Geschützdonner ist Alltag auf dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr. In den nächsten Wochen könnte dieser auch von der Ausbildung ukrainischer Soldaten herrühren. Die Soldaten aus dem osteuropäischen Land sollen in der Oberpfalz an der gezogenen Haubitze M777 ausgebildet werden. Die USA liefern der Ukraine 90 Stück des Artilleriegeschützes mit dem Kaliber 155 Millimeter sowie 144.000 Artilleriegranaten und die notwendigen Zugfahrzeuge. Allerdings müssen die ukrainischen Soldaten erst mit der Haubitze aus britischer Produktion vertraut gemacht werden.
Nach Angaben von Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Führung Streitkräfte im Bundesministerium der Verteidigung, will die US-Armee die Ukrainer in Grafenwöhr ausbilden. Von Seiten der US-Armee gab es dazu keine Bestätigung. "Wir werden zwar keine Einzelheiten zu laufenden Schulungsbemühungen bekannt geben, aber die Vereinigten Staaten werden weiterhin verfügbare Instrumente nutzen, um die Ukraine angesichts der russischen Aggression zu unterstützen", teilte ein Sprecher des Oberkommandos der US-Streitkräfte in Europa auf Anfrage mit. Zugleich betonte der Sprecher des Hauptquartiers in Stuttgart: "Wir werden weiterhin mit Verbündeten und Partnern zusammenarbeiten, um zusätzliche Fähigkeiten zu identifizieren und der Ukraine bereitzustellen, die es ihr ermöglichen, Russlands erneuten Angriff auf eine souveräne Nation zu besiegen."
Vorbild für Ausbildung an der Artillerieschule der Bundeswehr
Wie der Journalist und Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, Thomas Wiegold, auf seinem Blog "Augen geradeaus!" schreibt, hatte Rohrschneider am Freitag im Gespräch mit Journalisten in Berlin berichtet, dass das Training der Ukrainer an der Haubitze aus britischer Produktion durch die US-Armee auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr geplant sei. Laut Audiomitschnitt des Gesprächs führte der Generalleutnant die Ausbildung der Ukrainer in Grafenwöhr sogar als Vorbild für die Ausbildung der Ukrainer an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz an. Dort sollen diese aber an der Panzerhaubitze 2000 ausgebildet werden, die die Niederländer der Ukraine zur Verfügung stellen wollen.
Offen ist, wie viele ukrainische Soldaten tatsächlich nach Grafenwöhr zur Ausbildung kommen würden. Die Angaben zur Größe der Bedienermannschaft der Haubitze M777 schwanken zwischen sieben und zehn Soldaten. Bei 90 Geschützen, die die ukrainische Armee erhalten soll, müssten zwischen 630 und 900 Soldaten ausgebildet werden – außer das Konzept der US-Armee sieht vor, dass in der Oberpfalz nur einige wenige Ukrainer geschult werden, die dann zu Hause ihre Kameraden selbst ausbilden.
Nach Angaben von Pentagon-Sprecher John F. Kirby stellen die USA genügend Geschütze zur Verfügung, um fünf Bataillone der Ukraine auszurüsten, die diese dann im Donbass im Osten des Landes zur Abwehr russischer Truppen einsetzen könnte. Insgesamt haben die USA der Ukraine seit Beginn des Krieges Ausrüstung, Hilfsgüter und Waffen im Wert von mehr als 3,7 Milliarden US-Dollar zugesagt oder bereits geliefert. Nach Angaben des amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III. unterstützen inzwischen mehr als 30 Länder die ukrainischen Streitkräfte mit Ausrüstung und Waffen.
Seit 2017 zu Übungen in der Oberpfalz
Auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr üben seit Jahren zwei in der Oberpfalz stationierte US-Verbände, die selbst die Haubitze M777 verwenden: die Artilleristen des 2.US-Kavallerieregimenst aus Vilseck (Landkreis Amberg-Sulzbach) und das Artilleriebataillon der 173. US-Luftlandebrigade, das in Grafenwöhr (Landkreis Neustadt/WN) stationiert ist.
Es wäre auch nicht das erste Mal, dass ukrainische Soldaten in die Oberpfalz kommen. Im Jahr 2017 hatte ein ukrainisches Panzerbataillon mit seinen Panzern russischer Bauart vom Typ "T-64" zum ersten Mal an der "Strong Europe Tank Challenge" auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr teilgenommen. Seither waren ukrainische Verbände regelmäßig bei multinationalen Übungen auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels, zuletzt im Dezember 2021. Über Jahre hinweg haben auch ukrainische Soldaten regelmäßig Kurse an der Unteroffiziersakademie der US-Armee in Grafenwöhr besucht.
Die seit Jahren laufende Ausbildungs- und Beratungsmission der US-Armee auf einem Truppenübungsplatz in der Nähe von Lwiw (Lemberg) im Westen der Ukraine, gut 1200 Kilometer vom Donbass entfernt, ist dem 7. US-Armee Trainingskommando in Grafenwöhr (Kreis Neustadt/WN) unterstellt. Anfang Februar wurde diese Mission unterbrochen. Die rund 160 Soldaten der Nationalgarde von Florida, die dafür abgestellt waren, fanden in Grafenwöhr Unterschlupf, nachdem sie aus der Ukraine abgezogen worden waren.
Was es mit den Bildern von Marder-Schützenpanzern in Grafenwöhr auf sich hat
- Schützenpanzer Marder: die ersten Fahrzeuge wurden 1971 an die Bundeswehr ausgeliefert
- Bewaffnung: 20 Millimeter Bordkanone
- Besatzung: Fahrer, Richtschütze und Kommandant sowie sechs Soldaten im Heckraum
- Das Bild: 21. Februar 2017 wurden die Marder des Panzergrenadierbataillons 122 aus Oberviechtach in Grafenwöhr für deren sechsmonatigen Litaueneinsatz verladen
- Die Debatte: seit Wochen wird über das Für-und-Wider einer Lieferung von Marder an die Ukraine diskutiert - und zur Illustration nehmen viele Medien das Archivbild aus Grafenwöhr mit den Zeichen der 122er
- Der Nachfolger: das Panzergrenadierbataillon 122 nutzt seit vier Jahren den Nachfolger des Marder, den neuen Schützenpanzer Puma
- Truppenübungsplatz Grafenwöhr:auf die Schießbahnen im 25 Kilometer langen und etwa 14 Kilometer breiten Gebiet können Truppen mit allen Waffen schießen - von der Pistole bis zur Raketenartillerien
- Nutzer: Vor allem US-Armee, Bundeswehr sowie Truppen der Nato, zuletzt etwa Briten und Dänen

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