Der Mann sagt, er habe "schon mal an den Oberkörper des Mädchens gegriffen". Doch schwere sexuelle Attacken, die sich zwischen 2013 und 2016 abgespielt haben sollen, weist er zurück. 70 solcher Vorfälle wirft ihm jedoch die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht in Amberg vor. Als Tatorte gelten ein Stadtteil von Schwandorf und eine Wohnung in Regensburg.
Der Rentner ist heute 63 Jahre alt. Er wurde am ersten Prozesstag gefesselt vor die Erste Strafkammer des Landgerichts geführt. Seit März 2018 sitzt der Mann in U-Haft. Warum aber erst ab dann, wo sich doch die angeblichen sexuellen Übergriffe zwischen 2013 und 2016 ereigneten? Eine Antwort darauf hat es bisher nicht gegeben. Es geht um eine mehrköpfige Familie, die zunächst in einem Schwandorfer Stadtteil wohnte und dann nach Regensburg zog. Der heute 63-Jährige war der Stief-Großvater eines Mädchens, das sich im Kindesalter befand, als die mutmaßlichen Attacken ihren Anfang nahmen. Der heutige Rentner kam öfter zu Besuch, wurde an die Kaffeetafel gebeten und soll sich dabei stets längere Zeit im Zimmer seiner Stief-Enkelin aufgehalten haben. Sowohl in dem Ort bei Schwandorf als auch später in Regensburg.
Ohne Öffentlichkeit
Was geschah dort? In den Unterlagen der Strafkammer, die von Richter Christian Frey geführt wird, stehen 70 massive sexuelle Übergriffe auf die heute 16-Jährige. Sie tritt im Prozess als Nebenklägerin auf. Der Vorsitzende fühlte sich deshalb zu dem Hinweis an den Angeklagten veranlasst: "Ein Geständnis ist bei solchen Verfahren immer gut. Denn dann kann man dem Opfer eine Vernehmung vor Gericht ersparen." Es gab ein Geständnis. Doch keineswegs so, dass es auch nur annähernd deckungsgleich zur Anklageschrift der Staatsanwältin Barbara Tutsch gewesen wäre. Der Beschuldigte bestätigte zwar, dass er seiner Stief-Enkelin mehrfach an den Oberkörper fasste und dabei "spaßige Bemerkungen machte." Mehr aber habe sich niemals zugetragen. Am allerwenigsten massive Zugriffe auf den Intimbereich des Mädchens. Genau dies aber stand in den Protokollen der Ermittlungsbehörden.
Die Mutter der heute 16-Jährigen wurde als Zeugin vernommen, und sie ließ anklingen, wie sich die Tochter ihr irgendwann anvertraute. Dann allerdings wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Denn als das mutmaßliche Opfer der Übergriffe längere Zeit aussagte, mussten Prozessbeobachter den Saal verlassen - eine vom Gesetzgeber her vorgegebene Maßnahme, in diesem Fall jedoch zur lückenhaften Betrachtung des als Verbrechenstatbestand eingestuften Gesamtgeschehens führend.
Gespaltene Familie
Was geschah wirklich zwischen Stief-Opa und Stief-Enkelin? Wenn ein Teil des Verfahrens nichtöffentlich abläuft, dürfen laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch die Schlussvorträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung nur hinter verschlossenen Türen ablaufen. Für die Urteilsverkündung aber muss der Saal wieder aufgesperrt werden. Das dürfte am kommenden Montag geschehen. Dann wird man aller Voraussicht nach die Einschätzung der Richter dazu hören, was sich zutrug zwischen einem Kind und dessen Stief-Großvater. Fest aber steht jetzt schon: Was vor dem Landgericht zur Debatte steht und mit einer langen Freiheitsstrafe bedroht ist, hat eine Familie tief gespalten.













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