04.09.2020 - 00:03 Uhr

Hohe Hürden in den Köpfen

Mehr Mädchen in MINT-Berufen und mehr Jungs im "Sorge"-Bereich - ist das wirklich so schwer?

Dorothea Seitz-Dobler Bild: td
Dorothea Seitz-Dobler

Da könnte sie sprichwörtlich alles werden: Fachinformatikerin für Systemintegration, Anlagenmechanikerin oder vielleicht auch Metzgerin. Und was will die junge Frau werden? Kauffrau für Büromanagement. Und der junge Mann natürlich Kfz-Mechatroniker. So etwas frustriert Dorothea Seitz-Dobler. Seit Jahren kämpft sie als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt im Bereich der Agentur für Arbeit Schwandorf darum, Vorurteile abzubauen. Den typischen Frauenberuf und den typischen Männerberuf sollte es eigentlich nicht mehr geben - das wäre ihr Ziel.

Seit mittlerweile 15 Jahren gibt die Beauftragten für Chancengleichheit (davor heißen sie Frauenbeauftragte - aber das war dann doch eine etwas zu einseitige Angelegenheit). Zum einen klären sie Arbeitgeber auf, wie familienfreundliche Personalpolitik in ihrem Unternehmen aussehen könnte. Außerdem arbeiten sie daran, Berufsrückkehrern (männlichen ebenso wie vor allem noch immer weiblichen) den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern (dafür gibt es spezielle Beraterinnen in Amberg, Schwandorf und Cham sowie verschiedenste Vorträge, Workshops etc.).

Und dann ist da vor allem natürlich der große Tätigkeitsschwerpunkt "Klischeefreie Berufsorientierung". Das hier noch immer jede Menge zu tun ist, kann Dorothea Seitz-Dobler leicht anhand einiger Zahlen verdeutlichen: "Über 50% der Mädchen wählen zwischen 10 Berufen. Dabei gäbe es rund 350 duale Berufsausbildungen - und nochmal etwa 350 schulische Ausbildungen." Und auch bei den Jungs ist es nicht wirklich besser: "Da sind es so um die 20 Berufe aus rund 700 Möglichkeiten."

Wenn angehende Schulabgänger/innen sich immer und immer wieder nur für Berufe entscheiden, die Mama schon gemacht hat, die die beste Freundin oder der Kumpel auch toll finden und bei denen vielleicht der Ausbildungsbetrieb ganz praktisch nur ein paar Straßen entfernt ist... Dann wird jede Menge Potenzial verschenkt. Weil die Mädchen und Jungs entweder nicht genug über ihre verschiedenen Möglichkeiten aufgeklärt sind - oder weil sie sich einen "ungewöhnlichen" Beruf vielleicht auch nicht unbedingt zutrauen. Aber das muss nicht sein. Die sogenannten "Role Models", die Dorothea Seitz-Dobler immer auf Veranstaltungen oder zu Messen mitbringt, zeigen es: Sie haben einen nicht alltäglichen, nicht typisch männlichen oder weiblichen Beruf - und das ist cool so.

Dennoch: Die Hürden allerdings sind noch immer hoch - vor allem in den Köpfen. Wenngleich sich zumindest im Hochschul-Bereich und bei manchen dualen Ausbildungsberufen inzwischen die Zahl der Mädchen und jungen Frauen in bisherigen Männer-Domänen langsam erhöht. Patentingenieurinnen sind da beispielsweise nicht unbedingt mehr totale Exotinnen - ebenso wie etwa technische Produktdesignerinnen. "

Mehr Mädchen in MINT-Berufen und mehr Jungs im sogenannten "Sorge"-Bereich. Das wäre schon toll. Was aber, wenn SIE nun wirklich unbedingt einen kaufmännischen Beruf erlernen und ER Indistriemechaniker werden möchte? "Klar können junge Leute alles werden - aber sie sollten sich wenigstens anschauen, wie viele Möglichkeiten sie haben", sagt Dorothea Seitz-Dobler.

Eine gute Gelegenheit, einmal einen ersten Eindruck zu bekommen, Vorurteile und Ängste abzubauen, ist da der Girls Day/Boys Day. Alljährlich im März können Schülerinnen und Schüler einen Tag lang in verschiedene "untypische" Berufsfelder blicken. Also - warum nicht Technikerin oder Kindergärtner? "Für einen ersten Eindruck reicht das durchaus", sagt Dorothea Seitz-Dobler. "Und wenn man dann tatsächlich auch einen nachhaltigeren Einblick bekommen will, ist in der Folge ein Orientierungspraktikum sehr empfehlenswert."

Die ideale Ausbildung finden:

Tipps für die Suche

Rund 700 Möglichkeiten, einen Beruf zu erlernen. Aber für welche soll ich mich entscheiden? Dorothea Seitz-Dobler von der Agentur für Arbeit Schwandorf hat da einige Tipps:

  • Sprecht viel über das Thema, und zwar mit den unterschiedlichsten Leuten. Was hast du für einen Beruf? Was tust du da? Welche Voraussetzungen musstest du mitbringen? Wie gefällt es dir? Da hat jeder Gesprächspartner eine Menge zu erzählen.
  • Nutze Berufswahl-Tools im Internet. Die sind super und liefern oft überraschende Ergebnisse, mit denen du vielleicht gar nicht gerechnet hättest.
  • Entscheide dich auf keinen Fall für einen Beruf, nur weil deine Familie das gerne möchte, dein Freunde das toll finden oder Du nicht weit zum Ausbildungsbetrieb fahren magst.
  • Besuche Berufswahlmessen und nimmt dir Zeit, Dich an den verschiedenen Ständen mit den Leuten zu unterhalten. Mache Praktika - und zwar nicht nur in der Richtung, die dich eh schon interessiert. Rede dabei mit den Azubis im Betrieb.
  • Denke auch an die Entwicklungsmöglichkeiten in den verschiedenen Berufsfeldern. Sind die tatsächlich auch zukunftsfähig?
 
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