hin. Nach nur kurzer Beratung verkündete Richterin Rieger den Freispruch. Unterschiedliche Angaben, so ließ die Vorsitzende anklingen, hätten nicht zu einer Verurteilung führen können.

Hier lesen Sie die Erstmeldung vom 4. Juli 2017

Amberg13.09.2019
 
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