Frank-Markus Barwasser hat seine Kunstfigur Erwin Pelzig enorm weiterentwickelt. Zu sagen hat er ziemlich viel: über Deutschland, über Europa, über die ganze Welt. Und er versucht dabei jene Dinge zu erklären, die man nicht versteht. Die sich nicht verstehen lassen. Pelzig präsentiert sich am Samstagabend in Speichersdorf zwei Stunden lang meinungsstark, klar verortbar und noch einen Tick politischer als in früheren Programmen. Das kommt beim Publikum bestens an. Denn Pelzig fühlt sich einer Mission verpflichtet: Die Welt erklären, hinter die Fassaden und zum Teil auch Abgründe schauen und Fehlentwicklungen ansprechen. Auf Einladung der Speichersdorfer Bürgerstiftung Lebensfreude lauschen ihm 600 Zuhörer in der ausverkauften Sportarena.
Eigentlich will er aber stoisch bleiben, nicht durchdrehen, keine Apokalypse reiten, konstruktiv denken. „Ich staune schon selber, was ich alles positiv sehe“, bekennt Erwin Pelzig. Aber die Realität macht es ihm immer wieder schwer und er verfällt halt trotzdem immer wieder ins „Kabarettisten-Gewäsch“, wie er Pelzig selbst einräumt. Es ist aber schwer bei seinen Vorsätzen zu bleiben, wenn man mit der „Social-Media-Platzpatrone“ Markus Söder, dem „orangefarbenen Honk aus dem Obersalzberg von Florida“ Donald Trump, der „fachlich maximal unbefangenen“ Gesundheitsministerin Nina Warken oder Hubert Aiwanger mit seiner „energiesparenden mentalen Streckenführung“ konfrontiert wird.
Karriere als Provokationstherapeut?
Da nützt dann auch Livia, Pelzigs Stoiker-Therapeutin, nichts, die immer wieder aus dem Off eingespielt wird. So oft sich Pelzig auch vornimmt, nicht negativ zu sein: Oft scheitert es eben an der Wirklichkeit – an den USA, „die auf dem Weg in den Mafiastaat“ sind, an den „fünf blauen Ländern“ in Ostdeutschland oder einfach nur an den Schottergärten und „Drecks-Gabionen, den unbeweglichen Gegenstücken zum SUV“.
Zwischendurch wird es einem als Zuhörer dann auch mal bange: Als Pelzig nämlich erklärt, dass er, wenn er mal nicht mehr auf der Kabarettbühne steht, ja als Provokationstherapeut arbeiten könnte. Die Vorstellung einer Kabarett-Landschaft ohne Pelzig will man gar nicht erst an sich heranlassen, auch wenn Barwasser natürlich mittlerweile auch schon 65 Jahre alt ist. Die entstehende Lücke – das führt der Abend klar vor Augen – ließe sich durch nichts und niemanden schließen.
Ein Trio zwischen Bier, Wein und Wasser
Wer sonst würde einem den Unterschied zwischen „frontalem Cortex“ und „Mandelkern“ des Gehirns sowie deren Gebrauch so anschaulich erklären? Wer sonst seziert so treffend, was es mit der Moral auf sich hat und warum sich gerade wegen der Moral die Menschen durchgesetzt haben? Wer sonst klärt über „Finanz-Terroristen“ und Demokratieverächter wie Elon Musik und Peter Thiel auf? Wer sonst riskiert auf der Bühne einen „Perspektivenwechsel“ in einen Vertreter der so genannten „Scheeflöckchen-Generation“, dessen Monolog sicher den ein oder anderen Zuhörer aus seiner Komfortzone vertreibt? Und wer schenkt der AfD und ihren Politikerinnen so messerscharf und faktenbasiert ein?
Von Beginn des Abends an steht auf der Bühne ein Tisch mit einem vollen Weißbierglas, einem Rotweinglas sowie einem Glas Wasser – die Getränke, mit denen sich Erwin Pelzig, Dr. Göbel und Hartmut leicht identifizieren lassen. Auch dieses Kult-Trio darf an diesem Abend seine Weisheiten zum Besten geben, die fliegenden Rollenwechsel, die Barwasser hier gelingt, erstaunen immer wieder aufs Neue. Und einen Finanztipp hat Pelzig auch für die Zuhörer – nämlich Rheinmetall-Aktien, die einzig und allein mit dem Risiko-Faktor „Frieden“ behaftet sind. „Aber man sollte nicht vom Schlimmsten ausgehen“, so Pelzig.














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