Flossenbürg
26.01.2022 - 18:37 Uhr

Gedenkakt in Flossenbürg: Radikalität und Fanatismus entgegenstellen

Landtagspräsidentin Ilse Aigner mahnt in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, die Verharmlosung des Holocaust nicht zu tolerieren. Beim Gedenkakt zum Holocausttag stellt sie Bezüge zu aktuellen Gefahren her.

Bei eisigen Temperaturen haben der Bayerische Landtag und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten am Mittwoch in einem gemeinsamen Gedenkakt in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg (Kreis Neustadt/WN) an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Aufgrund der Corona-Pandemie musste bei der Veranstaltung vor der Kapelle oberhalb des Tal des Todes auf Gäste verzichtet werden. Die Feier wurde deshalb im Bayerischen Fernsehen übertragen.

Im Zentrum des Gedenkens standen in diesem Jahr die Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und ermordet wurden. Dabei wurde auch die Stele des Künstlers Bastian Brauwer der Öffentlichkeit vorgestellt, mit der dieses Opferkreises gedacht wird.

Homosexuelle leiden noch immer unter Anfeindungen

„So unfassbar es ist, was den als homosexuell Verfolgten in der NS-Zeit angetan wurde, so unfassbar ist es, dass dieses Leid nach 1945 kaum anerkannt wurde – und noch mehr: dass es nicht endete,“ stellte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) mit Blick auf Paragraf 175 des Strafgesetzbuches fest, der erst im Jahr 1994 endgültig gestrichen worden war. Aigner mahnte, dass Mitglieder der queeren Community weltweit immer noch unter Diskriminierung und Anfeindung leiden müssten. In mehr als 70 Ländern und Regionen gebe es anti-homosexuelle Gesetze. „In Russland, Ungarn und Polen nimmt die Diskriminierung dramatisch zu“, blickte die Politikerin auf die Situation in Europa. Angesichts der Menschenverachtung, des Rassismus und des Größenwahns, wie er auch im Konzentrationslager Flossenbürg praktiziert wurde, appellierte die Politikerin, sich jeder Art von Radikalität und Fanatismus entgegenzustellen.

„Das gilt besonders, wenn der Holocaust verharmlost wird. Wer Corona-Maßnahmen mit NS-Verfolgung gleichsetzt, hat jedes Maß verloren und jeden Anstand“, betonte Aigner. Egal, wie laut „Verschwörungs-Schwurbler und Umstürzler“ auch seien, sie seien so wenige, dass sie die Gesellschaft nicht spalten könnten. "Sie spalten sich nur ab."

Freller wirbt für Welt der Toleranz

Bewegend war der Moment des Gedenkaktes, als Luca Fabièn Dotzler oberhalb des Abgang zum Tal des Todes „Das lila Lied“ vortrug, die erste Hymne der homosexuellen Bewegung aus dem Jahre 1920, die auch von Fröhlichkeit und Selbstbewusstsein durchzogen war. Zu Beginn des Gedenkaktes hatte Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und Vizepräsident des Bayerischen Landtags, angesichts des Grauens der NS-Zeit für ein Leben in der „Welt der Freiheit und Toleranz“ geworben. Er wollte sich nicht abfinden mit einer Welt, in der gewaltbereite Demokratie-Gegner fackeltragend durch die Straßen spazieren und Nazi-Parolen skandieren oder Denkmäler für homosexuelle Opfer der Nazizeit schänden, wie vor wenigen Tagen in Köln.

Künstler Bastian Brauwer betonte, dass es ein intensives Anliegen der queeren Community gewesen sei, einen Gedenkstein für verfolgte und ermordete Homosexuelle aufzustellen. „An ein Gedenken an diese Männer oder gar eine Rehabilitierung war Jahrzehnte nicht zu denken – im Gegenteil – dieselben Polizisten verfolgten sie weiter und dieselben Richter sprachen das Unrecht fort“, erinnerte Brauwer.

Landratsamt untersagt Aufzug

Musikalisch gestaltet wurde der Gedenkakt vom Hornensembles des Symphonieorchesters der Universität Regensburg. Vier Jugendliche, die sich in besonderer Weise für das Projekt „ReMember – deine Geschichte zählt“ engagierten, trugen während des Zugs zur neuen Stele die Kränze ins Tal des Todes hinunter. „ReMember“ ist eine gemeinsame Initiative der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg und MIND prevention unter Beteiligung des Beruflichen Schulzentrums Oskar-von-Miller und der FOSBOS Schwandorf.

Die Veranstaltung in Flossenbürg war von deutlich mehr Polizei geschützt als üblich. Zuvor hatte der Querdenker Helmut Bauer eine Veranstaltung angemeldet und wieder abgesagt. Von Seiten des Landratsamts hieß es, dass die ursprünglich angemeldete „Mahnwache“ vom Veranstalters selbst wieder abgesagt worden war und sicherheitshalber seitens des Landratsamtes zusätzlich untersagt wurde. Die Polizei wies eine einstellige Zahl Personen ab, die auf das Gelände der Gedenkstätte wollten. Nach Informationen von Oberpfalzmedien waren sie zum Teil von weiter her gekommen.

Missbrauch des Ortes

"Sowohl der Ort, als auch der Anlass werden als Bühne missbraucht", sagte KZ Gedenkstättenleiter Jörg Skriebeleit. Er machte deutlich, dass die Gedenkstätte auch künftig allen Versuchen das Andenken an die Opfer des Holocaust zu missbrauchen, entschieden entgegentreten wird. "Es ist an Geschmacklosigkeit und Geschichtsklitterung nicht zu überbieten, an einem historisch so sensiblen Ort mit diesem Duktus in der Wortwahl zu einer „Mahnwache“ aufzurufen" schrieb der Neustädter Landrat Andreas Meier auf Facebook und machte klar, dass er den Aufzug unterbinden werde.

Vorgeschobener Grund für den geplanten Aufzug der Querdenker war die Skandalisierung des Besuchs einer Schulklasse aus dem Landkreis Eichstätt in der Gedenkstätte. Dabei war entsprechend den Hygienevorgaben der Staatsregierung der ungeimpfte Teil nur durch das Freigelände geführt worden, während die geimpften Schüler auch die Ausstellungsräume besuchen konnten. Beim rund 90-minütigen Rundgang beteiligten sich die Jugendlichen trotz des winterlichen Wetters rege, berichte die Gedenkstätte.

Im Anschluss konnten sie sich im beheizten und mit Sitzgelegenheiten ausgestatteten Vorraum aufwärmen. In den Gastraum konnten nur die Geimpften (2G), für alle anderem gab es bei der nahen Metzgerei die Möglichkeit etwas zum Essen zu kaufen. Aber diese Fakten interessieren die Querdenker nicht, sondern die falsche Geschichte der Querdenker-Freunde aus Beilngries im Altmühltal.

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