Auerbach
04.03.2021 - 21:27 Uhr

Hitzige Diskussion zum Bürgerentscheid im Auerbacher Stadtrat

Das Thema stand am Mittwoch gar nicht auf der Tagesordnung des Auerbacher Stadtrats. Dennoch kam es zu einer ausführlichen Diskussion über den Bürgerentscheid zum Wohnpark Adolf-Kolping-Straße. Einige Male wurde es dabei sehr laut.

Emotionalität oder gar Polemik hat in der Auseinandersetzung um den Bürgerentscheid zum Wohnpark Adolf-Kolping-Straße schon länger einen festen Platz. Die Bäume entlang des gut 2800 Quadratmeter großen Grundstücks, die für die Wohnbebauung weichen sollen, sind mit Protest-Schildern versehen. Bild: Wolfgang Steinbacher
Emotionalität oder gar Polemik hat in der Auseinandersetzung um den Bürgerentscheid zum Wohnpark Adolf-Kolping-Straße schon länger einen festen Platz. Die Bäume entlang des gut 2800 Quadratmeter großen Grundstücks, die für die Wohnbebauung weichen sollen, sind mit Protest-Schildern versehen.

Für den 14. März ist in Auerbach ein Bürgerentscheid angesetzt. Es geht drum, ob der Wohnpark Adolf-Kolping-Straße gebaut werden darf. Eine Bürgerinitiative, deren Kern Anwohner des fraglichen Grundstücks bilden, will das verhindern. Von den Fraktionen im Stadtrat hat sich lediglich die CSU auf deren Seite geschlagen und wirbt für ein „Ja“ zum Text des Bürgerbegehrens. Die anderen Stadträte haben mehrfach kundgetan, dass sie hinter dem Vorhaben stehen, das inzwischen als „Service-Wohnpark für Senioren“ oder „Mehrgenerationen-Haus mit buchbaren Serviceleistungen“ firmiert.

Das Projekt mit rund 20 Eigentumswohnungen in sechs zweistöckigen Häusern betreibt die örtliche Firma HD Bau mit dem Regionalverband Jura des Arbeiter-Samariter-Bundes als Partner, der die Serviceleistungen wie Hausnotruf, Pflege oder hauswirtschaftliche Versorgung anbietet. Das Unternehmen HD Bau gehört dem FW-Stadtrat Dieter Hofmann.

Bürgermeister Joachim Neuß (FW) und auch sein Stellvertreter Norbert Gradl (SPD) hatten den Befürwortern des Bürgerbegehrens bereits gelegentlich vorgeworfen, unwahre Behauptungen in die Welt zu setzen. Nachdem vergangene Woche der CSU-Ortsverband Auerbach mit einer Pressemitteilung zum Bürgerentscheid an die Öffentlichkeit getreten war, verwahrte sich Neuß jetzt mit einer längeren Stellungnahme in der Sitzung gegen mehrere darin verbreitete Aussagen.

Auerbach24.02.2021

Der Bürgermeister betonte dabei, seine Kollegen aus anderen Städten könnten nicht verstehen, warum gegen ein solches Wohnprojekt Stimmung gemacht werde: „Wir erregen da große regionale Aufmerksamkeit und Verwunderung.“ Wer derartige „Falschinformationen“ und „tendenziöse Aussagen“ verbreite wie der CSU-Ortsverband, der vergifte die Stimmung im Stadtrat und in der Kommune. Neuß sah hier „teils Unwissenheit der Verantwortlichen, teils unseriöse Stimmungsmache“ am Werk.

Es sei legitim, gegen das Wohnpark-Projekt zu sein, so Neuß, aber diese Methoden seien es nicht: „Das ist populistisch und hat mit seriöser Kommunalpolitik nichts mehr zu tun.“ Es erinnere sehr an das Vorgehen eines Donald Trump.

Die Kontroverse entzündete sich hauptsächlich an folgenden Punkten:

Das „stille Kämmerlein“

Der Verkauf des Baugrundstücks an den Investor sei nicht transparent, sondern „im stillen Kämmerlein eingefädelt worden“, hatte die CSU verbreitet. „So befeuert man Hasskommentare“, lautete der Kommentar von Holger Eckert (FW) dazu. CSU-Fraktionssprecher Herbert Appl erläuterte, damit meine man auch allgemein die mangelhafte Informationspolitik rund um das Vorhaben, das sich erst spät zum „sozialen Wohnen“ gemausert habe. „Und das muss einem als Überspitzung in der Argumentation zugestanden werden.“

Verkauft oder nicht?

Der Stadtrat hatte zwar schon im Mai 2020 für den Verkauf des Grundstücks an den Investor gestimmt, doch der ist immer noch nicht vollzogen, wie Bürgermeister Neuß unlängst in einer öffentlichen Stellungnahme erklärt hatte. Warum das so sei, wollte CSU-Fraktionssprecher Herbert Appl wissen. Die Auskunft von Neuß: Der Verkauf von städtischen Grundstücken werde in Auerbach immer erst vollzogen, wenn der Bauantrag eingereicht wird. Das soll eine „Bevorratung“ von Flächen verhindern. Und aktuell warte man einfach den Ausgang des Bürgerentscheids ab, um keine unnötigen Notarkosten entstehen zu lassen.

Die Zweckbindung

Es sei Unsinn, dass der Bebauungsplan keine verbindlichen Festlegungen enthalte, was auf dem Grundstück in der Adolf-Kolping-Straße zu entstehen habe, so Joachim Neuß: Die Fläche werde zweckgebunden für genau dieses Projekt verkauft. Laut Holger Eckert wird ferner behauptet, das Areal sei als Wiese verkauft worden und werde jetzt zu Bauland umgewandelt. Dass mit solchen Unwahrheiten operiert werde, habe er in seinen 36 Jahren im Stadtrat noch nicht erlebt, wurde ein erzürnter Norbert Gradl laut. „Das suggeriert doch, wir hätten städtisches Geld veruntreut.“ Es sei „eine Sauerei, was hier abgeliefert wird“. Birgit Barth, die wegen einer Wahlempfehlung per Video auf der Facebook-Seite der CSU von Gradl direkt angegangen worden war, bezeichnete dies als „mein gutes Recht“. Die Fraktion dürfe sich hier sehr wohl deutlich positionieren. Sie habe Fakten gebracht, keine Diffamierungen. „Hier wird gegen die CSU gehetzt, und das ist nicht in Ordnung.“ Neuß wollte das nicht so stehenlassen: „Sie haben tendenziös argumentiert, und das ist eindeutig.“

Das „vereinfachte Verfahren“

Es braucht einen Bebauungsplan, um die sechs Häuser zu verwirklichen, und der wird im „vereinfachten Verfahren“ aufgestellt. Laut Stadtbaumeisterin Margit Ebner bedeutet das aber nicht, dass man jemandem etwas einfacher mache, sondern dass es nur eine öffentliche Auslegung gebe und manche Vorgaben etwas enger gefasst seien. „Aber es hat sich ohnehin niemand gemeldet.“ Joachim Neuß ergänzte, der Stadtrat habe sich für diese Form der Bauleitplanung entschieden, um die Bürger beteiligen zu können. „Es wäre auch ohne Bürgerbeteiligung gegangen.“

Zu Forderungen, die Anwohner vorher mit ins Boot zu holen, sagte der Bürgermeister, das hätte nicht dem üblichen, ordnungsgemäßen und immer gleichen Vorgehen der Verwaltung entsprochen, auf das jeder Betroffene einen Anspruch habe.

Die anderen Bauinteressenten

Laut CSU war schon „mehreren Bauinteressenten in diesem Bereich eine Bebauung verwehrt“ worden. Er sei jetzt 13 Jahre Bürgermeister, aber ihm sei keine einzige Anfrage bekannt, stellte Neuß dazu fest. Und auch niemandem aus der Stadtverwaltung. Wenn die CSU solche Behauptungen aufstelle, müsse sie schon Namen nennen.

Das werde sie nicht tun, sagte Ortsvorsitzender Bernhard Hinteregger, „weil wir keinen diffamieren wollen“. Entweder Ross und Reiter nennen oder von vornherein „die Fresse halten“, konterte Bernd Scheller (Grüne) diese Haltung. Wer Anschuldigungen vorbringe, müsse auch Beweise liefern. Herbert Appl blieb aber dabei: Ihm seien zwei Kaufinteressenten namentlich bekannt, ebenso ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung. „Alle drei werde ich nicht nennen.“

Der kurze Entscheidungsvorlauf

Die CSU-Position: Der neue Stadtrat musste am 13. Mai 2020, als er erst wenige Tage im Amt war, ohne ausreichende Diskussion über den Verkauf des Grundstücks abstimmen. Zudem hatte er nicht einmal eine Woche vorher durch die Sitzungsvorlage von den Plänen erfahren.

Die Einladungsfrist sei seit Jahrzehnten kein Problem, meinte Neuß. Bei so einer „planerischen Großtat“ schon, befand Ulrich Jung (CSU). Neuß darauf: Damals sei es nicht um Einzelheiten der Planung gegangen, sondern um die Frage, ob der Stadtrat bereit sei, für ein derartiges Vorhaben das Grundstück zu veräußern, quasi als Signal an den Investor, ob er mit seinen Planungen weitermachen könne.

Die CSU hätte doch den Tagesordnungspunkt vertagen lassen können, indem sie zu wenig Zeit für die Beratung geltend gemacht hätte, bemerkte Bernd Scheller. Ulrich Jungs Widerspruch, der Antrag wäre bei diesen Mehrheitsverhältnissen ohnehin nicht durchgegangen, brachte Neuß auf die Palme. Er erkannte darin die Unterstellung, im Stadtrat würde mit den herrschenden Mehrheitsverhältnissen jemand protegiert. „Das ist eine tendenziöse Aussage, das verbitte ich mir“, polterte er. „Damit ist jetzt Schluss.“

Der Informationsvorsprung

Ulrich Jung behauptete, andere Fraktionen hätten am 13. Mai 2020 einen Informationsvorsprung gegenüber der CSU gehabt, insbesondere die Freien Wähler. Mehrere Mitglieder dieser Fraktion verneinten dies, auch Neuß. Lediglich er selbst habe zu diesem Zeitpunkt mehr gewusst, da er als Bürgermeister alle Gespräche mitgemacht habe.

Die Nichtöffentlichkeit

Die Verkaufswilligkeit des Stadtrats war am 13. Mai 2020 in nichtöffentlicher Sitzung festgestellt worden. Jetzt tat Herbert Appl kund, die Entscheidung sei mit 15:5 gegen die Stimmen der CSU-Fraktion gefallen. Darf er das öffentlich machen?, wollte Josef Lehner (CUU) wissen. Das sei zumindest nicht genehmigt worden, meinte Neuß, während Appl sich berechtigt fühlte, weil der Bürgermeister die grundsätzliche Entsheidung der nichtöffentlichen Sitzung publik gemacht hatte. Damit seien die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen. Allerdings habe Appl jetzt mit seiner Aussage das Stimmverhalten öffentlich gemacht, wenn er auch keine Namen genannt habe, wandte der Bürgermeister ein.

Die Sozialen Medien

Auf Facebook werde jetzt eine wüste Hetze gegen den Stadtrat betrieben, beklagten FW-Vertreter. Man spreche von „Vetternwirtschaft“ und „Mafia“ oder behaupte, die Stadträte bedienten sich selbst, seien korrupt oder wollten Bauvorhaben nur „durchwinken“, aber nicht in angemessener Form prüfen. Holger Eckert sprach von „Falschaussagen, die schwer zu fassen sind“. Einige stammten von „bekannten Wiederholungstätern“, während andere ungeniert unter falschem Namen verfasst seien. Etliche dieser Aussagen fielen unter Tatbestände des Strafgesetzbuches wie Beleidigung oder üble Nachrede.

Peter Danninger (SPD) und Martin Weiß (FW) bestätigten, dass ihnen solche Vorwürfe sehr nahe gingen. Danninger sagte, er sei deshalb aus mehreren Auerbacher „sozialen Netzwerkgruppen“ ausgetreten. Weiß („ich habe schlaflose Nächte, ich bin nicht korrupt“) sah dadurch gar das gesamte demokratische System gefährdet: „Wir müssen alle zusammenstehen und gegen diese Ausuferungen in den Sozialen Medien kämpfen.“

Ulrich Jung wollte von Eckert und Neuß wissen, ob sie ihm persönlich vorwerfen, Hetze zu verbreiten. Auf ausweichende Antworten hin reagierte er mit: „Sie machen genau das, was Sie anderen vorwerfen.“

Die Formulierung

Warum ist die Fragestellung im Bürgerentscheid so umständlich formuliert? Auf diese Frage von Holger Eckert (FW) erwiderte Hauptamtsleiter Uwe Lindner, man sei da an die von den Initiatoren gestaltete Formulierung des Bürgerbegehrens gebunden, habe sie nur leicht redaktionell ändern können. Auch weil die Initiatoren einer größeren Änderung nicht zugestimmt hätten, ergänzte Neuß. Die Fragestellung lautet jetzt: „Sind Sie gegen die Änderung des Flächennutzungsplanes und somit gegen die Errichtung eines Wohnparks in der Adolf-Kolping-Straße?“ Das heißt, wer die Bebauung verhindern will, muss mit „Ja“ stimmen.

Ansätze zur Abkühlung der Gemüter brachte Siegfried Neukam (CSU) in die Diskussion ein. Er habe kein Verständnis für die schroffe Argumentation etwa von Norbert Gradl, sagte er, zumal die CSU ja hinter dem Projekt Seniorenwohnen stehe – „aber nicht an diesem Standort“. „Wir können aber nur über den Grund verfügen, den wir haben“, meinte Bürgermeister Neuß dazu, um am Ende zur Besinnung aufzurufen: „Hier scheint etwas aus den Bahnen zu geraten. Wir dürfen uns als Stadtrat nicht in den Sozialen Medien zerfleischen lassen.“

Auerbach18.02.2021
 
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