Das Wetter meinte es fast zu gut mit den Gauklern, Tandlern und Spielleuten auf der Festwiese. „Deine nackte Haut meinen Leib zum Kochen bringt, mir das Herz erwärmt, bis zum Funken es zerspringt“: Wenn Kasha und Olga, Bronko, Lambert und der Trunkene Humpen zu Schellenkranz, Drehleier, Trommel, Flöte und Laute greifen, sollte das Publikum auf virtuosen, mitreißenden und deftigen „Klartext“ gefasst sein.
Die zitierten Verse sind 800 Jahre alt, und es waren ausgerechnet Mönche, die diese heute als „Carmina Burana“ (Benediktbeurer Gesänge) weltberühmten Hohelieder der Lebensfreude in all ihrer sinnenfrohen Anschaulichkeit für die Nachwelt bewahrten. Mit teils original-mittelalterlichen, teils von Liebes-, Schänken- und Vagantenliedern inspirierten Neukompositionen passen die „Gebrüder Schlimmm“ („mit drei m, weil wir fünf sind, aber fünf m nicht schön aussehen würden“) bestens zu den Mittelaltermärkten, die „All for you Events“ aus Röttenbach bei Erlangen seit 2013 bundesweit organisiert.
Authentizität wichtig
"Wir wollen Menschen aller Generationen unterhalten, und das mit stilvollen Angeboten, die einen möglichst authentischen Eindruck von Gepflogenheiten des Mittelalters geben", bringt Verena Grebner - alias Heroldin, Tänzerin und Märchenerzählerin "Varisha" - das Marktkonzept auf den Punkt.
Mit Ehemann John und Hündin Stine gehört die Tanzschulleiterin aus Coburg seit 2019 zum Stamm der Künstler und Händler, auf den "All for you"-Chef Manfred Schleicher für seine Historien- und Fantasymärkte bauen kann. Bei der Programmgestaltung gebe es durchaus Grenzen, betont "Varisha". So verzichte man auf zweifelhafte Inszenierungen von Hinrichtungen oder Hexenverbrennungen: "Zu unseren Künstlern gehört zwar auch ein Scharfrichter-Darsteller, der aber nur ernst über die Aufgaben der mittelalterlichen Henker spricht."
Doch warum gerade "Mittelalter" als Marktthema? In der Kultur jener Zeit finde er zeitlos-aktuelle Werte wieder, erklärt Schleicher und nennt die Naturverbundenheit, die im heutigen wachsenden Umweltbewusstsein eine Renaissance erlebe. Mit dieser Motivation kann sich Kirsten Winter identifizieren, die in ihrem Stand Räucher-Kräutermischungen, Schmuck mit esoterischen Symbolen, Pendel, Heilsteine und anderes "Hexenwerk" anbot.
"Ja, ich bin eine Hexe", "gesteht" sie mit einem Lächeln - nicht ohne sich sogleich gegen leidige Vorurteile und Zerrbilder zu verwahren: Ihr "Hexentum" knüpfe an die Tradition der "Zaunreiterinnen" an, die mit ihrem uralten naturmedizinischen Wissensschatz gleichsam die Heilpraktikerinnen des Mittelalters gewesen seien. In der männerdominierten Gesellschaft jener Zeit sei man gebildeten heilkundigen Frauen oft mit Argwohn begegnet, habe ihr Wissen als "heidnisch" verdammt und sie selbst an den Rand gedrängt, verfemt und verfolgt.
Eigentlich könne "jeder eine Hexe sein", sofern er bereit und fähig sei, "seine Fühler für die Natur und ihre Kräfte auszufahren", ist Winter überzeugt, die in Steinfels bei Mantel lebt und eine Heilpraktikerschulung absolviert hat: "Die Menschen sollen wieder Respekt vor der Natur lernen und erkennen, wie viel Heilkräftiges vor ihrer Haustür wächst." Sie selbst gebe gern Fingerzeige zur Selbsthilfe - etwa bei Kräuterwanderungen - dass oft schon Besuche an einem ruhigen Ort in der Natur kräftigend und heilsam wirkten.
Aufwendige Rüstungen
Ruhe, Kraft und Geduld sind fraglos auch unabdingbar für einen "Sarwirker" (Kettenhemdschmied) oder "Plattner" (Rüstungsschmied): Das weiß niemand besser als Raphael Schmidt aus Selb, der mit Tanja Hollmann am "Tailors of Steel"-Stand vorführte, wie man im Mittelalter "mit viel Schweiß und Kraft" Kettenhemden und Ritterrüstungen fertigte. Etwa ein Jahr Arbeit stecke in einem Kettenhemd, sofern man es traditionsgetreu in reiner Handarbeit herstelle. Für eine Ritterrüstung brauche es sogar bis zu zwei Jahre, ein Helm könne nach einem Monat fertig sein.
"Gerade bei den Kettenhemden sind viele Feinheiten der Fertigungstechnik gar nicht mehr bekannt, so dass wir selbst handwerkliche Lösungen finden mussten", verrät Schmidt. "Dabei achten wir darauf, dass diese Lösungen auch mit den technischen Ressourcen des Mittelalters hätten realisiert werden können." Quasi als "Meisterstück" zeigte Schmidt die Nachbildung einer Rüstung, die 1902 aus einem über 1400 Jahre alten Fürstengrab bei Gammertingen in Baden-Württemberg geborgen wurde.
Jonglage, Wikingerboot, Drache
Neben allem Lehrreichen kam die Unterhaltung nicht zu kurz: Beeindruckt waren die Besucher, etliche in Fantasygewänder oder historisierende Trachten gekleidet, von den Jonglagedarbietungen von "Anastasia" und "Gaukler Gregorius". Wer wollte, konnte mit "Ragnars" Wikingerboot über den Weiher fahren. Zwischendurch ließ "Ragnar" den Drachen "Dragus" über die Festwiese spazieren. Schmuck, Ritterspielrequisiten und naturwollene Kleidungsstücke, Met, luftgetrocknete spanische Salami und weitere kulinarische "Labsal" boten die Stände.
Vor allem am Samstag sorgte die Hochsommerhitze dafür, dass sich der Festplatz erst gegen Abend so richtig füllte. Dennoch waren Manfred Schleicher und sein Team zufrieden und lobten das Pressather Publikum. "Im nächsten Jahr wollen wir wiederkommen", versprach Schleicher - passend zum Fest zu "180 Jahre Stadtrecht".
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