Das Gefälle eines kürzlich neu gepflasterten Gehweg-Abschnitts vor dem sanierten Gebäude der Metzgerei Grillmeier am Unteren Markt rückte am Montag im Stadtrat in den Blickpunkt. Beim Punkt "Wünsche und Anregungen" ergriff zunächst Bürgermeister Stefan Grillmeier selbst das Wort und verwies auf eine Reihe von Terminen im Dezember. So werde sich der Bauausschuss erneut mit dem Wunsch nach einem Behindertenparkplatz am Unteren Markt befassen - und auch mit dem Pflaster bei der Metzgerei. Weitere Details nannte er nicht.
Behindertenbeauftragter Wolfgang Karbstein (Wählergemeinschaft Zukunft Stadt Mitterteich) griff Letzteres jedoch auf und breitete die Thematik aus. Dies geschehe seiner Aussage nach auf ausdrücklichen Wunsch seiner Amtskollegin Doris Scharnagl-Lindinger, die selbst nicht anwesend war.
Knapp 6 statt 2,5 Prozent
Karbstein informierte, dass er mit Doris Scharnagl-Lindinger auf deren Anregung hin den Gehweg-Abschnitt bei der Metzgerei begutachtet habe. Dabei gewesen sei auch die weitere Behindertenbeauftragte Hildegard Betzl. Das Pflaster vor dem Gebäude weise eine Schrägneigung von knapp 6 Prozent auf, obwohl laut einer DIN-Norm zur Barrierefreiheit maximal 2,5 Prozent zulässig seien. Doris Scharnagl-Lindinger habe deshalb sogar Kontakt mit der Bayerischen Architektenkammer aufgenommen. Positiv bewertete Karbstein aber, dass der Bürgermeister bereits eine erneute Prüfung zugesagt habe.
"Wir wollen nicht, dass wir dafür von der Bevölkerung verantwortlich gemacht werden."
Laut Karbstein habe Scharnagl-Lindinger dieses Thema auch deshalb öffentlich machen wollen, weil Anregungen der Behindertenbeauftragten unter dem früheren Bürgermeister nicht immer so wie vorgeschlagen umgesetzt worden seien. "In der Folge sind sie und Hildegard Betzl dann unter Beschuss geraten." Karbstein erklärte, dass die beiden Frauen und auch er die Schräglage des Gehwegs ablehnten. "Wir wollen nicht, dass wir von der Bevölkerung verantwortlich gemacht werden." Geärgert habe sich das Trio laut Karbstein zudem über eine Aussage des städtischen Bauamtsleiters Thomas Grillmeier, wonach es sich bei der besagten DIN-Norm lediglich um eine Empfehlung handele.
So verträglich wie möglich
Bürgermeister Stefan Grillmeier betonte, dass Mitterteich eine inklusive Stadt sei. "Aber man kann nicht überall jede Vorgabe umsetzen." In bestimmten Bereichen müsse man schauen, wie sich ein Problem so verträglich wie möglich lösen lasse. Auch in anderen Städten mit historischer Bausubstanz werde dies so gehandhabt. Speziell im Zusammenhang mit der Pflasterung des neuen Gehwegs sei wohl im Vorfeld das eine oder andere untergegangen. Aber nun werde man das Ganze im Bauausschuss und bei einem Ortstermin noch einmal thematisieren, versicherte Grillmeier.
Gänzlich anders als Karbstein beurteilte Grillmeier das Handeln der Stadt beim Thema Barrierefreiheit in den vergangenen Jahren: "Wir haben immer versucht, ein gutes Miteinander zu pflegen."
Auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien teilte Bürgermeister Stefan Grillmeier am Mittwoch noch mit, dass beim barrierefreien Bauen Leit- und Richtlinien existierten, an die man sich wann immer möglich halten sollte. Doch es gebe für die Kommune keine Verpflichtung zur Umsetzung der besagten Norm.
Keine Pflicht zur Umsetzung
Die Aussagen des Bürgermeisters und seines Bauamtsleiters bestätigte am Mittwochnachmittag Markus Donhauser, freier Berater bei der Beratungsstelle Barrierefreiheit der Bayerischen Architektenkammer in München. Auf Anfrage von Oberpfalz-Medien teilte er mit, dass es sich bei der betreffenden DIN-Norm 18040-3 anders als bei zwei anderen Normen zum barrierefreien Bauen nicht um eine sogenannte technische Baubestimmung handele. Und daher sei die Umsetzung auch nicht rechtlich bindend. Seiner Ansicht nach werde dies wohl auch nie der Fall sein. "Denn im öffentlichen Raum kann ich nicht so bauen wie etwa bei einer neuen Schule", so Donhauser. Wichtig sei es aber, vor Ort Abwägungen vorzunehmen und Kompromisse zu finden. Dazu gehöre auch, die Behindertenbeauftragten möglichst frühzeitig einzubinden, wenn eine Baumaßnahme ansteht.
Brief der Behindertenbeauftragten an den Bürgermeister
Wegen der Schrägneigung des Gehweg-Abschnitts am Unteren Markt hatte Behindertenbeauftragte Doris Scharnagl-Lindinger vor der Stadtratssitzung einen Brief an Bürgermeister Stefan Grillmeier verfasst. Der Brief selbst war in der Sitzung am Montag kein Thema, allerdings liegt er der Redaktion von Oberpfalz-Medien vor.
- Doris Scharnagl-Lindinger meldet darin auch im Namen ihrer Amtskollegen Hildegard Betzl und Wolfgang Karbstein "größte Bedenken gegen die Bauausführung des Gehweges" an. Die Norm DIN 18040-3 sehe für einen Gehweg ein Quergefälle von maximal 2,5 Prozent vor, erreicht würden fast 6 Prozent. Dies entspreche der Steigung einer Eingangsrampe.
- Scharnagl-Lindinger betont, dass gegen die Empfehlung der Behindertenbeauftragten gearbeitet worden sei. Diese seien vor Beginn des Bauvorhabens nicht informiert worden. Erst als der Weg schon fast fertig gewesen sei, habe der Hauseigentümer um Rat gefragt.
- Die drei Behindertenbeauftragten könnten nicht nachvollziehen, dass Unfälle billigend in Kauf genommen würden. "Wir sehen hier ein großes Gefahrenpotential für Fußgänger im Winter und eine Gefährdung unserer Menschen mit Behinderung, da ein sicheres Fahren mit dem Rollator sowie mit Rollstuhl nicht möglich ist." Das Trio übernehme keinerlei Haftung bei möglichen Folgen.
- Die Verfasserin verweist noch darauf, dass Mitterteich eine Inklusionsstadt sowie Modellkommune für Barrierefreiheit sei, welche Zuschüsse für die Gestaltung des Marktplatzes erhalten habe. Dieser Verpflichtung müsse man nachkommen. Man stehe wegen der Sache auch in Kontakt mit der Bayerischen Architektenkammer.
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