Kümmersbruck
14.10.2022 - 14:17 Uhr

Damit Demenz nicht zu Isolation führt

Wenn das Gedächtnis nachlässt, ziehen sich von Demenz Betroffene oft aus dem sozialen Leben zurück. Hier setzen Angebote des Seniorenmosaiks im Naturpark Hirschwald an.

Experten sprechen von „Teilhabe“. Klingt etwas sperrig, beschreibt aber eigentlich Selbstverständliches – das in der Realität freilich oft gar nicht selbstverständlich ist. Es geht schlichtweg darum, dabei sein zu können: Beim Sport, bei kulturellen oder sonstigen Aktivitäten des gesellschaftlichen Lebens. Auch im fortgeschrittenen Alter. Auch mit Gedächtnisproblemen, mit Demenz oder wenn man einen Angehörigen pflegt.

Das Seniorenmosaik im Naturpark Hirschwald schafft dazu neue Angebote im Raum Amberg-Sulzbach, unter dem Oberbegriff „Heimat.Kultur.Leben.“. Das Ziel: Die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihrer Angehörigen zu verbessern. Denn wenn das Gedächtnis nachlässt oder die Pflege eines Angehörigen für wenig anderes Zeit lässt, ziehen sich Betroffene oft aus dem sozialen Leben zurück.

Hier setzt das Seniorenmosaik mit seiner Projektleiterin Barbara Hernes an – als Teil des Modellprojekts „Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz“ des Bundesministeriums für Familien, Senioren Frauen und Jugend. Das Konzept des Seniorenmosaiks hat vor rund eineinhalb Jahren eine Förderung von 30 000 Euro für einen Zeitraum von drei Jahren bekommen.

Jetzt, zur „Halbzeit“, geben Barbara Hernes, Naturpark-Vorsitzender Markus Dollacker und die gerontopsychiatrische Fachkraft Jennifer Nelhiebel Einblicke in die Aktivitäten. Und auch in das vielleicht größte Manko: Obwohl es gerade durch den Zusammenschluss der Naturpark-Gemeinden und ihr Seniorenmosaik inzwischen viele Angebote gibt, scheuen sich viele Betroffene, diese auch anzunehmen.

Schnell wird in der Gesprächsrunde im Kümmersbrucker Rathaus, wo das Seniorenmosaik sein Büro hat, deutlich, dass Demenz immer noch ein Tabuthema ist: Menschen, deren Gedächtnis nachlässt, wollen oder können sich dies oft selbst nicht eingestehen oder scheuen sich, offen damit umzugehen. Die Folge ist nach den Worten der beiden Expertinnen oft, dass sich Betroffene zurückziehen. Ähnlich gehe es Menschen, die einen Angehörigen pflegen und deshalb keine Zeit für sich und eigene Aktivitäten finden. Dabei sei gerade das für Pflegende wichtig, um sich nicht zu überlasten. Nicht zuletzt versuchen Hernes und Nelhiebel, auch Nicht-Betroffene für die Folgen von Demenz zu sensibilisieren und Verständnis für diese Erkrankung zu wecken. Zu all diesen Ansatzpunkten gab und gibt es spezielle Angebote im Seniorenmosaik:

Geführte Spaziergänge

Jennifer Nelhiebel begleitet Menschen mit Gedächtnisproblemen, wie sie bei Demenz vorkommen können, und Angehörige bei geführten Spaziergängen, zum Beispiel zum Thema Kräuter und Ackerbau. Ziel sei es, beim Gehen durch Fragen und Gespräche das Langzeitgedächtnis anzusprechen und dabei Erinnerungen zu wecken. Nächster Termin ist ein „märchenhafter Spaziergang“ am Samstag, 22. Oktober, 10 Uhr, am Eggenberg in Ensdorf (1 bis 1,5 Stunden); Teilnahme kostenlos, Anmeldung erforderlich (aktiv[at]seniorenmosaik[dot]de oder 0170/5 886 351).

Bewegung für Geist und Herz

In Zusammenarbeit mit dem Malteser-Hilfsdienst und der Fachstelle für pflegende Angehörige in der Stadt Amberg bietet das Seniorenmosaik den kostenlosen Kurs „Bewegung für Geist und Herz“ an: Leichte Übungen zur Stärkung der Muskulatur, spielerische Koordinationsübungen zur Steigerung der geistigen Fitness (Wortfindung/Gedächtnis) und Schulung des Gleichgewichtes, sowie Dehnübungen (Erhalt der Beweglichkeit), geeignet für Menschen mit leichten Gedächtnisproblemen, wie sie auch bei Demenz vorkommen können. Neuer Kurs im November im Gemeindehaus Kümmersbruck, Schillerstraße 3; Info: Jennifer Nelhiebel (aktiv[at]seniorenmosaik[dot]de) und Birgit Hübner, Fachstelle für pflegende Angehörige Stadt Amberg/Malteser Hilfsdienst (09621/493 350, birgit.huebner[at]malteser[dot]org).

Kulturbegleitung

Besuche in einem Heimatmuseum, einer Ausstellung oder einem Theater können das Wohlbefinden und damit auch die Lebensqualität steigern, betont das Seniorenmosaik: „Ein Ausstellungsstück kann der Schlüssel zur emotionalen Welt von Menschen mit Demenz sein.“ Dazu organisiert das Seniorenmosaik eine Fortbildung für Museumsmitarbeiter, Mitarbeiter von Senioren-Einrichtungen und andere Interessierte. Diese lernen Grundlagen des Krankheitsbildes Demenz kennen, aber auch, wie man mit Betroffenen kommuniziert und wertschätzend mit ihnen umgeht.

Die Schulung läuft bereits, demnächst sollen konkrete Ergebnisse vorliegen, die neue Angebote im kulturellen Bereich ermöglichen sollen.

Gesprächskreis für pflegende Angehörige

Der Gesprächskreis für pflegende Angehörige ist eine Art Selbsthilfegruppe, die jeden ersten Montag im Monat ab 18.30 Uhr in Rieden/Tagespflege Caritas, Taubenbacher Straße 4) Gelegenheit zu einer Atempause und dem Austausch mit Gleichgesinnten, Infos, Tipps und Unterstützung bietet. Nächster Termin: 7. November. Teilnahme kostenlos, Anmeldung/Info: Caritas-Sozialstation Ensdorf (09624/922 210, info[at]sozialstation-ensdorf[dot]de) oder Seniorenmosaik im Naturpark Hirschwald (09621/70843, infor[at]seniorenmosaik[dot]de).

Schulen

Einblicke in die Welt Demenzkranker bekamen Sechstklässler der Mittelschule Ensdorf in zwei speziell dafür konzipierten Unterrichtsstunden. „Die Kinder haben sehr viel gefragt, es hat sie sehr interessiert“, berichtet Jennifer Nelhiebel. Anfang Oktober brachte das Seniorenmosaik einen „Demenz-Parcours“ an die Schule: Hier konnten Schüler der 6. bis 9. Klasse an 13 Stationen anhand von Alltagssituationen selbst erleben, wie es sich „anfühlt“, wenn man Demenz hat. Zum Beispiel, wenn man seine Hände nicht direkt, sondern nur über einen Spiegel sehen kann, während man mit Messer und Gabel hantiert.

Geplant ist die Gründung eines Arbeitskreises Sozialarbeit. Ensdorfer Neuntklässler, die dies möchten, sollen dann alle zwei Wochen alte Menschen im Seniorenheim besuchen, um mit ihnen zu spielen oder andere Aktivitäten zu pflegen. Ein Weg, um Berührungängste abzubauen.

 
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