Läuft alles nach Plan trifft der 41-Jährige, der im März seinen 42. Geburtstag jenseits der Ärmelkanals feiert, um das Faschingswochenende herum in Matlock ein. Die Kleinstadt liegt in der Mitte Englands, in der Grafschaft Derbyshire. Das Austrittsdatum Großbritanniens aus der EU ist bislang der 29. März. Dass der Wirtschaftsförderer des Landkreises Amber-Sulzbach gerade jetzt seinen Lebensmittelpunkt dorthin verlegt, hat absolut gar nichts mit dem Brexit zu tun. Das ist absoluter Zufall, beunruhigt ihn aber auch noch nicht sehr.
Weil Herrle vielleicht nach dem 29. März nicht mehr EU-Bürger, sondern Ausländer ist, rechnet er mit einigen bürokratischen Hürden. Er denkt an Aufenthaltsgenehmigungen, Arbeitserlaubnis etc. Da er seit etwa einem drei Viertel Jahr englische Zeitungen liest, um sprachlich fitter zu werden, ist er im Bild, wie die Engländer so ticken, welche augenfälligen Probleme ein unkontrollierter Brexit mit sich bringt. Zum Beispiel werden Versorgungsengpässe befürchtet, einhergehend mit Plünderungen, weshalb Sicherheitseinheiten in Alarmbereitschaft versetzt würden.
"Die Gefahr eines ungeregelten Brexits ist so hoch wie nie. Wenn's Chaos ausbricht, bin ich live dabei", sagt er schmunzelnd. Doch komplett sorglos oder blauäugig ist er nicht. Was ihm gehörig gegen den Strich geht, ist beispielsweise, dass Reiche am Brexit verdienen, weil sie auf einen Pfundverfall wetten. Was ihn generell beunruhigt ist, "dass der Brexit eine rechtsnationale Strömung ist". Und diese Strömungen seien in der EU weit verbreitet. Er erwähnt ganz dabei, das Programm der AfD für die Europawahl.
"Ich bin ein Oberpfälzer durch und durch und bin aber auch ein überzeugter Europäer." Herrle weiß aus seiner fast 16-jährigen Zeit am Landratsamt als Wirtschaftsförderer: "Wir brauchen Migration." Was seine persönliche Zukunft betrifft, da lehnt er sich ganz entspannt auf der Sitzbank in einem Nabburger Café zurück. "Einerseits bin ich ein bisschen wehmütig, aber es ist nicht so, dass ich mich nicht freue." Als Familienmensch freut er sich auf Frau und Sohn. Seine Frau Elisabeth arbeitet bereits als Finanzchefin in einem Vaillant-Werk in Belper, etwa 20 Minuten Fahrzeit von Matlock entfernt. In Belper geht bereits Sohn Markus zur Schule. "Seit Dreikönig bin ich von meiner Familie getrennt", bedauert der 41-Jährige.
Ohne Rückflugticket
Für Harald Herrle steht es außer Frage seiner beruflich erfolgreichen Frau über den Ärmelkanal zu folgen "Wenn ein Mann so ein Jobangebot bekommt, ist es selbstverständlich, dass die Frau mitgeht. In der heutigen Zeit sollte es auch selbstverständlich sein, dass der Mann mitgeht." Frauen eine gut Ausbildung zuteil werden und sie dann nicht oder unterqualifiziert arbeiten zu lassen, bezeichnet der Kaufmann als Verschwendung von Volksvermögen. Deshalb hat er beim Landratsamt Amberg-Sulzbach gekündigt. Am 25. Februar ist sein letztet Arbeitstag, dann wird er in der Wohnung in Schmidgaden noch den Hausstand auflösen und danach einen Flug ohne Rückfahrkarte antreten.
"Die Arbeit aufzugeben, war einfacher als Arbeitskollegen, Freunde und Kontakte zurückzulassen." Als Feuerwehrler ist er ein geselliger und Vereinsmensch. Aber er sei die kommenden Jahre nicht aus der Welt in dem typischen englischen Reihenhaus aus Backstein und mit kleinem Garten. Landschaftlich gefällt es ihm dort. Die nächstgrößeren Städte sind Manchester und Nottingham. Matlock liegt an der südöstlichen Grenze des Peak-District-Nationalparks. Dort kann man wandern, Rad fahren und angeln. Nur Hausmann möchte Herrle in England nicht sein, wobei er nicht den Druck hat, sofort arbeiten zu müssen. Er kann sich eine Tätigkeit im Tourismus vorstellen. Und die Feuerwehr in Matlock übt immer dienstags ab 19 Uhr.
Ich bin ein Oberpfälzer durch und durch und bin aber auch ein überzeugter Europäer.
Wenn ein Mann so ein Jobangebot bekommt, ist es selbstverständlich, dass die Frau mitgeht. In der heutigen Zeit sollte es auch selbstverständlich sein, dass der Mann mitgeht.
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