Nach dem Volksbegehren „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern – Rettet die Bienen“ hat der Freistaat Bayern etliche Förderprogramme gestartet. Mit dem Streuobstpakt (Start Oktober 2021) sollen die Streuobstwiesen erhalten und bis 2035 zusätzlich eine Million Obstbäume neu gepflanzt werden. Ein Instrument dafür ist das am 7. Oktober 2022 aufgelegte Programm „Streuobst für alle“: Pro neu gepflanzten Baum gibt es 45 Euro.
„Doch mit der Anschaffung ist es nicht getan“, sagt Regionalmanager Christian Karl von der ILE „Brückenland Bayern-Böhmen“. Auf Anregung des Amtes für Ländliche Entwicklung Oberpfalz (ALE) in Tirschenreuth hat er deshalb zum Streuobst-Dialog in das Emil-Kemmer-Haus nach Oberviechtach eingeladen. Dazu fanden sich Vertreter von Fachstellen, Kommunen und Gartenbauvereinen ein. „Ideen, Bäume und die Begeisterung für das Thema sind da“, freute sich Hermann Zierer vom ALE Oberpfalz.
Gemeinsam wurde das Thema „Nachhaltige Inwertsetzung von Streuobst“ in den ILE-Kommunen (Altendorf, Eslarn, Guteneck, Niedermurach, Oberviechtach, Schönsee, Schwarzach, Stadlern, Teunz, Thanstein, Weiding und Winklarn) erörtert. Wolfgang Grosser vom Kreisgartenamt Schwandorf referierte über „Sortenerhaltungsgärten mit Stammbildnern“. Denn Supermarkt-Sorten wie „Pink Lady“ sind nicht förderfähig. Eva Spießl-Mayr von der Regierung der Oberpfalz/Sachgebiet Naturschutz und Johannes Weinberger vom Landschaftspflegeverband im Landkreis Schwandorf verglichen „Streuobst für alle“ mit Zuschüssen über die LNPR (Landschaftspflege- und Naturparkrichtlinien).
Viele Anträge
„Das Interesse ist groß“, berichtet Hermann Zierer, Ansprechpartner für das Förderprogramm „Streuobst für alle“ am ALE Oberpfalz im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. In der Oberpfalz sind per 28. März 4677 Obstbäume beantragt worden (Fördersumme 210 465 Euro). Spitzenreiter ist der Landkreis Schwandorf mit 1602 Obstbäumen, gefolgt vom Landkreis Neustadt an der Waldnaab (1548). Kommunen und Vereine können ihre Anträge digital beim ALE Oberpfalz stellen und die Bäume zur Pflanzung auch an Privatleute weitergeben. Der Kauf eines hochstämmigen Streuobstbaumes (ab 1,40 Meter Stammhöhe) wird mit bis zu 45 Euro gefördert. Für die Arbeitsleistung gibt es keinen Zuschuss. Pro Antrag müssen es mindestens zehn, maximal 100 Bäume sein. Außerdem besteht eine Zweckbindungsfrist für zwölf Jahre.
„Nur Bäume zu pflanzen ist nicht sinnvoll. Auch Vermarktung und Pflege sollten sichergestellt sein“, bekräftigt Hermann Zierer. Beim Dialog im Emil-Kemmer-Haus freute er sich über eine rege Diskussion. „Die Beteiligten sind gut aufgestellt. Wir wollen aber auch eine Wertstellung sichern, damit das Obst genutzt wird und nicht verkommt“. Er begrüßt die Überlegung, in der ILE gemeinsam in ein Nutzungskonzept einzusteigen: „Apfelsaft von ungespritztem Streuobst aus der Region ist ein tolles Lebensmittel“. Einige Gartenbauvereine würden auch bereits an eine Brennerei oder an die Herstellung von Cidre denken. „Es gibt Ideen, und den Wunsch, dass etwas für die Vermarktung und Verwertung organisiert wird“, so Hermann Zierer. Dabei sollten auch kleine Obstbauern mit nur wenigen Bäumen mitgenommen werden.
Erlös steigert Wertschätzung
Günter Gilch, Experte in Sachen Streuobst aus Schönthan, stellte beim Dialog im Emil-Kemmer-Haus fest: "Dreh- und Angelpunkt jedes Streuobstanbaus war und ist die wirtschaftliche Verwertung der Früchte. Nur wenn für den Bewirtschafter ein Erlös herausspringt, werden die Bäume wertgeschätzt und gepflegt." Hier hätte es in den letzten Jahrzehnten Defizite gegeben: "Die Erlöse, die für Streuobst zu erzielen waren, deckten nach meinen eigenen Erfahrungen mit größeren Ernten kaum die Transportkosten." Der Konkurrenz des langzeitig verfügbaren Importobstes sei der traditionelle Streuobstanbau in Deutschland nicht gewachsen gewesen, "daher verschwanden seit dem Zweiten Weltkrieg Millionen von Streuobstbäumen aus der Landschaft und mit ihnen die Artenvielfalt dieser Bewirtschaftungsform."
Die aktuell anlaufende öffentliche Förderung bezeichnete er als "eine Anschubfinanzierung zum Starten", auf lange Sicht könne nur die Ertragslage die Strukturen erhalten. Als Hindernis für eine stabile Vermarktung sprach Günter Gilch stark schwankende Ernten an: "Auf meinen eigenen Streuobstflächen ergab sich in den letzten 30 Jahren etwa jedes dritte Jahr ein Ausfall und ebenfalls jedes dritte Jahr eine starke Ernte." Nur wenige Kilometer weiter sei ein anderes Ertragsverhalten der Bäume festzustellen gewesen. Diese Schwankungen könnten durch die Zusammenarbeit in einer größeren Region abgefedert werden, wofür die ILE-Region einen passenden Rahmen bilden könnte. Als einmalige Chance zur Vernetzung von Lebensräumen wurde zudem der Freundschaftsradweg von Nabburg bis Schönsee angesprochen. Hier könnte ein lineares Band von Streuobstkulturen, die auch noch gut bewirtschaftbar wären, erreicht werden.
Erster Gedankenaustausch
"Es ging beim Streuobst-Dialog um kein Ergebnis, sondern nur um einen ersten Gedankenaustausch, was möglich sein könnte", bekräftigt ILE-Regionalmanager Christian Karl im Redaktionsgespräch. So könnte über das Regional-Budget beispielsweise eine Ausstattung für eine Verwertung finanziert werden. "Das ist aber nicht so einfach, wir brauchen erst eine Struktur dahinter", gibt Karl zu bedenken. Er will aber am Thema dranbleiben.
Der Bayerische Streuobstpakt
- Start: Im Oktober 2021 von der Staatsregierung und acht Verbänden unterzeichnet
- Ziel: Streuobstbestand erhalten und bis 2035 zusätzlich 1 Million Hochstamm-Obstbäume pflanzen
- Förderprogramme: Für Neuanlage, Ersatz und Pflege von Streuobstwiesen, aber auch für Verarbeitung und Vermarktung von Obst
- Prämie: Kulturlandschaftsprogramm (Kulap) und Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) bieten jetzt höhere Förderprämien bei der Streuobstpflege
- Komplexe Projekte: Landschaftspflege- und Naturpark-Richtlinie (LNPR) daran angepasst
- „Streuobst für Alle“: Zuschuss 45 Euro pro Obstbaum; Kommunen und Vereine können seit Oktober 2022 Antrag beim Amt für Ländliche Entwicklung stellen (nur Kaufpreis).
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