Tödliche Oberpfalz: Bestatter im Auftrag der Polizei

Auerbach
09.11.2022 - 13:59 Uhr
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Markus Roider arbeitet als Polizeibestatter. Im Auftrag der Polizei transportiert er Leichen. Aber nicht nur das. Zu seinem Beruf gehört noch so viel mehr.

Wasserleichen, Unfalltote oder Mordopfer: Markus Roider hat schon alles gesehen. Der 44-Jährige arbeitet seit 15 Jahren als Bestatter. Der Firmenhauptsitz seines Unternehmens liegt in Auerbach im Landkreis Amberg-Sulzbach. Roider kümmert sich aber nicht nur regional und überregional um reguläre Bestattungen, er nimmt auch Aufträge von der Polizei an. Das müssen nicht immer Tötungsdelikte sein, sagt Roider: "Es sind auch Leichenauffindungen, wie beispielsweise die Oma Müller, die im Sommer sechs Wochen tot in ihrer Wohnung gelegen ist und keiner hat sie vermisst." Immer dann, wenn die Polizei keine Angehörigen findet oder der Verstorbene keinen Bestatter festgelegt hat, kommt der offizielle Polizeibestatter. Wenn Roider im Auftrag der Polizei unterwegs ist, läuft seine Arbeit etwas anders ab.

Der 44-Jährige soll als Polizeibestatter keine Emotionen den Angehörigen gegenüber zeigen. "Die Leiche wird eingepackt und abtransportiert", sagt der Bestatter. Dafür nutzt er spezielle Leichensäcke, sogenannte Body Packs mit Zulassung des Landeskriminalamtes, die besonders tragfähig sind. Der Sack wird mit einem Reißverschluss verschlossen und dann entweder in einem Sarg oder auf einer Trage geborgen, erklärt Roider. Wie es weitergeht, entnimmt der Bestatter dann einem Laufzettel. Die Verstorbenen werden meist zur Gerichtsmedizin oder zum örtlichen Friedhof gebracht.

Todesursache ungeklärt

In 80 Prozent seiner Polizeieinsätze ist die Todesursache noch ungeklärt. Die Leichen werden dann beschlagnahmt und der Sarg wird entsprechend gekennzeichnet. Die Angehörigen dürfen ihre Verstorbenen nicht mehr sehen oder gar berühren. Danach muss erstmal die Staatsanwaltschaft ermitteln und die Kripo Spuren sichern, um die genauen Todesumstände zu klären. Wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind, kann die Staatsanwaltschaft eine Freigabe der Leiche erteilen. Mit der Freigabe darf dann erst der reguläre Bestatter weiterarbeiten.

Einen Polizeiauftrag darf Roider nicht ablehnen. Das ist vertraglich geregelt. Wenn er den Auftrag ablehnt, kommt ein anderer Bestatter, Roider verliert den Auftrag und muss eine Vertragsstrafe zahlen. Sein Vertrag mit der Polizei läuft zwei Jahre. Danach schreibt die Polizei wieder neu aus. Dabei gewinnt meistens der günstigste und erfahrensten Bestatter, der aber auch genug Fahrzeuge und Personal hat, um mehrere Einsätze gleichzeitig zu fahren, erklärt Roider.

Manche Fälle bleiben im Gedächtnis

Für den Bestatter steckt hinter der Abmachung mit der Polizei aber mehr als "nur der Transport von Leichen". Roider wird oft direkt mit dem Elend der Verstorbenen konfrontiert. Gerade, wenn es sich um einen überraschenden Todesfall handelt, kann es sein, dass er auf panische Angehörige trifft und sich Dramen am Auffindeort abspielen. Es gibt aber auch Einsätze, da steht nur noch die Landespolizei da und der 44-Jährige muss "im Prinzip nur noch einladen". Jeder Einsatz ist da anders, sagt der 44-Jährige: "Ich will nicht sagen, das ist das, was einem Spaß macht an dem Beruf, aber was die Abwechslung bringt." Spaß sei der falsche Ausdruck. Roiders Ziel ist es, jeden Verstorbenen so zu behandeln, als wäre er sein eigener Verwandter. Als Polizeibestatter geht das nicht immer. Da muss er relativ neutral sein. Dennoch gibt es Fälle, die ihm nahe gehen. Zum Beispiel, wenn er ein Kind bergen muss. "Ich habe selber Kinder", sagt Roider. Auch Unfälle, Suizid und Mord gehen ihm nahe. "Alles, was plötzlich geschehen ist - und das ist bei Polizeieinsätzen meistens der Fall."

Besonders im Gedächtnis geblieben ist Roider sein erster Einsatz. Er wurde zu einem Verkehrsunfall auf der A 9 gerufen. Ein 40-Tonner-Sattelzug rauschte in ein Stauende. Dabei wurde eine 18-Jährige tödlich verletzt. "Diese plötzlichen Ereignisse reißen Menschen aus dem Leben. Das reißt aber auch die Familie komplett ins Unglück und da denkst du schon drüber nach", sagt Roider. Es gibt Fälle, die brennen sich ins Gedächtnis ein. Andere sind Routine. "Wenn ich jetzt so an die letzten 15 Jahre zurückdenke, blieben mir vielleicht sechs oder sieben Fälle im Kopf." Sobald die Verstorbenen im Leichenschauhaus, auf dem Friedhof oder in der Gerichtsmedizin liegen, ist Roiders Auftrag im Regelfall abgeschlossen. Nur bei größeren Einsätzen verfolgt er den Fall später in den Medien.

Reden hilft

Für Bestatter gibt es keine speziellen Seelsorger. Roider und seine Kollegen müssen sich selbst jemanden suchen, mit dem sie über ihr Erlebtes sprechen können. Das kann ein Gemeindepfarrer, Seelsorger oder die Familie sein. "Reden ist das Heilmittel Nummer eins", sagt der 44-Jährige. Sich was von der Seele reden ist nicht nur ein Sprichwort, das hilft auch wirklich. Das rät Roider auch jedem Angehörigen.

Info:

Was ist Polizeidienst beim Bestatter?

  • Polizeibestatter, auch bekannt als Vertragsbestatter, werden per Ausschreibung durch die Polizei gesucht.
  • Der Auftrag wird meist für mehrere Jahre vergeben.
  • Der Bestatter, der den Zuschlag erhält, muss unter anderem über entsprechende Fahrzeuge verfügen und beispielsweise innerhalb einer Reaktionszeit von 40 Minuten vor Ort sein.
  • Es kommen nur Bestattungsunternehmen in Frage, die die einschlägigen Qualitätsanforderungen der DIN EN 15017 (Bestattungs-Dienstleistungen-Anforderungen) erfüllen.
  • Wie bei einer Ausschreibung üblich, spielt auch der abgegebene Preis eine Rolle.
  • Bei Unfällen, Straftaten und Suizid sind die Ordnungsbehörden zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Hygiene oft in Zugzwang. Sie können nicht abwarten, bis die Angehörigen ermittelt wurden und diese sich für einen bestimmten Bestatter entschieden haben. Deshalb wird der Vertragsbestatter der Polizei informiert und mit der Bergung bzw. Überführung des Verstorbenen beauftragt.
  • Sobald der Verstorbene freigegeben ist, ist der Auftrag des Vertragsbestatters beendet.
 
 

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