Nicht immer reicht das Fachwissen, das sich ein Handwerksmeister im Laufe von Aus- und Weiterbildung angeeignet hat, um den Betrieb komplikationslos in Richtung Zukunft zu führen. Bisweilen braucht es zusätzlich externen Sachverstand. Und den liefern unter anderem Josef Vogl und seine Kollegen, die Betriebsberater der Handwerkskammer. Worauf sie besonderen Wert legen und wo - ganz aktuell im Zeichen von Corona - spezielle Herausforderungen liegen, davon berichtet Vogl im Interview.
ONETZ: Gute fachliche Kenntnisse, das ist klar. Aber was braucht ein erfolgreicher Handwerksmeister heute noch an Fähigkeiten?
Josef Vogl: Neben fachlichen und kaufmännischen Kenntnissen, die sich der Handwerker im Meisterkurs aneignen kann, benötigt ein Handwerksmeister als Unternehmer nach wie vor die Unterstützung der Familie. Die vielfältigen Aufgaben, die ein Unternehmer heutzutage zu erledigen hat, können nur im Team gemeistert werden, da müssen alle an einem Strang ziehen. Die wichtigste Voraussetzung ist zudem ein gewisses Unternehmer-Gen, sprich unternehmerisches Geschick. Daran kann man natürlich arbeiten, zu großen Teilen ist es einem aber in die Wiege gelegt.
ONETZ: Wie kann die Handwerkskammer ganz praktisch helfen?
Wir sind zwölf Betriebsberater in der Handwerkskammer und beraten Jahr für Jahr mehr als 1.600 Betriebe – von Existenzgründungen bis Betriebsübergaben. Unser Team hat einen großen Fundus an Wissen oder Erfahrungen, so dass wir rund um das betriebliche Leben wirksame Tipps und Hilfestellungen geben können. Zudem arbeiten wir aus der Betriebsberatung mit einem breiten Netzwerk aus Kollegen der Handwerkskammer und externen Fachexperten zusammen, die bei Detailfragen weiterhelfen. Dazu zählen zum Beispiel Steuerberater oder Rechtsanwälte, da sich unsere Themen oft überschneiden. Die Fälle werden nach unserer Erfahrung zudem immer komplexer und zeitintensiver. Ein Beispiel: Bei einem Hallenneubau spielen nicht nur Fördermaßnahmen, Finanzierung und Übergabe eine Rolle, sondern auch der Businessplan oder ein Rechtsformwechsel.
ONETZ: Welchen Hintergrund in Sachen Ausbildung und Qualifikation bringen Sie in die Beratung ein?
Ich habe an der Hochschule für Bankwirtschaft in Frankfurt studiert und dort meinen Bachelor of Finance and Management abgeschlossen. Anschließend war ich im Controlling und als Leiter Kredit bei einer regionalen Bank tätig. Diese Zeit hat mich viel gelehrt im kommunikativen Umgang mit Menschen. Seit acht Jahren arbeite ich nun als Betriebsberater bei der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz mit Sitz in Amberg.
ONETZ: Wo liegen die Hauptschwerpunkte bei der Beratung?
Hauptschwerpunkt ist die betriebswirtschaftliche Beratung, von der Existenzgründung, über jegliche Investitionen mit Förderung und Finanzierung bis zur Betriebsübergabe oder -aufgabe. Vor allem die Unternehmensnachfolge ist ein brandaktuelles Thema. Und die Brisanz nimmt zu, da die Babyboomer in Rente gehen. Nachfolger werden dringend gesucht.
ONETZ: Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenziale bei den Betrieben, zum Beispiel auch bereits in der Meisterausbildung?
Handwerker neigen oft dazu, sich körperlich zu übernehmen. Doch auch als selbstständiger Unternehmer sollte man nur so viel arbeiten, wie es der eigene Körper zulässt. Dieses Gesundheitsthema ist speziell im Handwerk ein wichtiges und es sollte eine Kernaufgabe jedes Unternehmers sein, sich darum und um die Betriebsnachfolge zu kümmern. Natürlich hofft man, dass der Fall nicht eintritt, aber auch mit 50 oder 60 Jahren kann man schwer erkranken. In vielen Fällen ist ein Nachfolger dann noch nicht in Sicht. Wir beraten natürlich in solchen Situationen, aber zaubern können wir leider nicht. Was ich oft beobachte: Viele Unternehmer bilden sich fachlich und kaufmännisch regelmäßig und viel weiter, aber sie vergessen die Gesundheit.
ONETZ: Welche Erfolge freuen Sie besonders?
Es ist immer ein Erfolg, wenn der Unternehmer uns anruft, dass zum Beispiel die Übergabe geklappt hat. Vor allem Übergaben außerhalb der Familie sind oft schwierig und sensibel. Ich persönlich freue mich auch immer, wenn schwierigere Förderungen, Finanzierungen mit großen Diskussionen bei der Bank oder Förderstelle den Betrieb erfolgreich enden. Umgekehrt wurmt es mich, wenn es aus sogenannten „gmahten Wiesn“ im Bereich Übergabe oder Finanzierung nichts wird.
ONETZ: Wie läuft die "typische" Beratung und Begleitung in Sachen Unternehmensnachfolge oder Betriebsübernahme ab?
Man lernt erstmal den Betrieb kennen, besucht ihn persönlich und tauscht seine Vorstellungen aus. Wir Betriebsberater können uns sehr schnell ein Bild verschaffen, wenn wir die Bilanz sehen. Zusätzlich zu den Zahlen ist das persönliche Gespräch mit dem Inhaber wichtig. An dieser Stelle gibt es unendlich viele Aspekte, die sich ein Berater ansieht: Gibt es eigene Kinder? Welches oder wie viele wollen die Nachfolge antreten? Gibt es einen externen Interessenten oder aus dem Betrieb heraus? Wir prüfen auch das Handwerksrecht, bieten die Leistungen unserer Betriebsbörse an, helfen bei der Betriebsbewertung und bei steuerlichen Aspekte zusammen mit dem Steuerberater und vieles mehr. Kurzum: Ob Rechtsformwechsel, Betriebsaufgabe, Krankenversicherung und Rentenversicherung – wir spielen alle Themen durch.
ONETZ: Ihr Tipp für Betriebsinhaber: Wie können sie die Übergabe optimal vorbereiten?
Wenn man für die eigene Gesundheit und die des Nachfolgers sorgt und fünf Jahre vor einem möglichen Wechsel erste Beratungen bei der Handwerkskammer in Anspruch nimmt, dann ist man schon auf einem guten Weg.
ONETZ: Stichwort Nachwuchs: Warum ist das Handwerk attraktiver, als es sich so mancher Schulabgänger vorstellen mag?
Das Handwerk hat noch immer goldenen Boden. Und eine Handwerksausbildung ebnet viele Wege – bis hin zum Meister als ideale Voraussetzung für die Selbstständigkeit. Selbst die akademische Weiterentwicklung ist nach der Meisterausbildung möglich. In Sachen Durchlässigkeit hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in unserem Bildungssystem viel getan. Und: Die Nachfrage nach guten Handwerkern ist ungebremst – somit sind die Entwicklungschancen für Schulabgänger im Handwerk enorm.
ONETZ: Investitionsplanung und Digitalisierung: Wie kann der Betriebsberater hier unterstützen?
Die Investitionsplanung gehört zu meiner täglichen Beratung beziehungsweise ist sie Bestandteil eines jeden Finanzierungskonzepts oder Businessplans. Wir ermitteln mit jedem (Jung)- Unternehmer die Investitionskosten und hinterfragen dann, wie wir sie wo, zu welchen Konditionen finanzieren – am besten noch mit einer Förderung. Beim Thema Digitalisierung haben wir mit unserer Digitalisierungskoordinatorin Jasmin Kiefmann in Schwandorf eine Expertin zur Stelle, die unsere Betriebe in der Oberpfalz speziell dazu berät, Stichwort Smart Home, BIM oder digitales Aufmaß. Ich komme dann wieder bei der Förderung und Finanzierung ins Spiel. Wir arbeiten hier eng verzahnt.
Junge Unternehmer wie Maria Uhlemann brauchen in erster Linie gute Ideen. Aber wenn es darum geht, hilfreiche Tipps und Unterstützung zu bekommen, ist die Handwerkskammer eine gute Adresse. und Beratung.
https://www.onetz.de/oberpfalz/taennesberg/alles-querlage-id3059306.html
ONETZ: Sind bei den regionalen Handwerksbetrieben schon Corona-Folgen konkret spürbar? Welche?
Wir haben in kürzester Zeit in Niederbayern und Oberpfalz fast 8000 Beratungen nur zum Thema Corona durchgeführt. Das macht den Bedarf an Unterstützung deutlich. Bei einer Pandemie wie Corona wird es wenige Gewinner geben, somit war das gesamte Handwerk betroffen. Die Spanne der Betroffenheit geht von gesundheitlichen Aspekten, über Kinderbetreuung oder über Finanzielles bis zum Tod des Inhabers. Friseursalons zum Beispiel hatten, ähnlich wie die Gastronomie, Corona-Probleme alleine wegen der Schließung. Bei Bauhandwerkern ist die Problematik auf den ersten Blick nicht so gravierend. Sie kann aber aufgrund der Verschiebung von Großprojekten, fehlender Baugenehmigungen oder Auftragsvergaben bei Kommunen sowie von Krankheitsfällen bei Mitarbeitern auch eine große Rolle spielen. Aber trotz der Krise zeigt das Handwerk, dass es krisensicher ist, so wie die Branche es bereits während der letzten Finanzkrise bewiesen hat.
ONETZ: Zum Schluss die Antwort auf die Frage "Was ich noch sagen wollte…"
Mir macht mein Job sehr viel Spaß - vor allem, weil oft schon kleine Hilfestellungen für Betriebe einen immensen Nutzen bringen. Manchmal bin ich so fasziniert vom Handwerk, dass ich es schade finde, nicht selbst einen Handwerksberuf erlernt zu haben.
Hier geht's zur Internetpräsenz der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz
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