Es ist Dienstagnachmittag, die Sonne steht tief über dem grünen Rasen, die Temperaturen sind recht mild. Nach und nach spucken die Eltern-Autos immer mehr Buben aus. Kaum sind die Jungs in die Fußballschuhe geschlüpft, wuselt es gewaltig auf dem Fußballplatz des SV Köfering. Es fliegen Bälle durch die Luft. Spartenleiter Christopher Ernst schallt aus allen Ecken ein fröhliches "Hallo" entgegen. "Ben, heute steht Konditionstraining an", ruft er einem lachend zu. Quatsch. Hier geht es nicht um Leistung, sondern um Spaß am Fußball.
Jugendarbeit, die Dritte
Es ist der dritte Anlauf beim SV Köfering, eine komplette Jugendabteilung zu etablieren. Nachwuchsarbeit gab es zur Vereinsgründung 1963, dann schlief sie ein. Vor rund 30 Jahren der zweite Versuch, 2017 der nächste. Seit August kooperiert der SV Köfering in der E-, F- und G-Jugend mit der Spielgemeinschaft TSV Theuern/Haselmühl. "Das funktioniert erstaunlich gut", zieht Spartenleiter Ernst ein Zwischenfazit. Alle gemeinsam stehen sie dienstags auf dem Rasen. Theuern bringt zwei Trainer mit, genau wie Köfering und Haselmühl. An vier Ecken des Fußballplatzes trainieren die Kinder ihrem Alter entsprechend an diesem Nachmittag.
Viele Eltern nehmen es in Kauf, dass sie ihre Kinder nun erst einmal nach Köfering bringen müssen. "Es trifft sich gut, dass auch einige Geschwisterkinder zusammen trainieren." Mit den Eltern gab es bisher keine Schwierigkeiten, auch Veranstaltungen wolle man nun gemeinsam auf die Beine stellen. Vereinsübergreifend sozusagen.
Spielgemeinschaft als Lösung?
Für viele Mitglieder und Dorf-Patrioten ist das per se ein Unding: sich mit einem Verein aus der Nachbarschaft zusammentun. Oft bleibt den Verantwortlichen aber nichts anderes übrig, um den Verein nicht sterben zu lassen. 167 Spielgemeinschaften gibt es im Kreis Amberg/Weiden bei 374 Mannschaften im Spielbetrieb. "Das klingt erst einmal viel", erklärt der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Fußballverbands (BFV), Thomas Graml. Man müsse aber sehen, dass hier in den Orten selten elf Kinder in einem Jahr zur Welt kommen, die dann auch noch Fußball spielen. "Da müssen sich die Dorfvereine Gedanken machen, wie sie den Betrieb sichern und überleben können." Dabei sei die Lage in der nördlichen Oberpfalz noch recht gut, sagt Graml. "In allen Altersklassen können wir Mannschaften durchgängig besetzen. Wobei seit Jahren die Mannschafts- und Spielerzahlen rückläufig sind." In Oberfranken und Niederbayern seien die Einbrüche dramatisch. "Da muss man überlegen, ob man etwa die B-Jugend auflöst."
Eltern und Kindern etwas bieten
Annette Weigl, Schriftführerin beim SV Köfering, sagt, dass der insgesamt dritte Aufbau der Jugend ein sehr mühsamer sei. "Es wird immer schwieriger, Ehrenamtliche für Betreueraufgaben oder als Trainer zu finden." Die Eltern würden nicht mehr um die Ecke arbeiten. "Viele kommen erst gegen 19 Uhr nach Hause. Da kann man kein Fußballtraining mehr leiten." Der Verein habe damit sehr stark zu kämpfen.
Graml berichtet indes von Aufnahmestopps bei Mitgliedern in Regensburg: 72 Prozent der Vereine dort gaben bei einer Umfrage an, dass sie mehr Kinder aufnehmen würden, wenn sie Betreuer und/oder Trainer finden würden. Bei 15 Prozent fehlen Fußballplätze. "In Großstädten ist es nach unseren Informationen ein noch größeres Problem." In München etwa solle sich nun ein Fußballkoordinator, der bei der Stadt angesiedelt ist, um die Unterstützung von Vereinen kümmern. "Er berät und wirbt Ehrenamtliche an." Natürlich sei das in gewisser Weise die Abkehr vom Ehrenamt, gibt Graml zu bedenken.
Gleichzeitig empfiehlt der Verbandsexperte, dass sich Vereine überlegen sollten, ob sie jemanden im FSJ (Freiwilliges soziales Jahr) engagieren. "Vor allem um sich um die Nachwuchswerbung zu kümmern. Wir geben den Vereinen stets den Rat: Geht in Kindergärten." Das könnten nach Gramls Aussage FSJler etwa in Ganztagesschulen . Weigl aus Köfering sagt, dass man den Kindern und Eltern als Verein eben auch etwas bieten müsse. 2015 lag die Jugendarbeit in Köfering am Boden. Es sei ein schleichender Prozess gewesen. Die Kinder waren unter anderem nicht mit der Betreuung zufrieden. "So schnell schaut man gar nicht: Einer wechselt den Verein und zieht die Freunde mit." Auch stehe man heute in heftiger Konkurrenz mit anderen Sportarten wie Eishockey und Basketball - oder Musikunterricht. "Fußball hat nicht mehr das Monopol in der Freizeit."
Trikots für Schnupperkinder
Auch der kleine SV Köfering musste sich überlegen, wie er Kinder lockt und anwirbt. Zum Standardprogramm gehören Angebote wie ein Kinderfasching und das Ferienprogramm, aber eben auch eine besondere Anzeige, die im Sommer in der Amberger Zeitung abgedruckt war: Fünf- bis Zehnjährige, die zum Fußball-Schnuppertraining kommen, erhalten ein Trikot des Vereins.
Vier Kinder hat der SVK mit diesen Maßnahmen als Mitglieder gewonnen. Dafür habe der kleine Verein einen kleinen Etat geschaffen, erklärt Weigl. Neben Aktionen wie diesen müssen Vereine - unabhängig von der Mitglieder- oder Aktivenzahl - auch die Infrastruktur in Schuss halten. Etwa in welchem Zustand ist das Vereinsheim? "2018 haben wir für viel Geld den Rasen vom Fußballplatz renoviert. Die Drainage und Sprinkler mussten erneuert werden." Das seien existenzielle Frage im Verein, die jeder aber machen müsse. "Ob sich auf Dauer daher alle vier Sportvereine in der Gemeinde Kümmersbruck halten können, ist die Frage", sagt Weigl. Vielleicht reiche eine Spielgemeinschaft irgendwann nicht mehr aus. Dann fusionieren vielleicht zwei Vereine, kann sich die Funktionärin vorstellen.
Lebendiges Dorfleben
Auch Graml ist davon überzeugt, dass es in Zukunft als Konsequenz jetziger Entwicklungen in der Jugend auch bei den Erwachsenen mehr Spielgemeinschaften im Fußball geben wird. "Wenn die Aktiven in der Jugend jetzt nicht reichen, woher sollten sie dann später kommen?" Er glaubt nicht, dass sich das auf das Dorfleben gravierend auswirkt. "Natürlich findet nicht mehr alle 14 Tage ein Heimspiel statt, denn jeder Platz muss mal bespielt werden." Das lebendige Dorfleben würde aber nicht von Spielern, sondern Menschen in Positionen gestaltet werden. "Gäbe es keine Spielgemeinschaften, würde gar kein Fußball im Dorf stattfinden."
Natürlich müsse für Spielgemeinschaften und Fusionen in Zukunft mit Skeptikern ein "dickes Brett" gebohrt werden, prophezeit Graml. Und nennt auch gleich Beispiele. "Braucht Amberg wirklich acht Fußballvereine?" In Hirschau hätten sich hingegen TuS und Weiße Erde vor Jahren schon zusammengetan: "Jeder hatte ein bisschen mitgespielt. Nach der Fusion haben sie einen Sportpark hingestellt - und siehe da: Es funktioniert."
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