Sie sind zwar nicht die Letzten ihres Standes, aber sie sind Träger eines ganz besonderen Ehrenamtes, das es in dieser Form vor allem noch in der Oberpfalz gibt: Die Christbaumversteigerer von Hahnbach. Vor einigen Tagen haben sie wieder einen super Job erledigt: einen mit mehr als 200 Gästen besetzten Saal bei Laune gehalten, Hunderte Brotzeiten, Torten, Spirituosen, Fresskörbe, Gutscheine, Deko-Artikel und Werkzeuge unter die Leute gebracht und einem Dorfverein ein richtig dickes finanzielles Polster verschafft. Christian Seifert (35), Markus Rauch (33) und Tobias Christau (34) können stolz auf diese Leistung sein.
Hochnehmen, nicht beleidigen
"Da bist du danach ganz schön platt", sagt Christian Seifert. "So ein Abend auf der Bühne ist ziemlich anstrengend." Die Versteigerung in Hahnbach hat sich von 19 bis fast 1 Uhr hingezogen - 6 Stunden lang immer einen flotten Spruch auf der Lippe haben, hochschnellende Hände blitzschnell erfassen und am laufenden Band Entscheidungen treffen. Für schüchterne Zeitgenossen ist das sicher nichts, aber das muss die drei Hahnbacher nicht bekümmern. Sie haben als ehemalige Theaterspieler des Burschenvereins reichlich Bühnenerfahrung. "Und die braucht man", sagt Markus Rauch. "Da muss man sich spontan auch mal was trauen, ein bisschen frech sein und den einen oder anderen hochnehmen." Aber nie so, dass jemand beleidigt sein könnte. Eine hohe Kunst, die wohl nur jemand beherrscht, der im Dorf jeden kennt.
Das Trio vom Burschenverein ist vor sechs bzw. fünf Jahren in die Fußstapfen von Josef Iberer und Josef Rauch getreten. Die beiden Altvorderen hatten den Job gut ein Vierteljahrhundert erledigt und gemeint, es seien Jüngere an der Reihe. Heuer versteigerten die drei wie die Weltmeister, weswegen rund 24.000 Euro auf das Konto der Hahnbacher Feuerwehr eingezahlt werden können. Die Feuerwehr war in diesem Jahr Ausrichter der Christbaumversteigerung und darf den Erlös für ihre gemeinnützige Aufgaben verwenden. In diesen Genuss kann jeder Verein aus dem Dorf kommen, wenn absehbar ist, dass größere Ausgaben oder ein Jubiläumsfest bevorstehen. Bei der Feuerwehr waren das heuer der Kauf eines neuen Logistik-Fahrzeugs und die Renovierung einiger Räume im Feuerwehrhaus. Trotzdem war noch Luft, auch andere mitkommen zu lassen. Pro 1000 Euro Versteigerungssumme gibt der Verein freiwillig 100 Euro an das Projekt Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes ab.
20 Euro für die Bauernseufzer
Wie meistens bei den Christbaumversteigerungen geht es mit der typischen Brotzeit los: Bauernseufzer und Spitzl werden angeboten. "Heuer gingen sie etwas günstiger weg als sonst", erzählt Tobias Christau. 15 bis 20 Euro boten die Hahnbacher im Schnitt, wobei stets klar ist, dass beim Zuschlag nicht der reelle Wert zählt, sondern die Spende für die Allgemeinheit. Insgesamt hatten die Helfer etwa 250 solcher deftiger Wurstmahlzeiten bereitgelegt. Was versteigert wird und wie viel davon, das hängt immer vom Sammeleifer des ausrichtenden Vereins ab. Dessen Helfer gehen in der Zeit zwischen den Jahren von Haus zu Haus, um die Gaben zu sammeln, mit denen die Auktionatoren dann auf der Bühne stehen. Bauernseufzer mit Spitzel dürfen allerdings nie fehlen. Sie sind das Manna aller, die eine Christbaumversteigerung besuchen.
So wie die flotten Sprüche das A und O eines solchen Abends sind. "Wenn mal ein Highlight unter den Hammer kommt, dann kann es schon mal ein bisschen Tumult im Publikum geben", sagt Markus Rauch. Mit Tumult meint er eine zünftige Gaudi, ein Wettbieten zum Beispiel. Heuer hat der "Platzer Done" für Lacher gesorgt, als er den Versteigerern kurz vor Schluss zugerufen hat, wo denn der "Stierhakler" (Kräuterlikör, 56 % Vol) geblieben sei, den er beigesteuert hat. Die drei hatten den Schnaps hinter der Bühne vergessen, jetzt aber bekam das edle Getränk besondere Aufmerksamkeit und brachte 100 Euro und einen Sonderapplaus ein.
Tränen um einen Plüsch-Elch
Trinkfest müssen sie Versteigerer selber sein. In Hahnbach ist es Brauch, dass ihnen von Zeit zu Zeit eine Runde Schnaps ausgegeben wird. Die Bedienung bringt dann ein Tablett mit den Gläsern und einem Zettel, auf dem der Name des Spenders steht. Vor dem Austrinken ist ein Trinkspruch fällig, darauf wartet der ganze Saal. Und von der Frequenz dieser flüssigen Zuwendungen schließen die Matadore auf der Bühne immer auch auf ihre Performance. "Wenn wir binnen kürzester Zeit drei Schnapsrunden bekommen, könnte es daran liegen, dass wir noch nicht richtig in Fahrt gekommen sind", erklärt Rauch. Die Stamperln helfen dann ein bisschen. Obwohl heuer keine Langeweile aufkam, erreichten mehr als 20 Tabletts die Bühne. Vielleicht war es auch umgekehrt.
Gerne erinnern sich die drei an die Geschichte vom Plüsch-Elch von vor ein paar Jahren. Damals stand das Stofftier zur Versteigerung und der Burschenverein bot lebhaft mit, so dass die Summe schließlich so hoch war, dass die Mama ausstieg, die es für ihre Tochter ergattern wollte. "Wir haben das gar nicht mitbekommen, aber die Kleine hat furchtbar geweint", erzählt Christian Seifert. Die Verantwortlichen des Burschenvereins sind dann auf die Bühne gegangen und haben den Elch an das Mädchen überreicht. Da war gleich nochmal Weihnachten im Saal und die Tradition der Christbaumversteigerung um eine Anekdote reicher.
Eine Win-Win-Situation
Hahnbach gehört zu den wenigen Orten, in denen der Erlös am Ende öffentlich bekanntgegeben wird. In vielen Dörfern behalten die begünstigten Vereine das Ergebnis lieber für sich. "Bei uns war das schon immer transparent", blickt Tobias Christau zurück. "Und ich kann mich zumindest in jüngster Zeit an kein Jahr erinnern, in dem der Betrag unter 20.000 Euro lag." Christbaumversteigerungen sind Benefiz-Veranstaltungen, das zeigt sich spätestens in der letzten Runde, wenn die ganzen kleinen und großen Mitbringsel verhökert sind. Dann nämlich kommt der Christbaum selbst zur Versteigerung. Es gibt quasi keine Ware mehr, sondern nur noch Applaus und die Anerkennung der kompletten Dorfgemeinschaft. "Das ist die Runde für die Firmen, die Honoratioren und die Gönner." Einzelspenden von 300 Euro sind da keine Seltenheit. Dabei gilt ein ungeschriebenes Gesetz: Der Name des Spenders muss für alle klar und deutlich vernehmbar sein.
"In Hahnbach geht das. Da halten die Leute noch zusammen", freuen sich die drei Ex-Burschen. Auch nach zwei Pandemie-Jahren war der Saal des Gasthauses Ritter voll und danach die Kasse der Feuerwehr auch. Über das Engagement und die Motivation des begünstigten Vereins kommt das Geld wieder an die Gemeinschaft zurück.
Christbaumversteigerung
- Brauch in der Oberpfalz, der immer in der Zeit zwischen dem Zweiten Weihnachtsfeiertag und Lichtmess zelebriert wird.
- Ausrichter ist in den meisten Fällen ein Verein. In manchen Dörfern rotiert die Organisation Jahr für Jahr unter den Vereinen.
- Versteigert werden Sachen, die Gönner des ausrichtenden Vereins zur Verfügung stellen. Möglich ist alles, von der Weinflasche bis zum Klavier, vom Torten-Gutschein bis zum Moped.
- Der Erlös kommt dem ausrichtenden Verein für seine satzungsgemäßen Aufgaben zugute.
- Die Teilnahme und das Spenden ist Ehrensache. Deswegen gibt es immer am Schluss der Versteigerung eine Runde für Großspenden - zur symbolischen Versteigerung des Christbaumgipfels.
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