Eigene Praxis in Pressath eröffnet: Ergotherapeut erzählt, wie er als genetischer Zwilling das Leben eines Mannes rettet

Pressath
29.05.2023 - 12:23 Uhr
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Nach mehreren Jahren Leerstand führt Patrick Büttner die Tradition einer Praxis im Ortskern fort. Der Pressather verhilft Patienten wieder zu einem normalen Alltag. Mit seiner eigenen Stammzellenspende hat er einen Mann vor dem Tod bewahrt.

Mitten in Pressath hat Patrick Büttner den passenden Standort für seine Ergotherapie-Praxis gefunden. Jetzt kann er seinen Traumberuf selbstständig ausüben. "Ich wollte schon immer was machen, was mit Menschen zu tun hat", sagt der 26-Jährige, der nicht nur in den Praxisräumen anzutreffen ist. Montags und dienstags arbeitet er fürs Klinikum Weiden, ab Mittwoch ist er künftig in seiner eigenen Praxis in Pressath tätig. Die Einsatzorte als Ergotherapeut sind vielfältig. Mal ist Patrick Büttner am Tennisplatz anzutreffen, mal auf dem Rad oder beim Klettern: Was für Außenstehende nach Freizeit aussieht, ist für den gebürtigen Pressather Teil seiner Arbeit, wie er erzählt.

"Die Ergotherapie wird manchmal belächelt", meint er und fügt hinzu: "Tennisspielen, das bedeutet in diesem Fall Therapie." Ziel sei zum Beispiel, dass die verletzte Schulter wieder für den Sport genutzt werden kann, den derjenige vor der Erkrankung oder Verletzung ausgeführt hat. Schlaganfall-Patienten lernen das Radfahren nicht nur auf dem Fahrrad in der Praxis, sondern auch draußen. Patrick Büttner erklärt den Unterschied von Ergotherapie und Physiotherapie, der Laien häufig nicht bewusst sei. Grundlegend sind die beiden Richtungen ähnlich, in erster Linie wird das Symptom behoben. Doch für den Ergotherapeuten geht die Arbeit nach dem Einrenken des Gelenks beispielsweise weiter. Er fragt den Patienten: "Für was brauchst du Dein Schultergelenk? Was willst du damit machen?" Die Therapie erfolgt individuell, draußen in der Natur ebenso wie in der komplett renovierten Praxis. Diese ist für sämtliche Übungen ausgestattet. Es gibt einen Fitnessraum mit Sprossenwand und einen Motorikraum für Gleichgewichtsübungen oder einen Parcours. Vom Säugling bis zum Senior: Büttner kümmert sich um jeden Patienten, der ein Defizit hat.

Depressionen, Panikattacken, Suizidgedanken

Dieses muss nicht nur körperlicher Art sein. "Wir arbeiten viel mit der Psyche", sagt der junge Mann und kommt auf seine Tätigkeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu sprechen. Depressionen, Panikattacken, Suizidgedanken oder der Verlust eines Elternteils: Tragische Schicksalsschläge wie diese machen auch ihn persönlich betroffen, wie er zugibt. "Toll ist aber, wenn man sieht, dass man jemanden auf seinem Weg begleiten kann", sagt er. In Einzelgesprächen versucht der Ergotherapeut zu erfahren, was die Betroffenen vor dem traumatischen Ereignis gerne gemacht haben. Waren sie in einem Verein aktiv, haben sie Fußball gespielt, dann kümmert sich Büttner darum, seine Patienten wieder aktiv im Vereinsleben zu integrieren. Er selbst engagiert sich privat bei der Kinderfeuerwehr in Pressath.

Zu seinem Traumberuf kam er über Umwege. Nach dem Abitur an der Fachoberschule wollte er Elektroingenieur werden. Dann habe ihm eine befreundete Ergotherapeutin erzählt, wie sie einem Schlaganfallpatienten das Laufen beibrachte. Das hat Büttner so sehr beeindruckt, dass er sich für eine Ausbildung an den Döpfer Schulen entschied. 2019 machte er das Staatsexamen und arbeitete im Anschluss bei der Therapiepraxis Frank-Hanauer-Juretzka in Weiden, mit der er heute noch am Klinikum kooperiert. Bis zum Start seiner Selbstständigkeit folgten weitere Fortbildungen, wie etwa im Bereich der Trigger- und Schröpftherapie oder für Gleichgewichtstraining.

Anruf nach Typisierungsaktion

Dass er den Willen hat, anderen wirklich zu helfen, zeigt sein privates Engagement. Vor ein paar Jahren machte er bei einer Typisierungsaktion in einer Turnhalle mit. Anfangs wunderte er sich, dass ihn eine Nummer aus Frankfurt mehrmals kontaktierte. "Wir brauchen Sie", sagte die Stimme am Telefon. Normalerweise habe man genügend Bedenkzeit. Da aber ein anderer Spender kurzfristig abgesprungen war, musste es schnell gehen, erinnert sich Büttner. Zwei Tage später fuhr er zur Erstuntersuchung nach Frankfurt. Ohne zu zögern, unterschrieb er und gab die Zustimmung für seine Stammzellenspende, die 2017 erfolgte.

Vier Tage lang spritzte er sich zuvor in den Bauch, damit die Stammzellen sich in seinem Körper vermehren. "Dann war die Entnahme", sagt Büttner. Das läuft wie bei der Dialyse ab, beschreibt er es. "Man bekommt eine Nadel, dann läuft die Blutwäsche und filtert alle Stammzellen heraus." Im Anschluss habe ein Hubschrauber schon auf das Blut gewartet. Erst ein Jahr später habe er in einem Brief erfahren, dass der Mann dank seiner Stammzellenspende überlebt hat. Inzwischen weiß der Pressather mehr über seinen "genetischen Zwillingsbruder". Der etwa gleichaltrige Mann lebt in Russland. Kontakt über WhatsApp zu halten, sei derzeit nicht einfach. Umso mehr habe er sich über die Hochzeitsbilder gefreut, die der Mann seinem Lebensretter aus Pressath geschickt hat. Am liebsten würden sich beide persönlich kennenlernen: "Irgendwann treffen wir uns in der Mitte mit dem Hubschrauber", scherzt Büttner. Er ermuntert jeden zur Typisierung: "Wenn es darum geht, Leben zu retten, ist das ein kleiner Aufwand."

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Grafenwöhr08.05.2023
HINTERGRUND:

Ein Haus mit Geschichte

  • Nutzung: Haus in der Schulstraße 24 war früher ein Lehrerhaus, das der Stadt Pressath gehörte.
  • Nutzung: Seit 1975 Eigentum der Familie Stingl. Nutzung als Hausarztpraxis durch das Ärzte-Ehepaar Dr. Herwig Stingl und Dr. Gisela Stingl, die Eltern von Klaus Stingl.
  • Allgemeinmedizin: Praktizierende Mediziner nutzen seit jeher die Räume, darunter viele Jahre Dr. Georg Schmidt. Seine ehemalige Assistentin Dr. Olga Burger übernimmt 2018 die Praxis.
  • Umzug: Ende 2019 zieht Dr. Burger aus, um sich zusammen mit ihrem Mann Dr. Johannes Burger in Pressath in einem neu gebauten Ärztehaus zu vergrößern.
  • Einzug: Seit April 2023 Nutzung der Räume im Erdgeschoss durch Ergotherapeut Patrick Büttner
  • Fazit: Laut Vermieter Klaus Stingl ist die Ergotherapie-Praxis eine "Win-win-Situation für Patrick Büttner und die Altstadt".

Das Haus in der Schulstraße in Pressath ist seit jeher ein Traditionsstandort für Ärzte. Im Gesundheitsbereich geht es mit Ergotherapeut Patrick Büttner weiter.
 
 

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