Wahl im Schatten des Krieges

Regensburg
28.03.2019 - 19:27 Uhr

Fünf Jahre nach dem Machtwechsel steht die Ukraine vor einer richtungsweisenden Präsidentenwahl. Obwohl das Land vom Krieg im Osten gezeichnet ist, prägen andere Themen den Wahlkampf.

Zwei Frauen gehen vor einem Wahlkampfzelt mit dem Gesicht von Julia Timoschenko, ehemalige Ministerpräsidentin der Ukraine und Präsidentschaftskandidatin, vorbei.

In der Ukraine scheint bei den Präsidentenwahlen am kommenden Sonntag alles möglich - aber auch nichts. Denn in den Umfragen führt ausgerechnet ein Schauspieler. Der 41 Jahre alte Komiker und politische Quereinsteiger Wladimir Selenski liegt mit knapp 28 Prozent vorn, vor Amtsinhaber Petro Poroschenko und der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. Beide rangieren in den am Montag veröffentlichten Umfragen zwischen 16 und 17 Prozent.

Wenn am 31. März die Wahllokale schließen, könnte es durchaus sein, dass es der 53-jährige Poroschenko nicht einmal in die Stichwahl schafft. Immerhin hat der Präsident angekündigt, dass er einen Machtwechsel akzeptieren würde - was in den ehemaligen Staaten der Sowjetunion keine Selbstverständlichkeit ist.

Als Komiker hat sich Selenski im Fernsehen über Korruption, Vetternwirtschaft und Machenschaften der Elite lustig und so landesweit bekannt gemacht. Er begeistert viele junge Menschen. Andere sehen in ihm einen Populisten ohne Plan. Die 58-jährige Timoschenko versucht sich wieder einmal neu zu erfinden, aber sie zählt zur alten Elite, zu den Oligarchen, so wie Poroschenko auch. Die Ukraine ist noch immer ein Staat im Entstehen, obwohl die Maidan-Revolution inzwischen fünf Jahre zurückliegt. Das zeigt sich zum Beispiel an der hohen Zahl der Kandidaten. Von der Wahlkommission wurden 39 zugelassen - der Stimmzettel ist 80 Zentimeter lang.

"Eigentlich hat das Land keine Zeit", sagt Professor Guido Hausmann. Der Historiker ist Leiter des Arbeitsbereichs Geschichte am Leibnitz-Institut für Süd- und Osteuropaforschung (IOS) in Regensburg. Nicht nur die jungen Menschen wissen um die Probleme in Gestalt der Oligarchen. Die Jugend, die Aktivisten fühlen sich aber noch nicht so weit, schon jetzt die Elite herauszufordern. Sie wollten den Weg über die Kommunalwahlen gehen, habe ein ukrainischer Aktivist vor einigen Wochen gesagt. Sie seien erst im Jahr 2024 so weit, dass sie durchstarten können.

Im Wahlkampf bewegen die Ukrainer alltägliche Themen, wie etwa die Höhe der Löhne und Gehälter, die jetzt erst wieder den Stand von 2014 erreicht haben. Oder sie bewegen Fragen der sozialen Sicherheit oder das Kindergeld. Der Krieg im Osten, der bereits 13 000 Tote gefordert hat, ist im Wahlkampf scheinbar weit weg, wenngleich sich Amtsinhaber Poroschenko in patriotischer Pose oder in Uniform plakatieren lässt.

Das prägende Ereignis für die neue Generation der Ukraine war nicht die "Orange Revolution" im Jahr 2004, sondern die "Maidan-Revolution" im Jahr 2014. Diese und die Regierung Poroschenko hätten dazu beigetragen, dass das Land freier geworden ist. Die Zivilgesellschaft ist erwacht, sagt Hausmann, der zugleich Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas mit Schwerpunkt Russland/Sowjetunion und Ukraine an der Universität Regensburg ist.

"Das politische Klima hat sich verändert. Die Frage ist, wie tief", sagt Cindy Wittke. Sie leitet die IOS-Projektgruppe "Politiken des Völkerrechts". Nach ihrer Einschätzung eint Politik, Aktivisten und Oligarchen die Furcht vor der nächsten Revolution. Diese würde nichts Gutes bringen.

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