Als die Reichsinsignien Station in Hirschau und Schnaittenbach machten

Schnaittenbach
14.12.2022 - 12:07 Uhr
OnetzPlus

Wo im Mittelalter eine wichtige Handelsstraße verlief, war immer etwas geboten. Könige kamen da vorbei mit Ross und Reiter und manchmal sogar Elefanten - so wie im Jahr 1620 in Hirschau und Schnaittenbach.

Die Straßen des Mittelalters waren nicht asphaltiert - vielmehr zogen die Fuhrwerke der Händler, die Trosse der Könige, Ritter und Soldaten über Bergrücken und Hohlwege, suchten Furten in Bächen und Flüssen. Eine bekannte Nord-Süd-Verbindung durch die Oberpfalz ist laut Altstraßenforscher Anton Dollacker die sogenannte Magdeburger Straße, die von der Ostsee über die Oberpfalz bis nach Venedig führte. Eine West-Ost-Achse verband Paris über Luxemburg und Nürnberg mit Prag. Wie "Schlagadern des Handels" durchzogen große und kleine Straßen die Ländereien des Mittelalters. Schnaittenbach lag sogar an einer Hauptschlagader und trotzdem wurde diese Route - aus nachvollziehbarem Grund - zeitweise verboten. Sie ging als „Verbotene Straße“ in die neuere Geschichte ein.

Der Kaiser verfügte die Sperrung

Viele Einwohner Schnaittenbachs wissen wahrscheinlich gar nicht, dass sie an der „Verbotenen Straße“ wohnen. Das möchte Rainer J. Christoph mit seinem Buch "Die Verbotene Straße - von Hirschau nach Kladruby" ändern. Handelsstraßen brachten im Mittelalter Reichtum und Wohlstand, eine der bekanntesten ist hier in der Gegend wohl die "Goldene Straße" zwischen Nürnberg und Prag. Doch es gibt viele weitere, so zum Beispiel die „Verbotene Straße“. Christophs Buch ist das erste Werk zu diesem Thema. Viel Recherchearbeit investierte er, um die Geschichten und Besonderheiten all der Städte, Dörfer und Weiler zu erfahren, die an dieser Verbotenen Straße liegen.

Den Bürgermeistern von Schnaittenbach und Hirschau stellte der Autor nun sein Buch nun vor und erläuterte dabei einige Inhalte näher: Das Verbot, die Straße zu befahren, geht auf Kaiser Karl IV. zurück. Dieser erwarb um 1353 durch Hochzeit, Kauf und Tausch Ländereien (Neuböhmen mit der Hauptstadt Sulzbach), die bis vor die Tore Nürnbergs (Erlenstegen) gingen. Nun konnte er sicher in eigenen Landen von Nürnberg nach Prag reisen. Schnaittenbach und das Gebiet der Grafen von Leuchtenberg gehörten allerdings nicht zu seinem Reich. Obwohl diese Route kürzer gewesen wäre, verbot er sie, nicht zuletzt, um die Zolleinnahmen für sich zu bekommen.

Reichsinsignien unter Fellen versteckt

Die Verbotene Straße beginnt in Hirschau, führt nach Schnaittenbach, Wernberg, Leuchtenberg, Vohenstrauß, Pleystein und an den Grenzübergang Waidhaus. Von dort geht es weiter nach Rozvadov, Primda und Bor. Kurz vor Kladruby mündet die Verbotene wieder in die Goldene Straße ein. Mitten im Zentrum von Hirschau, am ehemaligen Unfallschwerpunkt „Apothekereck“, zweigt die Verbotene von der Goldenen Straße ab. Während die Goldene Straße von Nürnberg kommend geradeaus zum unteren Marktplatz in Richtung Kohlberg und Prag weiterführt, biegt die Verbotene Straße rechts ab in Richtung Schnaittenbach. Hier heißt sie heute Georg-Schiffer-Straße und geht in die Bundesstraße 14 über. Die Verbotene Straße ist etwa 100 Kilometer lang und verläuft teilweise auf der heutigen Trasse der Bundesstraße 14, auch parallel zur neuen Autobahn A6, die bezeichnender Weise auch den Titel "Via Carolina" trägt.

Später, nachdem das Verbot in Vergessenheit geraten ist, nutzten viele berühmte Persönlichkeiten diese kürzere Verbindung nach Prag. Unter ihnen waren Kaiser Karl V. (1523), Kaiser Ferdinand I. (1558), Kaiser Maximilian II. (1562) und viele Kardinäle und Bischöfe. Wertvolle Waren und sogar die Reichskleinodien wurden hier versteckt auf einem alten Wagen unter Fellen transportiert und alle zogen durch Schnaittenbach und Hirschau. Das Buch beschreibt nicht nur die Strecke, es gibt Einblick in das Leben der Menschen und ihren Glauben. Auch von Mord und Totschlag und von König Wenzels Saufgelagen ist im Buch die Rede. Fazit des Buch: Die Verbotene Straße ist gleichwertig zur Goldenen Straße“. „Auf beiden Wegen wurden Waren und Ideen befördert. Beide Wege stärkten in Zeiten des Friedens die Orte. In Zeiten von Kriegen brachen Not und Tod aus“, wie der Autor im Schlusswort schreibt.

Bürgermeister Marcus Eichenmüller war sehr angetan von dem Buch. Er regte über seinen Kulturverein einen Vortrag im Kulturstadel an. Hirschaus Rathauschef Hermann Falk freute sich bei der Präsentation besonders. Immerhin ist seine Stadt die einzige, die an beiden Straßen liegt.

Seit der Grenzöffnung 1990 ist der Autor Rainer Christoph, wohnhaft in Weiden, grenzüberschreitend tätig. Nahezu 30 Jahre als Schulleiter in Bärnau und Altenstadt/WN führte er historische Projekte mit Partnerschulen in Tschechien und als Vorsitzender des Fördervereins Goldene Straße durch. In etlichen Büchern und Buchartikeln beschäftigte er sich mit der Goldenen Straße. Das Buch gibt es bei der Buchhandlung Roth in Schnaittenbach zum Preis von 23,50 Euro. Es kann auch über per Mail-Anfrage bezogen werden: rjchristoph[at]t-online[dot]de (2,25 Euro Porto).

Hintergrund:

Reisende auf der Verbotenen und Goldenen Straße

  • 1124 Bischof Otto von Bamberg, Missionsreise nach Pommern über Prag
  • 1346 Kaiser Karl IV. nach seiner Krönung in Bonn zurück nach Prag
  • 1350 wurden die Reichskleinodien (Krone, Zepter, Reichsapfel, Schwert, Krönungsornat) in geheimer Mission versteckt auf einem Wagen und mit Fellen bedeckt von der Burg Karlstein nach Nürnberg gebracht. Um den 1. April 1350 sind sie durch Schnaittenbach gezogen
  • 1523 der österreichische Kaiser Karl V. zum Reichstag nach Nürnberg
  • 1558 Kaiser Ferdinand I. nach Frankfurt
  • 1562 Kaiser Maximilian II. von Prag kommend nach Frankfurt
  • 1612 Böhmenkönig Matthias von Prag kommend zur Kaiserkrönung nach Frankfurt mit über 600 Personen. Sogar Elefanten sollen dabei durch Schnaittenbach gezogen sein
  • 1658 Leopold I., König von Ungarn und Böhmen, zur Kaiserkrönung nach Frankfurt. Sein Hofstaat zählte 730 Personen und 360 Pferde mit dem Regiment von 800 Mann und 1650 Reitern sowie viele schwere Lastkutschen mit Pferden
  • Große Viehherden von Ochsen, Schweinen, Schafen, Kühen, meist aus Ungarn, zur Verpflegung von Nürnberg
 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.