Repair-Café: Wenn kleine Tüfteleien für großes Glück sorgen

Freudenberg
09.02.2020 - 18:29 Uhr

Die Lieblingsbluse, bei der die Ellbogen "durch" waren, ist gerettet. Das macht zwei Menschen glücklich: Die Besitzerin und die Blusen-Retterin. Im Repair-Café in Freudenberg gibt es am Samstag viele solcher Glücksmomente.

Wolfgang Gebhard (rechts) nimmt eine defekte Bohrmaschine unter die Lupe. Das interessiert auch Freudenbergs Bürgermeister Alwin Märkl (links), in dessen Gemeinde das Repair-Café des ZEN Ensdorf am Samstag zum ersten Mal seine Dienste anbot.

Es ist schon erstaunlich: Alle, die heute hier im Repair-Café in der Freudenberger Schule arbeiten, tun das ehrenamtlich. Sie opfern ihren Samstag, um anderen zu helfen. Und zwar nicht nur einen Samstag - viele der Tüftler touren mit dem Repair-Café unter Regie des Zentrums für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit (ZEN) Ensdorf durch den Landkreis. Jo Pirzer ist einer von ihnen. Der 68-Jährige ist gelernter Radio- und Fernsehtechniker.

"Beruf und Hobby ist bei mir das Gleiche", sagt er. Wobei ihn nicht nur Radio- und Fernsehgeräte faszinieren, sondern "alles, was einen Stecker dran hat". Und auch "bei mechanischen Sachen" kann er helfen. Wer wem hilft, entscheidet sich an der Anmeldung des Repair-Cafés am Eingang: Hier füllen die "Kunden" einen Auftrags-Zettel aus, der ZEN-Projektleiterin Linda Trager und ihrem Team später hilft, den Erfolg auszuwerten. Kleine Zettel mit einer Beschreibung, was jeweils repariert werden muss, kommen an eine Pinnwand, die die Anliegen in Rubriken von Elektrik bis EDV einteilt. Die Reparateure holen sich dann ihre "Aufträge" aus ihren jeweiligen Fachgebieten. Und während sie schrauben und löten, können die Gerätebesitzer im Repair-Café Kaffee und Kuchen genießen.

Repair-Cafés kennt Pirzer schon länger aus Franken, von Nürnberg bis Erlangen, und wünschte sich Ähnliches schon lange auch in Amberg-Sulzbach. "Jetzt haben wir das endlich auch im Landkreis", freut er sich, während er im Werkraum der Freudenberger Schule seine kleine "mobile Werkstatt" aufbaut. Pirzer ist seit der Premiere Anfang des Jahres in Ensdorf dabei. Und will das auch "fast immer" sein, wie er sagt. Lachend ergänzt er: "Man muss ja auch mal Urlaub machen."

Tüftler haben Spaß im Ehrenamt

Ein Konzept, das bei beiden Seiten gut ankommt. Auch wenn die Tüftler natürlich den Teil mit der Arbeit haben. Für Jo Pirzer kein Thema: "Mir macht es Spaß, in der Runde zu reparieren." Er liebt die Herausforderung, aber auch das Gemeinschaftsgefühl der Tüftler. "Jeder kennt jeden – und schon passt es." Außerdem sei die Arbeit interessant. "Man kriegt immer was Neues mit. Man lernt ja nie aus. Kein Fehler ist wie der andere." Dass die Reparateure nie wissen, was auf sie zukommt, "macht die Sache spannend", meint Pirzer. Und natürlich gibt es auch Fälle, in denen sie nicht helfen können.

"Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe", so erklärt der Hirschauer das Prinzip der Repair-Cáfes: "Wir assistieren, wir beraten auch gern. Und wenn jemand selber schon einen Reparier-Versuch gemacht hat und nicht weitergekommen ist, ist er hier genau richtig." Wenn Ersatzteile gebraucht werden, muss der Geräte-Besitzer die selbst besorgen. "Kleber, Kabel, Stecker – so was haben wir dabei, damit es nicht an Kleinigkeiten scheitert."

Dass er seine Samstage unentgeltlich für andere opfert, ist für Pirzer kein Problem. Im Gegenteil. "Das sind meine Erfolgerslebnisse", erklärt er seine Motivation. "Und gleichzeitig kann ich ein bissl helfen, die Berge von Müll zu reduzieren. Wenn man sieht, was manchmal im Wertstoffhof landet – es ist schade drum." Meist bekommen die Tüftler kleinere Geräte auf den Tisch, weiß Pirzer aus den bisherigen Repair-Cafés. "Das sind oft nur Kabelbrüche oder kaputte Schalter, die nutzen sich einfach ab." Wenn sich Pirzer und seine Kollegen darum kümmern, seien sie keine Konkurrenz für Fachbetriebe, betont er: Deren Werkstätten hätten gar keine Zeit für solche Klein-Reparaturen.

Das alte Röhrenradio läuft wieder

Pirzers größtes Erfolgserlebnis bisher war ein Röhrenradio. Das sei erst vor Kurzem auf seinem Tisch gelandet. Ein Gerät aus den 1960er-Jahren. Damals gab es noch kein Stereo, aber schon einen Sendersuchlauf, erzählt der Hirschauer und fügt hinzu: "Der Radio spielt jetzt wieder optimal." Bei dem Schallplattenspieler, den ihm Helga Fleischmann heute mitbringt, wird Pirzer noch einen zweiten Anlauf brauchen. Der Plattenteller dreht sich zwar, aber das Gerät erzeugt keinen Ton. Pirzer hat einen Verdacht. Ein Blick durch die Lupe bestätigt: Der Tonarm hat keine Nadel mehr.

Darauf wäre Helga Fleischmann nicht gekommen. Also ist ihre Reparatur an sich kein großes Problem. Wenn das W-Lan in der Freudenberger Schule ginge. Doch es streikt. Deshalb kann Pirzer nicht im Internet recherchieren, welches Ersatzteil Helga Fleischmann braucht. Er schreibt ihr aber die Daten auf, die sie wissen muss, um die fehlende Nadel zu besorgen. Die bringt sie dann mit, wenn das Repair-Café in vier Wochen nach Hirschau kommt. Dann hat sie den Tüftler direkt vor der Haustür und Pirzer kann den Plattenspieler wieder zum Klingen bringen. Heute bleibt er stumm. Helga Fleischmann nimmt das Gerät und die James-Last-Platte, die sie zum Testen dabei hatte, wieder mit.

Harald Zisler, der heute zum ersten aber sicher nicht zum letzten Mal seine Repair-Dienste anbietet, würde die Idee gerne noch weiter ausgebaut sehen. Der EDV-Systembetreuer verweist auf das Vorbild München: Dort werden am Wertstoffhof "Sachen, die noch funktionieren, nicht weggeworfen, sondern kommen in ein Sozialkaufhaus". So etwas würde er sich in Amberg-Sulzbach auch wünschen. Auch er hat eine klare Motivation für seine ehrenamtliche Arbeit: "Man kann nicht nur auf Demonstrationen gehen und Nachhaltigkeit schreien. Man muss auch was tun. Das hier ist die Gelegenheit dazu."

Opa und Enkel reparieren gemeinsam

Während Zislers erster Auftrag heute nur eine kleine Kabel-Reparatur ist, hat Wolfgang Gebhard an der Werkbank nebenan Größeres vor sich: Ein großer Kaffeeautomat pumpt das Wasser überall hin, nur nicht in die Kaffeetasse. Und Josef Spies tüftelt einen Meter weiter an der Technik einer Stehlampe. Enkel Niko hilft ihm: Hier liegt das Tüfteln in der Familie.

In einem Klassenzimmer nebenan surrt eine Nähmaschine. Hier sorgt Schneiderin Ottilie Wendl aus Bühl für Glücksgefühle bei Edith Bruckschlegl. Die Freudenbergerin hat ihre Lieblingsbluse mitgebracht: Die Ellbogen sind "durch", man sieht dem Textil an, dass es oft getragen wird. "Mein absolutes Lieblingsteil", vor allem auf Reisen, verrät Bruckschlegl und gesteht: "Das kann ich einfach nicht wegwerfen." Anziehen kann sie die Bluse so aber auch nicht mehr, also muss sie jetzt unbedingt gerettet werden.

Lieblingsbluse gerettet

Kein Problem für Ottilie Wendl. Ein paar kühne Schnitte, ein paar schnelle Nähte – und schon sieht das weitgereiste Hemd aus wie neu, bereit für den nächsten Urlaub. Bruckschlegl strahlt. Ihr "Vergelt's Gott" kommt aus tiefstem Herzen. Und Ottilie Wendl ist auch zufrieden. "Weil's mir einfach Spaß macht", hilft sie gerne und wird ehrenamtlich "von der Schneiderin zur Flickschusterin", wie sie lachend sagt. Wie alle anderen hier natürlich ohne Honorar. "Ich find' es schön, wenn man jemandem helfen kann, auch wenn man kein Geld dafür kriegt. Geld ist auch nicht alles." Manches ist tatsächlich unbezahlbar. Das hört man, als sich Helga Bruckschlegl von der Schneiderin verabschiedet: "Im nächsten Urlaub denk' ich an dich."

Repair-Café:

So funktioniert's

Die Idee der Repair-Cafés stammt aus dem Niederlanden, wie die zuständige Projektleiterin Linda Trager erklärt. Sie arbeitet für das Zentrum für erneuerbare Energien und Nachhaltigkeit (ZEN) in Ensdorf, das die Idee aufgegriffen hat und solche Angebote unter dem Namen "Klima- und Repair-Café" seit Januar an jedem zweiten, dritten und vierten Samstag im Monat organisiert. Dabei wechseln die Standorte, die Repair-Cafés touren durch den Landkreis, momentan durch insgesamt acht Gemeinden. Begonnen hat diese Serie im Januar in Ensdorf.

Gefördert werden das Projekt und auch seine Leitung vom Bundesumweltministerium und von der Nationalen Klimaschutz-Initiative (NKI). Der Förderzeitraum läuft seit 1. September 2019 bis 30. September 2021. Linda Trager hofft aber, dass die Aktion auch nach Auslauf der Förderung weitergehen kann.

Die Idee hinter dem Projekt erklärt Linda Trager so: Bürger können defekte Geräte, Textilien oder andere reparaturbedürftige Dinge ins Repair-Café bringen, wo Hobby-Tüftler, die teilweise aber auch einen entsprechenden beruflichen Hintergrund haben, versuchen, die Schäden zu beheben. Die Reparateure arbeiten ehrenamtlich, die "Kunden" müssen nichts bezahlen, können aber, wenn sie die Idee unterstützen wollen, eine Spende geben. Während die Tüftler arbeiten, können die "Kunden" bei einer Tasse Kaffee und Kuchen im Repair-Café warten.

Insgesamt machen derzeit rund 30 Tüftler mit, weitere Reparateure sind aber immer willkommen. Sie können sich bei Linda Trager im ZEN in Ensdorf melden. Die meisten Tüftler kommen aus dem Bereich Elektrik, viele sind aber auf mehreren Gebieten tätig, zum Beispiel in EDV oder Mechanik. "Unsere Reparateure haben total viel Spaß daran", weiß Linda Trager aus den bisher vier Einsatz-Tagen, "sie tüfteln gern, sind auch total engagiert und wollen zum Beispiel auch immer wissen, was die anderen repariert haben". Und sie helfen auch bei der Ersatzteil-Suche.

"Von den Besuchern hab' ich auch viel positives Feedback bekommen", berichtet Trager, "das liegt vielleicht auch daran, dass die Reparaturen erfolgreich waren." Die Projektleiterin wertet die einzelnen Termine auch für die Statistik aus. Ihr bisheriges Fazit: "Über die Hälfte der Reparaturen war erfolgreich." In vielen der anderen Fällen hat ein Ersatzteil gefehlt, weshalb sie (noch) nicht abgeschlossen werden konnten.

Trager gibt zu, dass sie schon überrascht war, wie groß das Interesse war – insbesondere bei den Ehrenamtlichen, die ihre Dienste kostenlos anbieten. "Ich habe nicht mir einer so großen Zahl an Reparateuren gerechnet." Ähnlich sei das bei den Helfern, die vor Ort mit anpacken, etwa im Café-Bereich. Umso größer sei die Freude, dass das Projekt so gut angenommen werde.

Repair-Cafés im Landkreis Amberg-Sulzbach:

Termine

Die Klima- und Repair-Cafés finden immer am zweiten, dritten und vierten Samstag im Monat statt, von 13 bis 16 Uhr nach dem Turnus Ensdorf, Vilseck, Neukirchen/Etzelwang, Freudenberg, Kastl, Auerbach, Hirschau und Kümmersbruck. Bis 15.30 Uhr ist die Annahme defekter Gegenstände gewährleistet (Details: https://www.zen-ensdorf.de/reparatur-cafe.html). Folgende Termine sind derzeit geplant:

Ensdorf (Werkraum im Bildungshaus des Kloster Ensdorfs)

28. März, 20. Juni,12. September; Fahrradreparatur, Näh- /Schneiderarbeiten, Elektrik, Elektronik, Holz- /Schreinerarbeiten, Funktechnik, EDV-IT

Vilseck (Jugendzentrum)

11. April, 27. Juni,19. September; Fahrradreparatur, Näh- arbeiten, Elektrik, Elektronik, Schreinerarbeiten, Funktechnik, EDV-IT

Neukirchen/Etzelwang (Katakomben der Katholischen Kirche)

18. April, 11. Juli, 26. September; Fahrradreparatur, Elektrik, Elektronik, Schreinerarbeiten, Funktechnik, EDV-IT

Freudenberg (Schulwerkstatt)

25. April, 18. Juli, 10. Oktober

Kastl (Steinstadel)

15. Februar, 9. Mai, 25. Juli, 17. Oktober

Auerbach (Schnupperwerkstatt im alten Hotel Goldner Löwe)

22. Februar, 16. Mai, 8. August, 24. Oktober

Hirschau (Josefshaus)

14. März (Rathaus), 23. Mai,15. August,14. November

Kümmersbruck (Bürgerhaus)

21. März, 13. Juni, 22. August,21. November.

Ensdorf12.01.2020
 
 

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