Michelfeld bei Auerbach
13.12.2020 - 15:42 Uhr

Erinnerungen an eine Kindheit in den 1930er- und 40er-Jahren

Ernährung und Erziehung haben sich im Lauf der Jahrzehnte stark gewandelt. Unsere Mitarbeiterin Else Buchfelder (93) hat Erfahrungen aus ihrer Kindheit aufgeschrieben.

Aus ihrem Fundus an Bildern früherer Zeiten hat Else Buchfelder diese Aufnahme von der Heuernte herausgesucht. Bild: eb
Aus ihrem Fundus an Bildern früherer Zeiten hat Else Buchfelder diese Aufnahme von der Heuernte herausgesucht.

Wir hatten Eltern, die auf Zucht und Ordnung viel Wert legten. So wurde uns beizeiten beigebracht, die älteren Menschen freundlich zu grüßen und sie in jeder Hinsicht zu respektieren. So wurde auch erwartet, dass wir gerne bereit waren, zu helfen. Vater und Mutter waren dafür unsere Vorbilder. Da wir auf der Sägmühle groß wurden, fällt mir als kleine Hilfe ein, dass wir bei der Beförderung der Mehlsäcke mit Schubkarren oder kleinen Handwägelchen anpackten.

Gerne wurde in meiner Kinderzeit auch das Schüren von Ängsten als Erziehungsmittel eingesetzt. Da gab es zum Beispiel eine „Dammas-Zusel“; eine Frau, die den Bauch aufschlitzte, die Gedärme herausnahm, den Leib mit Stroh wieder auffüllte und zunähte. Auch Knecht Ruprecht, der Begleiter von Nikolaus, musste herhalten, um die „bösen“ Kinder zu bändigen. Ihnen wurde angedroht, dass Knecht Ruprecht sie in einen Sack stecken würde.

Am Schlimmsten für mich aber war die Panikmache mit Polizisten. Als Kind verbrachte ich viel Zeit in Nürnberg bei Verwandten, die mir bei jeder Unfolgsamkeit mit dem Schutzmann drohten. Aus der Wohnung im vierten Stock konnte ich eine Polizeistation und die Männer mit der Pickelhaube gut beobachten und dabei auch sehen, wie so mancher Delinquent abgeführt wurde.

Nachdem wir dann nach Michelfeld umgezogen waren, wohnte in der nächsten Nachbarschaft auch ein Polizist. Eines Tages kam er in den Hof unserer Vermieterin, und als ich ihn erspähte, versteckte ich mich in der „Streuschupfen“. Meine Eltern suchten mich über längere Zeit vergeblich. Der Polizist hieß Kraus und mit dem Hausnamen „Weber“. Er hatte zwei Kinder: die Irmgard und den „Weber Peppi“, den späteren Bamberger Domkapitular Dr. Josef Kraus.

Einen abwechslungsreichen Speiseplan für sieben Tage in der Woche kannten wir nicht. Oft gab es drei Tage lang das Gleiche: Brotsuppe oder Gemüsesuppe oder Eintopf. Täglich Fleisch oder Wurst zu essen, war nur ein Traum. Einkaufen ging während des Zweiten Weltkriegs und danach bis 1950 nur mit Lebensmittelkarten vonstatten. Da herrschte ein Gedränge in den Läden, und nach ein bis zwei Tagen war alles ausverkauft. Das Einzige, was dann noch übrig blieb, war Mais. Aus diesem wurde dann ein Auflauf zubereitet, mit dem wir uns dann oft drei Tage lang begnügen mussten.

Mutter arbeitete zusätzlich auf zwei Bauernhöfen in der Nachbarschaft. Wenn dort geschlachtet oder gebacken wurde, dann konnte sie auch immer für uns etwas mitbringen. Wir hatten zwei bis drei Ziegen im Stall, die ich auf gemeindeeigenem Grund hüten musste, außerdem wurde während eines Jahres ein Schwein gefüttert. Die Schlachtung war dann ein besonderer Tag in unserem Leben. Das Fleisch wurde in einem hohen Kamin geräuchert, und das Wenden des Schinkens war Aufgabe unserer Mutter.

Wenn Mutters Tagwerk vollendet war, nahm sie das Strickzeug in die Hand und hörte zu, wie Vater uns Lieder zu singen lehrte oder er auf seinen Instrumenten wie Geige, Gitarre und Mundharmonika uns etwas vorspielte. Als ich zehn Jahre alt wurde, schenkte er mir eine Zither aus der Instrumentenfabrik Klingenthal in Sachsen. Metzgermeister Josef Gierl wurde mein Zitherlehrer. Viel Freude hatte mein Vater auch am Theater spielen. Er trat mit seinen Musikfreunden in den umliegenden Wirtschaften auf, um mit kurzen Sketchen oder Musikeinlagen die Menschen zu unterhalten. Vater gehörte zur Zunft der Schreiner, und so kann ich mich gut an das Hobellied erinnern: „Da streiten sich die Leut herum, wohl um den Wert des Glücks, der eine heißt den andern dumm, am End' weiß keiner nichts. Da ist der allerärmste Mann dem andern viel zu reich, das Schicksal setzt den Hobel an und hobelt alle gleich.“

Michelfeld bei Auerbach07.05.2019
Karl Lord und Barbara Gmehling bei der Arbeit auf dem Feld. Bild: eb
Karl Lord und Barbara Gmehling bei der Arbeit auf dem Feld.
Auf dem Wagen wird das Heu eingebracht. Bild: eb
Auf dem Wagen wird das Heu eingebracht.
 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.