Zusammen mit dem Bildungswerk Oberpfalz hatte Pfarrer Roland Kurz in die evangelische Kirche in Hirschau zu einem Vortrag über Verschwörungstheorien eingeladen. „Denken Sie nur an den Terroranschlag auf das World Trade Center“, erinnerte er die Besucher. "Wenn Dinge passieren, die man nicht einordnen oder verstehen kann, suchen die Menschen automatisch nach einer Antwort und einem Sinn. Und irgendein Sinn ist immer noch besser als keine Sinndeutung. Daher sind Verschwörungstheorien eine sinnlose Sinngebung", sagte Kurz.
Der Pfarrer verwies dazu auf ein Zitat von Umberto Eco: „Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht etwa an nichts mehr, sondern an alles.“ Er brachte dafür zahlreiche Beispiele vor, etwa die Mondlandung. Es gebe immer noch Menschen, die bestritten, dass es sie gegeben habe, und die glaubten, alles sei inszeniert gewesen. Dabei habe Russland damals alles getan, um beweisen zu können, dass die feindlichen Amerikaner nicht auf dem Mond gelandet seien. Dass ihnen dies bis heute nicht gelungen sei, wertete Kurz als deutlichen Beleg dafür, dass die Mondlandung wirklich stattgefunden habe.
"Letztlich gehen alle Verschwörungstheorien davon aus, dass sich eine andere Wahrheit hinter den offensichtlichen Dingen verbirgt und eine wie auch immer definierte Elite im Hintergrund die Fäden zieht", sagte der Referent. Oft seien diese Ansichten auch gepaart mit Antisemitismus. „Sie stehen immer an der roten Ampel? Oder an der längsten Supermarktkasse? Dann ist das entweder nicht ihr Tag, oder sie sagen: Da steckt System dahinter. Da zieht jemand die Fäden und inszeniert das alles, um ihnen eines auszuwischen“, erklärte der Geistliche. Schnell entstünden dann Verschwörungstheorien, die den Anhängern Positives zugestünden, die entlasteten und bestärkten. "Aus Verschwörersicht haben andere die Fäden in der Hand, die tragen für alles die Schuld. Selber ist man der Klügere, weil man eine Erkenntnis hat, die anderen verborgen ist. Das Weltbild dahinter erscheint oft genau festgelegt und kennt für alles einen einzigen Verursacher", stellte der Referent fest.
Schwarz-weiß-Denken wertete Kurz als weiteres Indiz: Es gebe nur die Schubladen gut und böse. Aus Verschwörersicht existierten oft nur zwei weitere Gruppen, denen die Mitmenschen zuzuordnen seien: "Diejenigen, die die Wahrheit noch nicht erkannt haben, weil sie noch nicht genug nachgedacht haben. Die können noch überzeugen werden und werden neutral wahrgenommen. Die anderen, die der eigenen Theorie nicht anhängen, sieht man als Gegner an. Das kann schnell gefährlich werden. Das sahen wir nicht zuletzt am Sturm des Kapitols vor gut einem Jahr", so der Pfarrer.
Aus dem Kreis der Zuhörer kam die Frage: "Wie gehe ich damit um?" Gerade, wenn so etwas im eigenen Familien- oder Freundeskreis auftrete. In einem Anfangsstadium könne man noch diskutieren und Fragen stellen, die das Gegenüber zum Nachdenken brächten, entgegnete Kurz: „Woher hast du das? Was sind deine Quellen?“ Irgendwann sei dies aber nicht mehr möglich. Wer dagegen argumentiere, werde als Feind wahrgenommen. Daher scheine es eher sinnvoll, das Thema auszugrenzen. "Menschen, die uns am Herzen liegen, sollten wir klar zu verstehen geben: Über dieses Thema rede ich nicht mit dir. Aber als Mensch schätze ich dich und möchte den Kontakt halten.“ Das könne anstrengend und auch frustrierend sein.
"Aus Verschwörersicht haben andere die Fäden in der Hand, die tragen für alles die Schuld. Selber ist man der Klügere, weil man eine Erkenntnis hat, die anderen verborgen ist. Das Weltbild dahinter erscheint oft genau festgelegt und kennt für alles einen einzigen Verursacher."
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