Auf Anhieb nicht zu klärender Fall

Schwandorf
09.06.2023 - 10:30 Uhr
OnetzPlus

Ein Prozess wegen Raub, Nötigung, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung muss nochmals von vorne beginnen. Angeklagt ist ein Ehepaar aus Schwandorf.

Die Staatsanwaltschaft will es genau wissen und stimmt der Einstellung des Verfahrens gegen ein Schwandorfer Ehepaar nicht zu.

Es gibt Prozesse, die für alle Beteiligten zur Qual werden. In Sonderheit dann, wenn die zur Debatte stehenden strafbaren Handlungen in mehreren Sprachen erörtert werden müssen und Schilderungen nicht zueinander passen. Irgendwann nach zwei Stunden entrang sich der Amberger Schöffengerichtsvorsitzenden Kathrin Rieger ein Stoßseufzer. "Ich habe so den Eindruck, als ob wir heute nicht mehr heimkommen", sagte sie und beschrieb eine widersprüchliche Beweisaufnahme, die sich ätzend in die Länge zog.

Auf der Anklagebank saß ein Ehepaar aus Schwandorf. Es ging um Raub, Nötigung, Beleidigung, gefährliche Körperverletzung und noch so einiges. Den 42-jährigen Mann führten Polizisten aus der U-Haft vor. Der selbstständige Kaufmann stand im Verdacht, im Lauf von Ermittlungen gegen ihn und seine Frau eine wichtige Zeugin bedroht zu haben.

Dreh- und Angelpunkt der Verhandlung war ein Haus in Schwandorfer Bahnhofsnähe. Dort lebt das Paar seit fünf Jahren und hat auch heute noch seinen Wohnsitz in dem Anwesen. Wichtig zu wissen war: Im gleichen Gebäude lebt, ebenfalls bis heute, eine 37-Jährige, die mit den ein Stockwerk unter ihr wohnenden Eheleuten über lange Zeit hinweg gut auskam.

Was dann ab April 2022 passierte, nahm sich nach Schilderungen von Staatsanwalt Johannes Weiß nahezu apokalyptisch aus. Bei der Darstellung einer Reihe als gewalttätig geschilderter Begebenheiten musste in der Vermutungsform gesprochen werden. Denn klare Sachverhalte gab es zu keinem Zeitpunkt des Prozesses.

Die 37-Jährige, Mutter dreier Kinder, will in vier von der Staatsanwaltschaft aufgelisteten Fällen von dem Ehepaar, Eltern von sechs Kindern, in übelster Weise völlig grundlos angegriffen worden sein. Die Frau wurde angeblich massiv am Hals gewürgt und mit Fäusten geschlagen.

Man nahm ihr nach ihren Angaben in räuberischer Absicht das Handy weg, als sie die im Haus stattfindenden Übergriffe filmte und beleidigte die 37-Jährige mit Ausdrücken wie "Schlampe." Die Anlässe dafür blieben schleierhaft. Womöglich lagen sie darin, dass sich die Frau aus einer Beziehung mit dem Bruder des jetzigen Angeklagten zurückgezogen hatte.

Für das Ehepaar gaben deren Anwälte Jan Bockemühl und Tim Fischer (beide Regensburg) Erklärungen ab. Ihnen ließ sich zusammenfassend entnehmen: "Die angeblichen Übergriffe haben zu keinem Zeitpunkt stattgefunden." Allerdings, so fügten die Verteidiger hinzu, hätte es Situationen gegeben, bei denen das Ehepaar unverhofft von der Nachbarin angegriffen worden sei "und sich wehren musste".

Die Befragungen ergaben eine völlig obskure Sachlage, zu deren Entwirrung die mutmaßlich attackierte alleinerziehende Mutter von drei Kindern durch ihre sich widersprechenden Erzählungen wenig bis nichts beitrug. Die Berichte waren schier endlos, sie widersprachen sich und formten folgende Zusammenfassung: Irgendetwas war da schon. Aber ganz genau ließ sich keine der angeblichen Treppenhaus-Attacken ins Protokoll schreiben.

Irgendwann nach langer Zeit kam der anwaltliche Vorschlag auf Einstellung des Verfahrens. Da allerdings mochte Staatsanwalt Weiß nicht mitmachen. Er will die Vorfälle in dem Haus, falls es sie denn überhaupt gab, lückenlos geklärt haben. Da sich das nicht innerhalb einer gesetzlich vorgeschriebenen Fortsetzungsfrist von drei Wochen klären lässt, wurde das Verfahren ausgesetzt und beginnt irgendwann von vorn. Der Haftbefehl gegen den 42-jährigen Ehemann hatte nicht länger Bestand. Der Vater von sechs Kindern konnte in seine Wohnung und zu seiner Familie zurückkehren.

 
 

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