Ihre Mutter hat Rosa Jeruscher, die Protagonistin in Dana von Suffrins zweitem Roman „Nochmal von vorne“, schon vor einiger Zeit begraben, nun ist also auch der Vater tot und der Kontakt zur Schwester immer noch abgebrochen. Was aber sprudelt, sind die Erinnerungen an die Kindheit und Jugend in einer deutsch-jüdischen Familie und deren Vorgeschichte.
Statt jedoch das dysfunktionale Miteinander, Shoah und Vertreibung in ganzer Wucht auszubuchstabieren, belässt es Dana von Suffrin bei kleinen Szenen, denen nicht zuletzt schwarzer Humor zu enormer Wirkung verhilft. „Ich bin ja Historikern, ich recherchiere wirklich gerne und lande dann oft bei seltsamen Details“, schreibt die Schriftstellerin vor der Lesung am 16. April im Literaturhaus Oberpfalz. Die Anekdote von Hitlers ungespitztem und daher zu dickem Stift etwa, der zu einer sechs Kilometer breiten rumänischen Grenze geführt haben soll, habe sie in einem Geschichtsbuch gefunden: „Wenn sich die ganz große Geschichte in einem so merkwürdigem Detail widerspiegelt, bin ich fasziniert“.
Angesichts der anklingenden Parallelen zur eigenen Vita ist Dana von Suffrin eines wichtig: „Der Roman ist rein fiktiv, aber ich merke, dass es den Lesern schwerfällt, mir das zu glauben. Alle Personen sind erfunden, aber natürlich habe ich sie erfunden, sie sind mir nah“. Ihre Familie weiß das und kann daher mit den Mutmaßungen seitens des Publikums umgehen.
Der Schriftstellerin bedeutet Familie im Übrigen aber doch genau das, was auch die alles andere als heile, aber im tiefsten Innern verbundene Familie Jeruscher ausmacht: „Streit, Stress, Rivalität, aber eben auch Liebe.“ Und noch etwas hilft: „Ich könnte meine Familie ohne Humor nicht ertragen. Sie mich auch nicht.“ Dass bei den Buchbesprechungen ihre deutsch-jüdische Vita häufig mehr im Vordergrund steht als ihre schriftstellerische Arbeit, ärgert Dana von Suffrin nicht: „Nein, das ist nicht nur bei mir so, so wird heutzutage Literatur eben vermarktet. Darüber kann man sich ärgern, aber das hilft nicht viel.“
Das Drängen, sich als Wissenschaftlerin und Künstlerin immer auch zu Themen wie Antisemitismus und Israel-Politik öffentlich zu positionieren, betrachtet sie ebenso nüchtern: „Ich würde darauf lieber verzichten, aber ich muss mich äußern. Erstens kenne ich mich mit dem Thema aus, ich habe ja zum frühen Zionismus promoviert. Zweitens hat sich der Diskurs so dramatisch verschoben, dass öffentlich nun Dinge geäußert werden können, die vor sechs Monaten noch undenkbar waren. Ich sehe es als meine Pflicht, das zu tun, was ich tun kann: widersprechen und Witze machen.“
Für das laute Schweigen der Kulturbranche nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 findet sie allerdings nur ein Wort: „Entsetzlich.“ Dass die elementare Differenzierung zwischen israelischer Regierung, Israelis und in Deutschland lebenden Juden einer groben Pauschalierung zum Opfer gefallen ist, beobachte sie dagegen nicht erst jetzt, sondern schon ihr ganzes Leben lang.
Über den Bayern 2-Wortspiele-Preis als erste Auszeichnung für den Nachfolger des mit Preisen und Lob geradezu überhäuften Debüromans "Otto" freut sich Dana von Suffrin sehr. Noch größer sei jedoch die Erleichterung: „Ich war so lange alleine mit dem Roman, dass ich mir gar nicht mehr vorstellen konnte, wie er auf aufgenommen werden wird.“
Grundsätzlich betrachtet sie Erfolge jedoch als etwas sehr Relatives: „Vor kurzem kam ich nach einer wirklich tollen Premiere mit Hunderten Gästen nach Hause – und der Hund hat auf den Teppich gekotzt. Das erdet mich schon.“ Darüber hinaus gibt sie dem mit solchen Preisen steigenden Erwartungsdruck wenig Raum: „In erster Linie ist es mir wichtig, meine künstlerischen Ideen verwirklichen zu können. Perfekt wird ein Roman sowieso nicht.“ Von der Lesung im Literaturhaus Oberpfalz erwartet und erhofft sie sich vor allem eines: „Ein Publikum, das an den richtigen Stellen lacht.“
Zu Person, Buch und Lesung
- Dana von Suffrin, Historikerin und Schriftstellerin, geboren 1985 in München, Studium in München, Neapel und Jerusalem, 2017 Promotion über die Rolle von Wissenschaft und Ideologie im frühen Zionismus, vielfach ausgezeichnetes Romandebüt "Otto". Dana von Suffrin lebt in München.
- Nochmal von vorne, Roman, 240 Seiten, gebunden, erschienen am 7. März im Verlag Kiepenheuer & Witsch, 23 Euro
- Lesung und Gespräch mit Dana von Suffrin am Dienstag, 16. April (19 Uhr), im Literaturhaus Oberpfalz in Sulzbach-Rosenberg, Moderation Patricia Preuß, Tickets unter www.nt-ticket.de
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