Alte Postkarten belegen, so Stadtheimatpfleger Sepp Strobl, dass schon vor über 100 Jahren Störche auf dem Dachfirst des Hirschauer Schlosses wohnten. Schloss-Hotel-Besitzer Clemens Dorfner wiederum erinnert sich, dass zuletzt Anfang der 1970er Jahre Störche auf dem Schlossdach genistet haben.
Bei der Renovierung des Schlosses 1987 musste der alte, seit Jahren verwaiste Horst entfernt werden. Die Ortsgruppe des Landesbundes für Vogelschutz mit seinem Vorsitzenden Hans Drexler ergriff 1988 mit Einverständnis der Familie Dorfner die Initiative, auf dem First des neu eingedeckten, mit 27 Metern höchsten Gebäudes des Schlosses wieder ein Storchennest anzubringen. Schon vor der Eindeckung hatte man dafür die Verankerung angebracht. Michael und Gottfried Bäumler fertigten ein neues Nest aus Stahl und aus Eichenbalken, der Rand wurde mit einem Weidengeflecht begrenzt. Zahlreiche Schaulustige verfolgten Anfang April 1988 die Arbeit, als Feuerwehrkommandant Konrad Meyer und Feuerwehrmann Jochen Scholz an der Drehleiter mit Gottfried Bäumler den neuen Horst in luftige Höhe brachten und kunstgerecht "an der alten Stelle" in die Halterung einsetzten.
Bis heute verwaist
Trotz dieser damaligen Mühen blieb das Nest bis heute verwaist. Es schaute zwar immer wieder einmal ein Storch oder eine Störchin vorbei. Zum Bleiben konnte sich bislang keiner der Zugvögel entscheiden. Stadtrat Rudi Wild war es, der vor gut einem Monat, nämlich am Mittwoch, 5. April, in der Sitzung des Stadtrats die Wiederansiedlung des Storches auf dem Schlossdach anregte. Bürgermeister Hermann Falk meinte, dass "die Stadt einem Bürger nicht einfach aufs Dach steigen kann". Stadträtin Johanna Erras-Dorfner zeigte sich überzeugt, dass Gespräche mit dem Eigentümer erfolgreich sein könnten. Dem war so. Clemens Dorfner willigte ein. In einer Sitzung des Bauausschusses konnten Details geklärt werden. Bürgermeister Hermann Falk zögerte nicht lange, sondern gab grünes Licht für den Einsatz der Feuerwehr-Drehleiter sowie den von Bauhofleiter Roland Siegler und stellv. Wasserwerkleiter Bernhard Meyer, einem aktiven Feuerwehrmann. Sie machten sich ans Werk und holten das alte Nestgestell vom Dach.
Wieder im Einsatz
Bauhofmitarbeiter brachten es auf Vordermann, säuberten es und brachten ein frisches Weidengeflecht an. Am Freitag, 28. April, schwangen sich Roland Siegler und Bernhard Meyer per Drehleiter mit dem neuen Nest in luftige Höhen und befestigten den Horst. Auf den Dachziegeln in der Umgebung des Nestes brachten sie weiße Kalkfarbenspritzer an.
Sie erinnern optisch an Storchenkot und sorgen dafür, dass der Adebar, eine Bezeichnung für den Storch in alten Märchen, die Nisthilfe besser annimmt.
Dem Storch wird dbei vorgegaukelt, Artgenossen hätten das Nest bereits zur Jungenaufzucht genutzt. Nun bleibt zu hoffen, dass die Mühen sich tatsächlich lohnen.
Schon damals ein Wahrzeichen
Fest steht, dass die Hirschauer vor 100 Jahren größten Wert auf die Anwesenheit eines Storches auf dem Schlossdachfirst legten. Das belegt ein Zeitungsbericht vom 6. Mai 1927. Dort stand: "Wie schon bekannt, wurde das am alten Schloßgebäude dahier befindliche Storchennest durch einen Sturm zerstört. Dieses wurde aber am 13. April wieder aufgebaut." Damals kam der Storch tatsächlich zurück.
Warum sich der Storch in den vergangenen 50 Jahren in Hirschau nicht mehr niedergelassen hat, lässt sich nicht detailliert erklären. Aber in Hirschau und seiner Umgebung sind während dieser Zeit Feuchtgebiete entwässert, Wiesengräben beseitigt und Flächen durch Bebauung versiegelt worden und somit Nahrungsbiotope für den Storch verschwunden. Wahr ist allerdings: Die Zahl der Geburten hat seit dem Ausbleiben des Adebars und seiner Gemahlin deutlich abgenommen.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.