Roslyn Espiritu hat jetzt immer 20 Euro dabei. "Mindestens", sagt sie und muss lachen. Diese Lektion hat die Gefreite der US-Armee inzwischen gelernt. Seit zwei Jahren lebt sie in Grafenwöhr (Landkreis Neustadt/WN) und hat bisher einfach zu viele schlechte Erfahrungen beim Bezahlen gemacht. Sie berichtet von Souvenirs, die sie nicht mit Karte bezahlen konnte oder einem "eigentlich großen und gut besuchten Restaurant" in dem ohne Cash aber mal gar nichts ging. "Es ist hier schon sehr anders. In den USA kann man immer mit Karte zahlen", sagt sie.
In der Oberpfalz regiert aber noch König Bargeld. Gewusst hatte das Roslyn Espiritu damals nicht, als sie nach Grafenwöhr kam. Und das, obwohl ihr Arbeitgeber alles tut, um unschöne Überraschungen zu vermeiden. Denn jedes Mal, wenn Soldaten und ihre Angehörigen neu in Deutschland stationiert werden, veröffentlicht das US-Militär "nützliche Informationen" über die kulturellen Unterschiede. Eine Liste von "Dingen, die Amerikaner in Deutschland überraschen könnten". So heißt es in der Liste: "In Deutschland werden Kreditkarten nicht überall akzeptiert". Manche Geschäfte würden immerhin noch ausgewählte Karten erlauben, manche nur ab einem bestimmten Geldbetrag. Andere Geschäfte könnten sogar überhaupt keine akzeptieren. Um sicher zu sein, so der Tipp, sollte man immer ein paar Euro im Geldbeutel haben.
"Keine finnischen Verhältnisse"
Doch wie steht es bei uns wirklich um das Verhältnis der Barzahlung zu den bargeldlosen Alternativen? Günter Hölzl schätzt, dass im Oberpfälzer Einzelhandel immer noch gut zu zwei Dritteln bar bezahlt wird. Er ist der Bezirksgeschäftsführer in der Oberpfalz des Handelsverbands Bayern. "Das ist eine erstaunliche hohe Zahl", ordnet er ein. Vor allem älteren Menschen sei es oft noch peinlich, Kleinbeträge mit Karte zu zahlen. "Bei den Jüngeren ist das anders, die halten einfach das Handy hin." Der Trend gehe zwar auch in der Oberpfalz immer mehr hin zum bargeldlosen Bezahlen. "Es wird hier bei uns aber sicher keine finnischen Verhältnisse geben", sagt Hölzl. In den skandinavischen Ländern sind Kreditkarten und die EC-Karten als Zahlungsmittel nämlich bekannterweise schon deutlich besser in den Alltag der Menschen integriert als in vielen Teilen Deutschlands. "Bargeld ist auf keinen Fall aus der Zeit gefallen", betont der Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbands.
Und auch die bayernweiten Zahlen bestätigen diese Angaben. Im bayerischen Einzelhandel werden aktuell rund 130 000 Karten-Bezahlterminals genutzt. Davon sind laut Handelsverband Bayern circa 74 000 kontaktlos und circa 10 bis 15 Prozent aller kontaktlos möglichen Zahlungen werden auch so bezahlt. In Bayern gibt es aber circa 60 000 Einzelhandelsbetriebe – darunter fallen unter anderem Supermärkte, Bekleidungsgeschäfte, Elektronikfachmärkte, Möbelhäuser, Baumärkte oder Drogerien. Wenn man also davon ausgeht, dass schon alleine auf einen Supermarkt mehrere Bezahlterminals fallen, muss man feststellen: Das Bargeld spielt bei vielen Einzelhändlern immer noch eine große Rolle.
Und wie ist die Situation bei den Oberpfälzer Handwerkerinnen und Handwerkern? "Leider liegen uns zu diesem Thema keine genauen Daten aus unserem Kammerngebiet vor. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass in Deutschland nach wie vor sehr viel mit Bargeld gezahlt wird. Vor allem kleinere Betriebe im Lebensmittelhandwerk bevorzugen oft Bargeld, da die Transaktions- und Handlingsgebühren der Dienstleister für bargeldloses Bezahlen oft den Ertrag am verkauften Produkt übersteigen", sagt Klaus Jocham, Abteilungsleiter Betriebsberatung bei der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz.
Die Wahlfreiheit des Zahlens
Für Bayerns Finanzminister ist der Fall sowieso klar. Laut Albert Füracker, der gebürtig aus der Oberpfalz stammt, müsse Bargeld unbedingt erhalten bleiben. Es sei einfach, sicher und schnell. Die Bürgerinnen und Bürger müssten die Wahlfreiheit haben, wie sie bezahlen möchten. Einschränkungen der Bargeldnutzung sei ein Eingriff in diese Wahlfreiheit und daher entschieden abzulehnen. "Bargeld ist geprägte Freiheit – es schützt die Privatsphäre und ist unabhängig von technischer Infrastruktur. Wie anfällig Kartenzahlungen für technische Störungen sein können, haben wir erst vor wenigen Wochen erlebt, als in vielen Geschäften die Zahlungsterminals tagelang ausfielen: Ohne Bargeld ging dort gar nichts mehr", erklärt Füracker. Im Mai und Juni diesen Jahres mussten zahlreiche Kundinnen und Kunden in Deutschland wieder unfreiwillig auf die Bargeldzahlung zurückgreifen. Aufgrund eines Software-Fehlers konnten viele Karten-Bezahlterminals eines bestimmten Anbieters nicht benutzt werden.
Doch die Studie "Zahlungsverhalten in Deutschland 2021" von der Deutschen Bundesbank zeigt: Die meisten Menschen zahlen sowieso immer noch freiwillig bevorzugt bar. "Bargeld ist nach wie vor das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel in Deutschland: 58 Prozent aller alltäglichen Zahlungen werden bar getätigt", heißt es in den Ergebnissen. Durchschnittlich hätten die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland 100 Euro im Portemonnaie sowie weitaus höhere Beträge als Reserve zu Hause.
US-Amerikanerin Roslyn Espiritu lagert ihre Münzen übrigens im Auto und an anderen alternativen Orten – in ihrem Portemonnaie auf jeden Fall nicht. "Ich habe in meinem Geldbeutel gar keine Extra-Tasche für Kleingeld", sagt sie. In den USA würden diese "Coin Slots" oft fehlen. Hauptsache die Karten finden genügend Platz.
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