Gespräche im Stadttheater über Literatur und Musik, das gab es unter dem Titel Tinte und Terz unter Moderation der quirligen, vielseitigen Autorin, Produzentin und Herausgeberin Nora-Eugenie Gomringer aus Bamberg. Und sie präsentiert interessante Gäste. Am Donnerstagabend holte sie den Autor Thomas Lang mit seinem neuen Roman „Freinacht“ neben sich auf das T&T-Sofa und Komponistin und Soundkünstlerin Verena Marisa mit dem ungewöhnlichen, elektronischen Musikinstrument Theremin an die Seite.
Die Corona-Kontrolle vorm Eingang ist passiert, der Eintritt zum Bühnenraum erlaubt. Der präsentiert sich als intimes Literaturcafé: kleine runde Tische, bequeme Bestuhlung, Blumen und Teelichter, verschiedene Getränke. Der Blick öffnet sich zum attraktiven Blumenarrangement vor dem eindrucksvoll beleuchteten Theaterraum. Diese Perspektive ist neu: die Ränge, der Leuchter, die Architektur – einmal in einem warmen Rotton erstrahlend, dann allerdings dominiert ein kühles Blau. Genau richtig für die Stimmungslage, in die der Roman „Freinacht“ versetzt. Thomas Lang, Ingeborg-Bachmann-Preisträger des Jahres 2005, hat seinem Roman ein reales Verbrechen zugrunde gelegt und daraus einen verstörend realistischen Gesellschaftsroman geschrieben. Es geht um Schuld, Verantwortung und Verbrechen, um Skandal und Horror. In Thomas Langs Roman treffen sich ein paar Jugendliche zu einer Geburtstagsfeier auf einem stillgelegten Bahngelände. Es ist Freinacht, also die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, auch Hexen- oder Walpurgisnacht genannt. Ein Junge der Gruppe streift im Verlauf des Abends durch die Gegend, findet die Leiche eines Mannes und holt nicht die Polizei. Er holt seine Freunde.
Im sommerlich-leichten Shirt sitzt der Autor vor dem Mikrophon und berichtet von dieser wahren Begebenheit, die dem Hörer das Blut gefrieren lässt. Die Sprache ist nüchtern, der Ton leise, der Inhalt bedrückend.
Klangteppiche weben
Diese dunkle Stimmung greift die Deutsch-Brasilianerin Verena Marisa auf, übersetzt die Worte mit ihrem Instrument, dem Theremin, in Musik. (Zur Erläuterung: Das Theremin ist das einzige Musikinstrument, das gespielt wird, ohne dass man es berührt: Es besteht aus einem kleinen Kasten mit Antenne, Metallbügel und ein paar Knöpfen. Wenn man die Hände in seinem elektromagnetischen Feld bewegt, gibt es geisterhafte Töne von sich.)
Damit spielt die studierte Musikerin. Sie kann Klangteppiche weben, solche, die mit außergewöhnlichen Tonfolgen verzaubern und in ferne Welten entführen. Mystisch, mirakulös, elegant pflückt sie die Töne aus der Luft. Sphärisch, ja überirdisch mit dem Theremin und dann auch wieder verankert im Hier und Jetzt mit der Geige entwickelt sie spektakuläre Musikimprovisationen und Kompositionen. Für diese Kunst wurde sie unter anderem mit dem Berliner Opernpreis, dem Förderpreis Musik der Stadt München und dem Deutschen Filmmusikpreis ausgezeichnet. 2009 erschienen ihre ersten Filmvertonungen, wobei der TV-Film Operation Zucker mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Seit 2014 komponierte sie diverse Filmmusiken für Tatort-Episoden des Bayerischen Rundfunks.
Blinkende Geschenke
Nora-Eugenie Gomringer ist Lyrikerin, Rezitatorin und Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises 2015. Sie arbeitet in Bamberg, wo sie seit 2010 das Internationale Künstlerhaus Villa Concordia leitet. In Amberg übernimmt sie bei T&T die Gastgeberrolle. Sie moderiert, informiert und sorgt für gute Stimmung. Sie stellt die richtigen Fragen zum ernsten Thema „Ist Enthemmtheit Freiheit?“. Sie würdigt gerade in Corona-Zeiten die Begegnung mit dem Publikum als „wichtig und schön“, und sie überrascht zum Schluss ihre beiden Künstler-Gäste mit blinkenden Weihnachtsgeschenken nach dem Motto „es wird Licht“. Es war ein besonderer Kulturabend, der mit viel Beifall honoriert wurde.
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