Noch heute ist Alfred Wolf überwältigt von der Gemeinschaftsleistung, durch die der Geschichtspark entstehen konnte. Am Freitag, 30. Juli, ist die Eröffnung des Freilandmuseums zehn Jahre her. „Es ist fast unbegreiflich, wie aus einer Idee so etwas großes hat werden können“, sagt Wolf, der Vorsitzende des Trägervereins „Via Carolina – Goldene Straße“. „Wir reiben uns selbst manchmal die Augen, was in den zehn Jahren alles passiert ist.“
Und das trotz enormer Widerstände und anfänglicher Bedenken. Bereits um die Jahrtausendwende reifte die Überlegung für einen Geschichtspark, die Pläne wurden immer konkreter. 2007 gab es einen Bürgerentscheid zum Geschichtspark – mit dem Ergebnis, dass sich die Stadt nicht an dem Projekt beteiligt. „Das ist lang her und heute nicht mehr wichtig“, kommentiert Wolf. Wenige Jahre später war der Verein dann soweit:
Im April 2010 wurde das Projektbüro mit einem kleinen Team besetzt, mit Projektleiter Benjamin Zeitler, wissenschaftlichen Leiter Stefan Wolters, Bürokraft Gertraud Zeitler sowie Roman Soukup vom Verein "Terra Tachovia" - dem tschechischen Pendant zum Verein "Via Carolina - Goldene Straße" - als tschechischen Verbindungsmann.
55.000 Arbeitsstunden
Dann ging es in großen Schritten auf dem 6,5 Hektar großen Areal, das früher zu einem Sägewerk gehörte, voran. Im Sommer der Erdaushub des 7000 Quadratmeter großen Teichs und der Anlage des Wegenetzes. Das Richtfest des Funktionsgebäudes im Januar 2011. Eineinviertel Jahre nach dem Start des Projekts konnte der Geschichtspark bereits eingeweiht werden. Schaffen konnte der Verein das nur, weil sich viele Leute ehrenamtlich engagierten.
Wolf erzählt etwa von den Hermannsreuther "Aktionsrentnern", die drei mittelalterlichen Gebäude aufbauten. Natürlich packte auch eine Vielzahl von Darstellern und Mittelalterfreunden aus ganz Deutschland und Tschechien mit an. "Besonders im ersten Jahr unseres Projekts stieg die Mitgliederzahl auf 600 an", sagt Wolf. Insgesamt wurden 55 000 ehrenamtliche Arbeitsstunden geleistet. Der Verein konnte beim Projekt Geschichtspark auf 4,6 Millionen Euro Fördergelder zurückgreifen. 175 000 Besucher gingen in den zehn Jahren durch den Geschichtspark. Insgesamt gibt es 30 Rekonstruktionen zu besichtigen. Die jährliche Besucherzahl hat sich zwischen 15 000 und 18 000 Gästen eingependelt.
Zusammenarbeit mit Universitäten
Nachdem das EU-Bauprojekt Geschichtspark 2014 auslief, entstand 2015 die Idee, das wissenschaftliche Potenzial des Geschichtsparks für Universitäten zur Verfügung zu stellen. Die Geburtsstunde des Archaeo-Centrums. "Uns war klar, dass wir nicht nur einen Park für Besucher betreiben und beim Museum stehen bleiben möchten. Wir wollten das alles weiterentwickeln", macht Wolf deutlich.
2017 begann dann der Bau der Archaeo-Werkstatt und des Königshofes Kaiser Karl IV. Ein weiterer Meilenstein. Dafür wurden zusätzliche 1,8 Hektar Grund erworben. Ein Projektvolumen von insgesamt 2,5 Millionen Euro. Im September 2018 wurde das Archaeo-Centrum mit Laborbereich und Studienräumen eingeweiht. In die Institution integriert sind die Universität Bamberg, die Westböhmische Universität Pilsen und die Karls-Universität Prag. Mit Vaclav Vrbik, dem deutsch-tschechischen Verbindungsmann im Archaeo-Centrum, ist eine Zusammenarbeit aller Beteiligten auf Augenhöhe möglich. "Dass die Unis so eng zusammenarbeiten, das war vor unserem Projekt eigentlich nicht der Fall", betont Vrbik. Ziel der Institution sei, das gemeinsame Erbe in Bayern und Böhme zu untersuchen und zu visualisieren.
Grenzregion positiv verändert
Wo früher nur Wiese war, gibt es zehn Jahre später auf dem insgesamt 8, 3 Hektar großen Gelände sind heute Tourismus, Wissenschaft, Forschung, Handwerk, Freizeit und Gastronomie untergebracht. Für den Verein arbeiten derzeit 15 Mitarbeiter in Vollzeit. Insgesamt wurden 8,2 Millionen Euro investiert. Alle finanziellen Mittel musste der Verein mühsam zusammenklauben. "Diese Millionen hatte der Verein ja nicht", blickt Wolf zurück. "Es war teils schwere Überzeugungsarbeit. Ja, es bringt der Region was. Die Leute wissen, was sie tun. Da haben wir uns mittlerweile ein großes Vertrauen erarbeitet."
Der Vorsitzende ist sich sicher: "Wir haben die Grenzregion zum Positiven verändert und gezeigt, was möglich ist, wenn man nur will und die richtigen Leute zusammenhalten. Wir haben hier eine Infrastruktur geschaffen, Kompetenzen und ein Netzwerk, das bayernweit einmalig ist."
Naturdorf GmbH gegründet
Die Ideen gehen dem Team nicht aus. "Wir setzten noch eins drauf", spricht Wolf die Zukunftsoffensive an. Ein starkes Signal, nachdem die Coronakrise der Einrichtung schwer zu schaffen gemacht hat. Bis 2022 sollen 13 Projekte für 2,1 Millionen umgesetzt werden. Damit möchte sich der Verein noch mehr den Themen Ökologie und Umweltbildung widmen, erklärt Geschäftsführerin Ilona Hunsperger. Wolf ergänzt: "Wir wollen hier mittelfristig Geld verdienen und uns unabhängiger von Fördergeldern machen." Dazu wurde vergangene Woche die "Via Carolina Naturdorf GmbH" - eine 100 prozentige Tochter des Vereines - gegründet. "In dieser GmbH wollen wir unsere wirtschaftlichen Komponenten ausgliedern", erklärt Wolf. Dabei bleibt das Ziel des Projekts auch nach zehn Jahren gleich: Böhmen und Bayern weiter zusammenbringen.
Meilensteine des Projekts Geschichtspark
- 2006 Gründung des Vereins "Via Carolina"
- 1. April 2010 Start des Projektbüros Geschichtspark
- 22. März 2010 Spatenstich für den Geschichtspark
- 20. Januar 2011 Richtfest für das Funktionsgebäude
- 30. Juli 2011 Eröffnung des Freiluftmuseums
- 2017 Baubeginn der Archaeo- Werkstatt und der Schaubaustelle Kaiser Karl IV.
- 17. September 2018 Einweihung der Archaeo-Werkstatt
- April 2021 Start der Zukunftsoffensive
- Juli 2021 Gründung der "Via Carolina Naturdorf GmbH"
"Wir reiben uns selbst manchmal die Augen, was in den zehn Jahren alles passiert ist."
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