Immer mehr kleine Höfe verschwinden aus der Landwirtschaft

Schwandorf
17.09.2023 - 09:03 Uhr
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Der Landwirtschaft im Landkreis Schwandorf steht nicht nur ein Wandel, sondern ein Bruch bevor. Die Struktur mit kleineren Nebenerwerbs-Höfen droht unterzugehen. Was sind die Gründe?

Die Landwirtschaft im Landkreis Schwandorf steht vor einem Strukturbruch. Da sind sich der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV), Josef Irlbacher, und BBV-Geschäftsführer Josef Wittmann einig. Nebenerwerbsbetriebe, die auf Milchwirtschaft setzen, verschwinden. Nicht langsam, sondern in rasantem Tempo.

Die Politik hat die Anbindehaltung zum Auslaufmodell erklärt, und wird vom Markt sogar noch überholt. Große Lebensmittelhändler wollen zumindest für Trinkmilch keine Ware aus Anbindehaltung mehr. Mag sein, dass deshalb die politische Diskussion zum Thema etwas lahmt - wenn der Markt die Entwicklung treibt, muss die Politik keine unliebsamen Entscheidungen treffen.

Kaum Chancen zur Umstellung

"Bis Ende der 1980er Jahre war Anbindehaltung ,State of the Art'", wie Wittmann sagt, die Haltung galt als modern, sicher, wirtschaftlich, gesund für die Tiere. Das hat sich gewandelt. Heute sind Laufställe gefragt. Dort haben die Kühe mehr Platz, können sich freier bewegen. In der Anbindehaltung sind die Tiere über Halsschlaufen am Boden verankert, der Bewegungsradius ist eingeschränkt. Kleine Betriebe, wie viele im Landkreis Schwandorf, haben zur Umstellung auf Laufstall aber wenig Chancen. Sei es, dass am Hof der Platz dafür fehlt, das Aussiedeln nicht möglich oder die Investition nicht wirtschaftlich wäre. Ein Stallplatz, so Wittmann, kostet im Laufstall rund 20 000 Euro. Macht bei 30 Tieren 600.000 Euro. Weidehaltung? Kaum eine Alternative. Bauern in den Dörfern haben kaum Wiesen nahe am Hof. Vieh hinaus zu treiben, ist viel Aufwand, aus Verkehrsgründen oft unmöglich. Außerdem: In heißen Sommermonaten, wie sie der Klimawandel bringt, hätten die Tieren zu wenig Futter. Wenn's nicht regnet, wie diesen Juli, wächst auch nichts nach. "Ich müsste ihnen trotzdem was rausfahren", sagt Irlbacher.

"Der Strukturwandel ist nicht aufhaltbar", ist Irlbacher klar. Bislang habe er sich häufig ergeben, weil ein Nachfolger fehlte, Kinder andere Berufswege einschlugen. Nun werde sich das Tempo rasant erhöhen. Kleine Milchviehbetriebe verschwinden. Werden dafür die großen Höfe größer, mit mehr Vieh? Nein. Das zeigen Zahlen des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Denn (Vollerwerbs-)Familienbetriebe können nicht beliebig wachsen, ohne in eine Arbeitskraft-Falle zu tappen. "Sie kommen an ihre Grenzen", so Irlbacher. Ein Größensprung samt Anstellung einer Arbeitskraft ist ein wirtschaftliches Wagnis - noch dazu in Zeiten, in denen Landwirte ohnehin große Unsicherheit verspüren. Ein Betrieb mit 60 Kühen im Laufstall, so Wittmann, das rechne sich trotz bester Betriebsführung nur knapp.

Marktpreise, Tierwohl-Forderungen, Kritik an der Düngung: Es prasselt vieles ein auf die Bauern, das geht nicht spurlos an ihnen vorbei. Wenn dann, wie Ende August, die noch von der Merkel-Regierung eingesetzte Borchert-Kommission hinschmeißt, weil sie zu wenig Reaktion auf ihre Ergebnisse sieht, ist das aus Sicht Wittmanns "ein Hammer". Dieses "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung", benannt nach dem Vorsitzenden Ex-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert, war mit Vertretern aus Ministerien, Wissenschaft, Landwirtschaft sowie Natur- und Tierschutz besetzt und hatte Vorschläge erarbeitet. Idee: Eine Tierwohl-Abgabe unter anderem auf Fleisch (diskutiert wurden 40 Cent je Kilo), Frischmilcherzeugnisse (2 Cent je Kilo) oder Käse und Butter (15 Cent je Kilo) sollte knapp 4 Milliarden Euro pro Jahr in die Staatskasse spülen. Mit dem Geld sollten Investitionen und Mehrkosten der Landwirtschaft zumindest teilweise ausgeglichen werden. Ziel: Bessere Haltung aller Tiere bis 2040. "Wir mussten auch Kröten schlucken", sagt Wittmann. Die Bundesregierung aber fand keinen Konsens zur Umsetzung. Für das Scheitern, heißt es, sei maßgeblich die FDP verantwortlich gewesen. Stattdessen soll es jetzt 1 Milliarde über vier Jahre geben - zu wenig.

Was aber bedeutet es, wenn kleine Milcherzeuger aufhören? Wer durch die Kulturlandschaft fährt, wird viel Grünland, also Wiesen, sehen. "Für die Nutzung brauchen wir Wiederkäuer", sagt Wittmann. Weniger Rinder bedeuten aber weniger Bedarf an Gras für Silage oder Heu. Etwas anderes wächst auf vielen Lagen nicht gut genug - das Land ist für Milchwirtschaft prädestiniert. Außerdem: Umbrechen von Grünland für Ackerbau ist streng reglementiert. Wiesen aber bleiben nur Wiesen, wenn sie regelmäßig gemäht werden, sonst verbuschen sie. Warum aber sollte ein Landwirt Arbeitszeit, Diesel und Maschinenstunden investieren, wenn es für die Ernte keinen Ertrag gibt - etwa durch die Veredelung hin zu Milch?

Risiko muss kalkulierbar sein

Irlbacher hat sich für seinen eigenen Nebenerwerbs-Hof in Grubhof (Stadt Nabburg) lange Gedanken gemacht. Er gibt die Milchwirtschaft auf und setzt auf Mutterkuhhaltung. Die Milch der Kühe dient so der Aufzucht von Kälbern zur Fleischproduktion. Mehrere Gesichtspunkte gaben den Ausschlag: Was passt zu den Gebäuden, den Flächen, der verfügbaren Arbeitskraft, wie ist der Ertrag? Das müsse jeder Betrieb für sich selbst prüfen, so Irlbacher. Ein Laufstall für 20 bis 30 Tiere, wie sie viele Nebenerwerbler haben, rechne sich nicht. "Das Risiko muss kalkulierbar sein", sagten Irlbacher und Wittmann übereinstimmend mit Blick auf die hohen Investitionen. Es ist ein Paradox: Politik und Gesellschaft fordern den Erhalt der klein strukturierten Landwirtschaft, auch um die Kulturlandschaft zu erhalten. Die Vorgaben aus Politik und Markt sorgen aber dafür, dass diese Strukturen wegbrechen. Dabei hat sich schon viel getan, auch was die Haltung von Milchkühen im Landkreis anbetrifft. Nach Zahlen, die Herbert Wendl (AELF Regensburg-Schwandorf) den Oberpfalz-Medien übermittelte, wurde vor zehn Jahren noch etwa ein Drittel der Milchkühe im Landkreis Schwandorf ganzjährig angebunden gehalten; diese Zahl hat sich mehr als halbiert.

Bleibt die Entwicklung, führt sie zu weniger Betrieben und weniger Vieh. Im Gespräch mit Oberpfalz-Medien bringt Irlbacher noch zwei Punkte auf den Tisch. Mit jedem aufgegebenen Betrieb geht Wissen verloren, über die Böden etwa. Und: Die Lieferketten-Probleme während Pandemie und in Folge des Ukraine-Kriegs hätten aufgezeigt, dass Lebensmittel nicht immer von überall her verfügbar sind. "Können wir es uns da leisten, auf heimische Produktion zu verzichten?", fragt Irlbacher. Die Landwirte liefern täglich in hoher Qualität. Klare Vorgaben aus Politik, gesicherte Aussichten sind nötig. Die Bruch ließe sich abfedern. Dazu braucht des den Willen - und Unterstützung gerade der kleinen Bauern.

 
 

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Günter Schanné

In dem Artikel wird vergessen, dass die Qualhaltung der ganzjährigen Anbindung ein Verstoß gegen die zentrale Haltervorschrift des § 2 Nr. 1 und 2 Tierschutzgesetz darstellt. Dieser verlangt eine verhaltensgerechte Unterbringung der Milchkühe und Rinder, und die Möglichkeit der artgerechten Bewegung. Unter Qualhaltung ist eine Tierhaltung in Haltungssystemen und unter Haltungsbedingungen zu verstehen, die verhindert, dass die Tiere ihre angeborenen Verhaltensweisen ausüben und/oder ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Den so gehaltenen Tieren werden dadurch Schmerzen, vermeidbare Leiden und/ oder Schäden zugefügt.“ (Quelle: Tierschutzrechtliche Aspekte einer zukunftsorientierten Nutztierhaltung, Stand: 14.10.2021, Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT), Hannover).
Der Wunsch der Gesellschaft, bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten, bezieht sich selbstverständlich auf rechtskonforme Tierhaltung. Wie die praktischen Erfahrungen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Rinder zeigen, gehören zu den wesentlichen Verhaltenskreisen von Rindern Sozialverhalten, Fortbewegung, Ruhe und Schlafen, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Fortpflanzung, Körperpflege und Erkundung. Die Niedersächsische Tierschutzleitlinie für die Haltung von Milchkühen (2007) stellt nach obergerichtlicher Auffassung eine sachverständige Äußerung dar.
In der Niedersächsischen Tierschutzleitlinie für die Haltung von Milchkühen heißt es unter Nr. 8, Anbindehaltung, S. 45: „Eine dauerhafte Anbindehaltung schränkt die wesentlichen arteigenen Verhaltensweisen (insbesondere das Bewegungs-, Sozial- und Komfortverhalten) der Rinder erheblich ein.“ Bei Milchkühen, die mehr als nur vorübergehend angebunden gehalten werden (Kombinationshaltung, 245 Tage angebunden, ganzjährige Anbindung, 365 Tage angebunden), werden eine Vielzahl von Grundbedürfnissen unterdrückt oder jedenfalls in starkem Ausmaß zurückgedrängt. Die Bedürfnisunterdrückung bei Tieren verursacht Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2 a und b Tierschutzgesetz. Bestände, in denen die Milchkühe und Rinder durch die länger andauernde Anbindung misshandelt werden, müssen schließen, da sie rechtswidrig sind.
Da nur Vertreter des BBV, K.d.ö.R., also der bäuerlichen Berufsvertretung zu Wort kommen, ist der Artikel sehr stark einseitig. Da "Tierschutz" in der Satzung des BV nicht vorkommt, können seine Vertreter nicht darüber reden. Selbstverständlich lehnt der LEH Milch und Milchprodukte ab, die aus tierschutzwidrig gewonnener Rohmilch hergestellt wurden, weil er diese sonst entsprechend kennzeichnen müsste nach der europäischen Lebensmittelkennzeichnungsverordnung. Da wir in Bayern ohnehin eine Milchüberproduktion haben, ist der Verlust der rechtswidrigen länger andauernden Anbindung von Milchkühen und anderen Rindern tragbar.

17.09.2023