Drei neue Sonderausstellungen wird es heuer im Tempel-Museum geben. Das steht fest. Wegen der Corona-Pandemie starten sie ohne Vernissage. Aber das macht dem Initiator des Hauses nichts aus. "Dann feiern wir halt eine Finissage im Herbst", blickt Wilhelm Koch zuversichtlich in die zweite Jahreshälfte.
Anschauen können sich die Leute die Ausstellungen trotzdem. „Seit Montag hat das Museum wieder geöffnet“, sagt Koch. Die Räume sind von nun an wieder täglich zwischen 9 und 17 Uhr zugänglich. Zu sehen bekommt das Publikum heuer unter anderem Kleidungsstücke. Jacken, Hosen und Mäntel, die neun kreative Köpfe aus ganz Deutschland entworfen haben: Modedesigner, Gewandmeister, Kostümbildner, Schneider und sogar ein Architekt. Das Besondere ist der Stoff, mit dem sie arbeiten: Die Fahnen der 47 Länder des Subkontinents Europa.
Auch mit diesem Thema arbeiten sich Koch und natürlich in erster Linie die Künstler am nicht immer ganz einfachen Prozess der europäischen Einigung ab. Die Flaggen werden zerschnitten und "dekonstruiert", die Teile neu gemischt und lustvoll-überraschend zu Bekleidungsobjekt umgewandelt. "Diese europäische Modenschau erzeugt ein farbenfrohes, manchmal geradezu surreales Mosaik neuer Bezüge und Kombinationen, die die heraldische, hoheitliche Formalität in hedonistische Fröhlichkeit verwandelt", heißt es in der Ankündigung der Schau. Oder anders interpretiert: Die Künstler setzen sich mit der Zerschnippelung der Flaggen über die Engstirnigkeit der Nationalisten hinweg.
Ein Stern für Etsdorf - Installation von Christian Schnurer
Die Vernissage mit Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Tempel-Museums war für Samstag, 9. Mai, dem Europatag, geplant. Und die Feier sollte so bunt werden, wie die zu bestaunende Kleiderkollektion. Apostolos Malamoussis, Erzpriester des Ökumenischen Patriarchats Bayern, hatte sein Kommen schon zugesagt. Die Veranstaltung muss aber wegen der Corona-Pandemie entfallen. "Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben", sagt Koch. Er hofft fest darauf, dass die Pandemie im Herbst soweit überwunden und Europa noch ein bisschen mehr zusammengewachsen ist und dass die Finissage umso schöner wird.
Bei den anderen beiden Ausstellungen handelt es sich um eine Fotoschau namens "Säulenwanderung". Wolfram Kastner und Christian Lehsten rücken dabei griechische Säulen in ein eher ungewohntes Bild. Die Säulen tragen auf den Bildern nicht auf klassische weise Giebel und Portale, sondern werden aus dem erwartbaren Kontext gerissen gehen auf Wanderschaft durch Europa.
"In der Säulenwanderung erlösen wir eine Säule (in ungefähr menschlicher Größe) aus ihrer üblichen Funktion und nutzen sie als mobiles optisches Instrument. Es findet keine Seelenwanderung statt, aber die Wandersäule wird zum Gradmesser oder Vergleichsmaßstab, zum Prisma oder Kontrapunkt", heißt es im Begleittext zur Ausstellung.
Eine weitere Schau befasst sich mit der Licht-Installation, die seit zwei Jahren am Ostgiebel des Tempelmuseums prangt. Stablampen sind dort so angeordnet, dass sie das Wort "Europa" ergeben - vor allem wenn der Strom angeschaltet ist. „Europa leuchtet“ nennt sich die Fotodokumentation der deutschlandweiten Initiative der More-Platz AG Berlin. "Immer wieder ein leuchtendes Zeichen für Europa zu setzen ist heute wichtiger denn je", schreiben die Aktionskünstler dazu. Im Jahr 2016 wurde von Caro Baumann und Johannes Schele die erste Lichtinstallation an St. Agnes in Berlin realisiert. Seit dem 9. Mai 2018 leuchtet auch am Tempel-Museum Etsdorf der Schriftzug und seit Herbst 2018 „auf AEG“ weit über Nürnberg hinaus. Die Schau zeigt großformatige Fotografien aller zehn bisherigen Europa-Lichtinstallationen.
Jedes Jahr Anfang Mai - um den Europatag herum - feiert das Tempelmuseum den europäischen Einigungsgedanken. Und zwar auf vielfältige, kreative Weise. Zum einen öffnet zu dieser Zeit immer die große Jahresausstellung, zum anderen treffen sich die Freunde der Einrichtung gleichzeitig nur etwa 500 Meter entfernt zum Asphaltkapellenfest, einem Waldfest neben der von Wilhelm Koch errichteten Kapelle aus Asphalt.
Tempel-Museum und Asphaltkapelle sind nur zwei künstlerische Brennpunkte in Etsdorf. Der dritte soll die Glyptothek werden - ein architektonisches Husarenstück auf einer Anhöhe über dem Dorf, das Koch seit nunmehr fast 20 Jahren plant. Der Künstler, der auch das Luftmuseum Amberg gegründet hat, hat seinen Plan für die Glytpothek zwar abgeändert, aber alles andere als verworfen. Wie es mit dem geplanten Säulenbau weitergehen soll, will Koch in den nächsten Wochen verraten.
Aussteller
- Maria Bott, Damenschneiderin, Stadttheater Ingolstadt
- Katharina Dobner, Bühne/Kostüm, Sünching
- Kerstin Hägele und Barbara Kiss, Kostümbildner, Stuttgart
- Hermann Hiller, Architekt und Künstler, München
- Flora Lottner, Kostümdesign-Studentin, Hamburg
- Annkathrin Selthofer, Gewandmeisterin, Regensburg
- Martina Tiefel, Modedesign-Studentin, Halle
- Petra Wilhelm, Designerin und Schneiderin, Regensburg.
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