Mehr Senioren, weniger junge Menschen, und ein Mangel an Fachkräften in der Pflege: Die demografische Entwicklung ist in den kommenden Jahren eine der größten Herausforderungen im Landkreis Schwandorf. Der Kreistag hat deshalb schon 2010 ein sogenanntes seniorenpolitisches Gesamtkonzept (SPGK) verabschiedet, das nun von der Arbeitsgemeinschaft für Sozialplanung in Bayern (Arge) überarbeitet und an die aktuellen Entwicklungen angepasst wurde. Der Kreistag verabschiedete das Konzept in seiner jüngsten Sitzung einstimmig. 5000 Euro sollen für die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen jährlich bereitgestellt werden.
In dem mit "So viel Selbstständigkeit wie möglich, so viel Hilfe wie nötig" überschriebenen Konzept benennen die Experten fünf Bereiche mit konkreten Maßnahmen für die Weiterentwicklung der Seniorenarbeit im Landkreis.
Barrierefreiheit und Wohnberatung
Damit ältere Menschen so lange wie möglich in den vertrauten eigenen vier Wänden bleiben können, ist Barrierefreiheit unerlässlich – sowohl Zuhause als auch im öffentliche Umfeld. Das Konzept empfiehlt deshalb den Kommunen, öffentliche Gebäude und Räume barrierefrei zu gestalten und schlägt den Aufbau einer Wohnberatungsstelle im Landkreis in den nächsten zehn Jahren vor. Zusätzlich sollen ehrenamtliche Wohnberater flächendeckend Senioren unterstützen.
Pflegelotsen und Quartiersentwicklung
Die Beratung auf Landkreisebene für Fragen zu Pflege, Betreuung und Finanzen ist laut SPGK gut, jedoch fehle es noch an Anlaufstellen auf Ebene der Kommunen. Deshalb sollen in jeder Gemeinde sogenannte Lotsen zum Einsatz kommen. Dies sind vom Landratsamt geschulte Helfer, die Senioren oder Angehörigen Hilfestellung und Orientierung geben sollen, wenn sie nicht wissen, wohin sie sich wenden sollen. Um ein altersgerechtes Wohnen zu fördern, müssten die Gemeinden zudem durch den Landkreis in der Quartiersentwicklung für Senioren unterstützt werden.
Demenz und pflegende Angehörige
Teil des SPKG ist auch eine Prognose zum Pflegebedarf im Landkreis. Danach wird sich die Zahl der an Demenz erkrankten älteren Menschen im Landkreis von knapp 2300 derzeit auf über 3000 im Jahr 2037 erhöhen. Die anspruchsvolle Pflege und Betreuung dieser Senioren muss genauso gesichert werden wie pflegende Angehörige zu entlasten. Die Arge empfiehlt deshalb unter anderem Angebote zur Unterstützung im Alltag auszubauen, die interkommunale Kooperation und die Stärkung der Tagespflege.
Vernetzung und Austausch
Die Experten loben die "guten Vernetzungsstrukturen auf Ebene des Landkreises" wie das Demenznetzwerk oder das Hospitz- und Palliativnetzwerk. Auf Gemeindeebene gäbe es jedoch noch einiges zu tun. So sollten die Bürgermeister Runde Tische gründen, um den Austausch zu Seniorenfragen auf Ortsebene zu verbessern.
Ambulant vor stationär
Damit sich der Wunsch der meisten Senioren, in der eigenen Wohnung alt zu werden, erfüllen lässt, ist die Stärkung der ambulanten Pflege laut SPKG unerlässlich. Das Prinzip "ambulant vor stationär" sei im Sozialgesetzbuch auch gesetzlich vorgeschrieben. Der Besuch von Pflegekräften bei Senioren in deren eigener Wohnung ist deshalb laut Arge einer der wichtigsten Punkte, um den demografischen Wandel im Landkreis bewältigen zu können. In ihrer Prognose gehen die Experten von einem starken Anstieg der Pflegebedürftigen, insbesondere der 85-Jährigen und Älteren, aus. In dieser Altersgruppe sei der Pflegebedarf jedoch besonders hoch, auch, weil weil Demenz häufiger auftritt. Der geforderte Ausbau der ambulanten Versorgung wird künftig aber nur zu schaffen sein, wenn die häusliche Betreuung und Pflege unterstützt wird durch einen Ausbau der Tages- und Kurzzeitpflege. Die Experten warnen zudem vor Fachkräftemangel. Mehr ausgebildete Pfleger zu gewinnen, sei auch in der Region problematisch – aber entscheidend.
Laut dem seniorenpolitischen Gesamtkonzept gibt es im Landkreis gegenwärtig 29 ambulante Pflegedienste und 5366 Pflegebedürftige. Davon werden 1582 Senioren im Heim betreut, 3784 leben zu Hause. 70,5 Prozent der pflegebedürftigen Senioren leben also Zuhause. Die 20 Seniorenheime im Kreis sind im Schnitt zu 93 Prozent ausgelastet. Vereinzelt müssen die Heime bereits heute die Neuaufnahme von Senioren ablehnen oder gar einen Aufnahmestopp verhängen, weil es an Personal oder freien Plätzen fehlt. Dies erhöht den Druck auf die ambulanten Pfleger, die dann oftmals angefragt werden. Verglichen mit dem Jahr 2010, als das erste SPKG erarbeitet wurde, ist die Zahl der Zuhause gepflegten Senioren gestiegen – von 68,5 auf 70,5 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen wie wichtig die Forderung der Arge-Experten ist, die ambulante Pflege weiter auszubauen.
Kein Pflegestützpunkt
Thematisch passend diskutierten die Kreisräte im Anschluss den Antrag der Grünen, im Landkreis einen Pflegestützpunkt einzurichten. Dabei handelt es sich um eine lokale und regionale Beratungsstelle, in der hauptamtliche Fachleute Senioren und Angehörige rund um das Thema Pflege – zum Beispiel Fragen zu Betreuung, Kosten, Anträge und Zuschüsse – beraten und unterstützen. Ulrike Pelikan-Roßmann begründete den Antrag auch mit finanziellen Aspekten. Zwar wäre es noch besser, wenn es einen hauptamtlichen Pflegeberater in jedem Gemeinderathaus gäbe, dies müssten die Gemeinden aber selbst bezahlen und sei deshalb problematisch. "Die Förderung vom Freistaat gibt es nur für einen Stützpunkt, deshalb brauchen wir ihn auf Landkreisebene." Die Kreisrätin der Grünen stelle auch einen Bezug zur Corona-Pandemie her: "Die letzten Wochen haben uns gezeigt, wozu Einsparungen in der Pflege und Medizin führen können."
Martin Scharf hielt für die Freien Wählern entgegen, dass der Landkreis hier bereits "sehr gut aufgestellt" sei und kein Bedarf sei. Dieser Meinung war auch Thomas Ebeling (CSU). "Ich habe noch keinen Brandbrief von den Bürgern bekommen, die sagen, wir brauchen jetzt sofort einen Pflegestützpunkt." Der Landrat verwies auf das Seniorenkonzept und die Empfehlung der Experten, wonach ein Stützpunkt "nicht dringend nötig" sei, aber: "Viel wichtiger ist es, die bestehenden Strukturen in der Pflege zu stärken." In der folgenden Abstimmung wurde der Antrag dann auch mehrheitlich abgelehnt.
"Ich habe noch keinen Brandbrief von den Bürgern bekommen, die sagen, wir brauchen jetzt sofort einen Pflegestützpunkt."
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