Seit Jahrzehnten leiden die Menschen in unserer oberpfälzischen Kleinstadt unter erheblichem Schießlärm, ausgehend von dem direkt angrenzenden Truppenübungsplatz Grafenwöhr", schreibt Neuß.
Das Problem wächst
Ursache sei der Übungsbetrieb auf der Schießbahn 213, nur etwa 500 Metern von Wohnhäusern entfernt. Inzwischen komme der Lärm jedoch "immer häufiger von Panzern, die ihre Stellungen im freien Gelände beziehen und an der Grenze des Truppenübungsplatzes mit großen Kalibern feuern". Beschwerden von Bürgern, Bürgerinitiativen und Politikern hätten "zu keinerlei Verbesserung" geführt: "Es wird eher zunehmend häufiger und heftiger geschossen", schildert er seine Eindrücke. Bei Ämtern und Behörden stoße man meist nur "auf hilfloses Schulterzucken oder taube Ohren" - oder bestenfalls auf "Beschwichtigungen und die Beteuerung, dass alles ordnungsgemäß genehmigt sei und unter Einhaltung deutschen Rechts ablaufe".
Dies könne durchaus stimmen, räumt das Stadtoberhaupt ein - abgesehen vom "Maß der Lärmemission". Seit mehr als 30 Jahren fordere Auerbach deshalb Messungen zur Intensität des Schießlärms. Dies habe sogar "immer wieder auch mal" zu Gutachten geführt. Die aber seien "unter Verschluss gehalten" worden, seien "angeblich mit methodischen Fehlern behaftet" gewesen. Oder sie fanden laut Neuß - wie im vergangenen Jahr - zu einer Zeit statt, "in der kein einziger Schuss fiel".
Der Bürgermeister will dabei "nicht an Zufall glauben": Schließlich sollte es möglich sein, solche Messungen mit den Grafenwöhrer Übungsplänen abzustimmen. "Es liegt der Verdacht nahe, dass solche Maßnahmen lediglich zur Beschwichtigung beitragen sollen und dabei die Verschwendung von Steuergeldern bewusst in Kauf genommen wird."
Nur eine vom Verteidigungsministerium in Auftrag gegebene lärmakustische Stellungsnahme von 2010 sei öffentlich diskutiert worden. Aber obwohl hier nachzulesen sei, dass "nach einigen Lärmkriterien kein einziger Schuss regelungskonform ist", wisse er von "keinerlei Konsequenzen oder geplante Schutzmaßnahmen." Vielmehr seien in den folgenden Monaten Bauvorhaben im Ortsteil Nitzlbuch "erschwert oder nicht genehmigt" worden. Somit habe man "nicht die Bürger vor dem Schießlärm geschützt", sondern den "Schießlärm vor den berechtigten Lebens- und Entwicklungsinteressen unserer Bürger".
Neuß fordert Abhilfe
Neuß sieht inzwischen "keine andere Möglichkeit" als einen offenen Brief an die Verteidigungsministerin. Dabei betont er, dass Auerbach weder den Truppenübungsplatz Grafenwöhr grundsätzlich infrage stelle noch die Verteidigungsinteressen unseres Landes, der amerikanischen Streitkräfte oder anderer Bündnispartner konterkarieren wolle: Es gehe darum, "die Lebensqualität unserer Bevölkerung zu bewahren und deren Gesundheit zu schützen."
Deshalb fordert Neuß die Ministerin auf, "Abhilfe zu schaffen", derartige Schießübungen sofort zu unterbinden und damit den "vermutlich gesundheitsgefährdenden Schießlärm" zu beenden. Außerdem verlangt er ein Lärmgutachten als Basis für "wirksamen Lärmschutz". Neuß will gleichzeitig "alle möglichen rechtlichen Schritte" prüfen, um "rücksichtslose Schießübungen" am Rande Auerbachs zu verhindern.
Auerbach hat den Lärm gemessen
Aus langjährigen Erfahrungen folgert Bürgermeister Joachim Neuß, „dass wir als Stadtverwaltung und Bewohner nicht auf die Unterstützung von Ämtern und Behörden bauen können, um objektive Lärmergebnisse zu erhalten“. Letztere wären „eine Grundlage für eine sachgemäße Diskussion“ und entsprechende Schutzmaßnahmen.
„Deshalb haben wir uns entschlossen, ein eigenes Lärmmessgerät zu kaufen und einen ausgewiesenen Fachmann mit dessen Bedienung zu betrauen, der zugleich in einem unserer hauptsächlich betroffenen Siedlungsgebiete wohnt“, teilt der Bürgermeister Ministerin von der Leyen mit. Er verweist auf umfangreiche Gefechtsübungen – gerade eben wieder, von Dienstag, 22. Januar, bis Mittwoch, 23. Januar. Dabei seien erneut großkalibrige Panzerwaffen nahe Auerbach abgefeuert worden. „Entsprechend wurden wir über viele Stunden hinweg – bei Tag und Nacht – mit unerträglichem Lärmterror überzogen, der zahlreiche Menschen um den Schlaf brachte und unsere Häuser erzittern ließ.“
Dabei ist es laut Neuß aber erstmals gelungen, „diesen Lärm zu messen“. Damit könne man „regelmäßig über 100 Dezibel (dB) an dieser Messstelle in einem unserer Wohngebiete“ nachweisen – in der Spitze sogar 106 dB. „Nach meiner Kenntnis liegt der für unsere Ohren verträgliche Grenzwert bei 85 dB. Da sich Lärm pro 3 dB verdoppelt, wurde mit 106 dB das ertragbare Maß also um das Siebenfache überschritten.“ Neuß hält das nicht nur für belastend, sondern sogar für gesundheitsschädlich.
Ist nächtlicher Schießlärm rechtswidrig?
Vor allem über den nächtlichen Schießlärm bei der Übung „Combined Resolve XI“ vergangene Woche haben sich die Auerbacher empört. Diese Art der Ruhestörung ist ärgerlich, aber nicht rechtswidrig. Das Ausbildungskommando der US-Armee weist in seinen Mitteilungen zu bevorstehenden Manövern stets auf die geltenden Regelungen hin: „Gemäß dem NATO-Truppenabkommen ist die offizielle Schießzeit auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr für den Monat Januar von 8 bis 23 Uhr für die Nutzung von Munition 20 mm und höher festgelegt. Munition unter 20 mm kann täglich, rund um die Uhr verschossen werden.“ Da man sich der Auswirkungen der Übungen auf die Bevölkerung bewusst sei, führe man sie möglichst tagsüber und an Wochentagen durch. Als das Landratsamt wegen des Schießlärms an das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr schrieb, erhielt es im März 2018 die Antwort: „Der Truppenübungsplatz ist den US-Gaststreitkräften gemäß dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut zur ausschließlichen Benutzung überlassen worden, das heißt, der Truppenübungsplatz steht unter der Verwaltung des US-Heeres.“ Wie es ihn nutzen dürfe, sei in einer Verwaltungsvereinbarung geregelt. „Dort ist ... für die Monate Februar und März festgelegt, dass Schießvorhaben an den Wochentagen nicht vor 8 Uhr beginnen dürfen und bis 24 Uhr zu beenden sind. Dies gilt für großkalibrige Waffen ab 20 mm. An Samstagen sind Schießvorhaben spätestens um 14 Uhr zu beenden. Außer an stillen Feiertagen darf mit Handfeuerwaffen unter 20 mm durchgehend geschossen werden.“ Abweichungen von diesen Zeiten seien aber im Einvernehmen mit dem Bundesverteidigungsministerium möglich.













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