Das Thema Schweinehaltung wird heiß diskutiert. Dabei steht im Mittelpunkt, dass das Tierwohl verbessert werden soll. Doch laut dem Bayerischen Bauernverband und der Metzgerinnung hört die Tierliebe bei vielen Verbrauchern da auf, wo es an den Geldbeutel geht.
Bei einer Pressekonferenz haben Ernst Maler, Innungsobermeister der Metzger, und Josef Irlbacher, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands Schwandorf, über die aktuellen Probleme in der Tierhaltung in der bayerischen Landwirtschaft gesprochen. Ihr Credo lautet in etwa so: "Leute, kauft euer Fleisch da, wo ihr wisst, dass es aus der Region kommt. Damit helft ihr, die lokale Wertschöpfungskette zu unterstützen."
Schweinezyklus mit dem Schwein
Das derzeitige Problem schildert Irlbacher wie folgt: "Die Vermarktung ist gerade äußerst schwierig, die Öffentlichkeit bekommt das fast nicht mit." Die afrikanische Schweinepest habe dazu geführt, dass der Schweinefleisch-Preis pro Kilo um 20 Cent auf 1,27 Euro gefallen ist. Zusammen mit der Coronakrise stünde die Existenz vieler Betriebe in der Region auf dem Spiel.
"Viele Ferkelerzeuger bei uns, die keine regionale Vermarktung haben, haben ihre Marktpartner, bei denen sie darauf angewiesen sind, dass sie sie ihnen abnehmen. Ein Ferkel kann man nicht einfach zwischenlagern", sagt Irlbacher. Die Erzeuger sind also in einem echten Schweinezyklus gefangen, weil sie nicht so schnell reagieren könnten, wenn sich der Markt verändert. Irlbacher: "Die Zuchtsauenhalter und Schweinemäster können nicht einfach wie in der Fabrik einen Schalter umlegen und die Produktion von heute auf morgen herunterfahren."
Wer heute seine Schweine besame, der habe in knapp einem Jahr eine Mastsau, die er verkaufen muss. Dazu sagt Werner Gollwitzer vom Fachzentrum für Schweinehaltung am Amt für Landwirtschaft in Schwandorf: "Das hätten wir vor elf Monaten regeln müssen. Die Ferkel kommen zur Welt, egal wie der Markt gerade ausschaut."
Was den Verkauf in der Metzgerei angeht, sagt Maler, dass das Fleisch aus der Region im Vormarsch ist. Allerdings: "Das Problem ist, dass alle Feste ausgefallen sind. Da hat die Masse im Durchlauf gefehlt", sagt Maler. Von rund 2400 Innungsbetrieben in Bayern schlachtet laut Maler rund die Hälfte noch selbst. "Wir brauchen eine Kundschaft, die das Produkt wertschätzt", sagt er. Maler ist skeptisch, ob die Kunden bereit wären, mehr für das Fleisch zu zahlen, wenn in den kommenden 15 Jahren bis zu 35 Prozent der Ware aus biologischer Haltung kommt. Tiere stauen sich also.
Irlbacher fordert Umdenken
Irlbacher sagt, dass es darum geht, die regionalen Strukturen zu erhalten. Damit meint er den direkten Kontakt zwischen Erzeugern und Abnehmern. "Was ich merke, ist, dass die Betriebe, die sich regional aufgestellt haben, die vielleicht ihre Schweine direkt an den Metzger verkaufen, kommen mit der aktuellen Situation gut zurecht", sagt Irlbacher. Es brauche ein Umdenken, dass diese Strukturen unterstützt werden. "Das kann aber nicht alleine der Verbraucher, sondern da muss der Impuls auch von einer anderen Seite herkommen", sagt Irlbacher.
Verbraucherbewusstsein wecken
Vom Tierwohl war bislang nur am Rande die Rede. Gollwitzer bringt das Thema zur Sprache. Der Anteil der Schweine, die vom Erzeuger direkt zu den Metzgern gehe, sei "enorm rückläufig". "Ich habe ein paar Betriebe, die sich für zukunftsorientierte Stallsysteme interessieren", sagt er. Eine Sache des Geldes. Zuschüsse vom Staat für solche Projekte seinen zu niedrig, als dass sie sich für Landwirte rentieren würden. "Im Verhältnis zum konventionellen Stall zahlt der Landwirt ordentlich drauf, wenn er so ein Ding baut."
Hinzu komme, dass die Produktionskosten in solchen Ställen erheblich teurer sind. Allerdings bestehe dort die Möglichkeit für die Tiere, ins Freie zu gehen. "Da gibt es teils Wohlfühlbereiche, Stroheinstreuungen. Aber wir müssen für so was auch den Verbraucher mitnehmen", sagt Gollwitzer. Es sei wichtig, dass Verbraucher solche Produkte auch wertschätzen. "Ich habe in Neumarkt einen Metzger, der zum Landwirt gesagt hat, dass er ihm einen höheren Betrag zahlt, wenn er einen Außenbereich an seinen Stall macht. Dafür macht er dann auch Werbung für den Betrieb." Für solche Projekte sollte man ihm zufolge in der Region Werbung machen.
Tierwohlabgabe als Lösung?
Wie sollte man Projekte finanzieren, die auf das Tierwohl zielen? Gollwitzer hat dafür einen Lösungsvorschlag. "Wir haben geplant, in der Ferkelaufzucht in Richtung Tierwohl zu investieren", sagt er bezogen auf den Fall eines seiner Klienten. "Wir hoffen, dass das fruchtet, damit der Verbraucher vielleicht auch irgendwann mal kapiert, dass er 50 Cent für das Kilo mehr zahlen sollte." Er plädiert für eine Tierwohlabgabe, die für den gesamten Fleischverkauf gilt. "Damit kann speziell der Betrieb, der darin investiert, gefördert wird", sagt Gollwitzer.
Ein Landwirt, der mit Gollwitzer in Kontakt steht, wollte einen Stall planen, bei dem er am Ende Produkte in Bioqualität anbieten hätte können. Gollwitzer: "Ich habe ihm gesagt, er soll seine Kunden fragen, ob sie am Ende auch bereit sind, den Preis zu bezahlen, den er verlangen muss." Das Ende vom Lied: Der Landwirt baute den Stall trotzdem, stellte aber nicht auf Bio um, weil seine Kunden keinen höheren Preis bezahlen wollten. "Es gibt schon Leute, die das wollen. Aber der Bio-Sektor bei den Schweinen ist einfach ein zu kleiner Bereich.
Das Ende der Kette unterstützen
Irlbacher verweist darauf, dass die Menschen, wenn Gaststätten nun wieder schließen müssen, trotzdem ihr Essen ab und an dort holen sollten. "Das hilft denen, die Sache zu überstehen." Außerdem wäre ihm zufolge damit auch Landwirten geholfen, die Fleisch erzeugen. "So können die Menschen einen Beitrag dazu leisten, die Wertschöpfungskette bis zum Anfang zu unterstützen", sagt Irlbacher.
Zum Bayerischen Metzgerhandwerk
Laut Ernst Maler, Innungsobermeister der Metzger, schlachtet in Bayern noch über die Hälfte der Handwerksmetzgereien selbst.
- Rund 30 Prozent beziehen ihr Fleisch von regionalen Schlachthöfen oder lassen bei Kollegen schlachten.
- Maler zufolge steht für das bayerische Metzgerhandwerk das Tierwohl an erster Stelle. „Die Achtung vor dem Tier, das sein Leben lässt, um uns zu ernähren, ist das Mindeste, was man ihm zukommen lassen muss“, sagt er.
- Die Innung ist gegen lange Transportwege für Schlachtvieh. Lange Wege bedeuteten Stress. Dieser sei nicht nur für das Tier unnötig, sondern habe auch direkten Einfluss auf die Qualität des Fleisches.
- er Fleischerverband Bayern habe zum Ausbruch der afrikanischen Schweinepest einen Appell an seine Mitglieder gerichtet, den Landwirten weiterhin einen fairen Preis für ihre Erzeugnisse zu zahlen.
Ein paar Cent für eine erträglichere Existenz
Warum kaufen auch Menschen, die es sich locker anders leisten könnten, abgepacktes Billigfleisch aus dem Discounter? Josef Irlbacher vom Schwandorfer Bauernverband macht eine „Geiz-ist-geil-Mentalität“ dafür verantwortlich. Ich persönlich glaube, dass das noch einen anderen Grund hat. Produkte wie die Bärchen-Wurst oder in ein Rechteck drapiertes Hackfleisch, eingeschweißt unter einer „Aroma-Schutz-Folie“, sind kleine Meisterstücke der Fleischindustrie. Was an der lustigen Bärchen-Wurst erinnert uns noch daran, dass das, was wir da vor uns haben, aus einem Lebewesen gemacht worden ist? Von der Angst in den Augen der Tiere sehen wir nichts mehr, nichts erinnert mehr an die teils abartigen Zustände in der überfüllten Massentierhaltung. Das alles ist nichts mehr als ein psychologischer Trick, um uns das Produkt schmackhaft zu machen.
Ob das jemanden dazu bringt, kein Fleisch mehr zu essen, muss jeder für sich entscheiden. Ich denke aber, dass es angesichts dieser Tatsache zumindest für diejenigen von uns, die es sich leisten können, sinnvoll ist, so wie es Werner Gollwitzer vom Amt für Landwirtschaft vorschlägt, eine zusätzliche Tierwohlabgabe, von ein paar Cent pro Kilo Fleisch zu zahlen. Dann hätten die Tiere, die eh nur ein paar Monate zu leben haben, irgendwann zumindest eine erträglichere Existenz.
Wolfgang Ruppert