Ensdorf
10.02.2025 - 11:22 Uhr

Nach Ende des Ukraine-Krieges für Professor Carlo Masala US-Truppenabzug aus Grafenwöhr klare Option

„Nicht die Bundeswehr ist gescheitert in Afghanistan, sondern die Politik“: Klare Worte findet Bundestagsabgeordnete Susanne Hierl, Professor Carlo Masala formuliert es ähnlich bei einem politisch hochinteressanten Abend in Ensdorf.

Der volle Wittelsbacher Saal im Kloster Ensdorf signalisierte es: Das Thema ist hochaktuell. Der CSU-Arbeitskreis für Außen- und Sicherheitspolitik (ASP) Oberpfalz hatte zum Außen- und Sicherheitspolitischen Dialog mit dem Thema „Abschlussbericht der Enquete-Kommission zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan – und nun?“ eingeladen. ASP-Bezirksvorsitzender Andreas Otterbein registrierte die Teilnahme aller Kreisverbände aus der Oberpfalz.

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Susanne Hierl gab eine Einführung in die Arbeit der Enquete-Kommission des Bundestags, die 2022 ihren Dienst aufgenommen und nun ihren Abschlussbericht im Bundestag präsentiert hatte. Zwölf Abgeordnete und zwölf Sachverständige untersuchten laut Hierl 20 Jahre deutsches Engagement in Afghanistan mit den Zielen Sicherung und Stabilisierung, ziviler Aufbau und Friedensförderung sowie Staats- und Regierungsaufbau.

Einsatz ist gescheitert

Es sei befremdlich, dass der Einsatz, der ja auch viel Gutes bewirkt habe, als gescheitert betrachtet werden müsse, denn die Einsatzkräfte hätten ihr Bestes gegeben. „Gescheitert ist die Politik in Berlin. Gescheitert ist nicht der angestrebte vernetzte Ansatz, denn es gab ja gar keinen – nicht im Parlament, nicht in der Regierung“, bilanzierte Susanne Hierl. Es hätten keine Möglichkeiten bestanden, zusammenzuwirken mit den anderen Teilnehmern, Berlin habe sich schlicht nicht gekümmert.

Professor Carlo Masala, Leiter der Professur für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, hatte maßgeblich als Mitglied der Enquete-Kommission mitgewirkt. Er forderte: „Wir müssen besser vorbereitet sein beim nächsten Einsatz. Russland ist in fünf bis sechs Jahren so weit, dass es die Nato angreifen kann.“

Nationaler Sicherheitsrat nötig

Derzeit fehlt Deutschland laut Masala ein einheitliches Lagebild, das die Bedrohung durch Russlands hybride Kriegführung widerspiegele. Ein objektives Gesamtbild der Lage sei aber unbedingt erforderlich, wenn jedes Ministerium seinen eigenen Weg gehe, führe das zu nichts. Er brachte einen Bundessicherheitsrat mit allen Ministern sowie einen Nationalen Sicherheitsrat im Bundeskanzleramt mit Experten, Ländervertretern, Ministerien etc. ins Spiel. „Das führt zu einem einheitlichen Lagebild und einer zentralen Entscheidungsstruktur.“ Der Staat müsse weg vom System, dass die unteren Stellen nur das nach oben weiter meldeten, was die Politik dort hören wolle.

In der Podiumsdiskussion mit Fragen aus dem Publikum an Hierl und Masala, die Landtagsabgeordneter Harald Schwartz moderierte, wurde schnell klar, dass das 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr bei weitem nicht reicht, um angestrebte Ziele zu erreichen. Zwei Prozent vom Bruttosozialprodukt genügten überhaupt nicht mehr, betonte Hierl, und Masala wies auf die Bedrohung der Demokratie durch Russland hin. „Das ist nicht mehr Putins Krieg, das ist Russlands Krieg – die jahrzehntelang beeinflusste Bevölkerung steht inzwischen hinter dem neoimperialistischen Regime.“

Großer US-Truppenabzug

Stichwort USA: Einig zeigten sich die beiden Experten, dass Deutschland und Europa viel zu wenig auf Trump vorbereitet seien. Was bedeute der Machtwechsel für die Truppenübungsplätze Grafenwöhr und Hohenfels? Wenn der Krieg in der Ukraine tatsächlich ende, stehe ein größerer Truppenabzug aus Europa an, der die US-Präsenz ausdünne. „Die verlagert sich dann mehr in den indopazifischen Raum“, war sich Masala im Hinblick auf chinesische Aktivitäten sicher.

Ganz aufgeben würden die Amerikaner Grafenwöhr allerdings nie, dazu seien Basis und Übungsmöglichkeiten zu wichtig. Am besten sei wohl die Vereinbarung eines klaren Fahrplans mit den europäischen Partnern über eine Truppenverminderung. Klar müsse aber auch sein: Ohne die Amerikaner sei man zur Zeit wehrlos. Zwischenfrage: Kommt die Ukraine in die Nato? Klare Antwort Masalas: „Nein, denn Deutschland, Frankreich und die USA sind dagegen.“

Wehrpflicht wie in Schweden

„Wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, das uns Trump hinhält“, dämpfte Carlo Masala die Aufregung über ständige Dekrete und Absichtspläne. „Wir müssen erst mal schauen, was er genau will in Grönland, Panama, Kanada, wie viel Prozent unsere Verteidigungsausgaben betragen sollen“, schlug er vor – würden fünf Prozent gefordert, kämen 3 oder 3,5 am Ende heraus.

Letzter großer Punkt: Wehrpflicht ja oder nein? Hierl und Masala brachten gemeinsame Argumente gegen eine Neuauflage des alten Modells vor: Es fehlten Unterkünfte, Material, Ausbilder, schlicht das Geld für 100.000 neue Rekruten. Ein möglicher Weg zur dringend nötigen Aufstockung der Bundeswehr sei derzeit wohl im schwedischen Modell mit Wehrpflicht, Zivilpflicht und allgemeiner Dienstpflicht zu sehen: alle jungen Menschen anschreiben, mustern und dann fragen, was sie annehmen wollten.

 
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