Eigentlich hat sich Maria, die Hauptfigur in Martina Bogdahns Romandebüt „Mühlensommer“, gut eingerichtet im Münchener Stadtleben. Ein Notfall auf dem elterlichen Mühlenhof katapultiert die Mutter zweier Töchter jedoch schnell wieder zurück in die dörfliche Kindheit und Jugend – und auch in die geschwisterliche Sprachlosigkeit der letzten Zeit. Nur die demente Großmutter sitzt immer ungerührt vor einem Berg zu schälender Äpfel.
Martina Bogdahn, die sich einen Namen als Fotografin gemacht hat, vermischt in ihrer Geschichte Autobiografisches mit Fiktion: „Ich glaube, dass ich meiner jugendlichen Heldin Maria tatsächlich ein paar gute Wesenszüge zugeschrieben habe, die ich auch gerne, die vielleicht jeder oder jede gerne hätte. Sie jammert nie, sondern macht aus allen Situationen etwas, das sie nachher einen Schritt weiterbringt im Leben. Man kann das nie sofort erkennen, aber es bleibt ein Gefühl von Gelassenheit bei der Betrachtung von diesem zehnjährigen Mädchen zurück, nach dem ich selbst heute manchmal suche“, schreibt die Neu-Schriftstellerin auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien.
Der Geruch des Brotbackens
Die Rückkehr an die Orte ihrer Kindheit sie bei ihr untrennbar mit Gerüchen und ihrem Tastsinn verknüpft: „Ich weiß genau, wie sich die Rinde unseres Hofbaums anfühlt, und wie der Backofen riecht, wenn das Brot darin backt. Vielleicht, weil ich sehr oft auf dem Hof meiner Eltern helfe, bin ich schon immer gerne in Gedanken in diese vergangene Welt zurückgekehrt.“
Und diese Vergangenheit klingt beim Erzählen zu Bogdahns eigenem Erstaunen nicht nur wie aus einer anderen Zeit, sondern fast ein bisschen wie aus einer anderen Welt: „Die Mühle, auf der ich aufgewachsen bin, liegt in Alleinlage, vom Brombach umspült wie auf einer Insel, und es gab außer meinen Geschwistern keine anderen Kinder, mit denen ich spielen hätte können. Und so mussten wir uns tatsächlich ganz schön viel einfallen lassen, um unsere Freizeit rumzubringen.“
Die Verpflichtungen eines Bauernkinds
Aber sie habe es zum Beispiel geliebt, mit ihrem Bruder Baumhäuser zu bauen, mit den Tieren auf dem Hof zu spielen, mit dem Schlauchboot stundenlang flussaufwärts zu fahren und viele andere kleine Freiheiten zu genießen, die Kinder aus der Stadt nie erleben konnten. „Und auf der anderen Seite war dieses Aufwachsen natürlich auch oft überschattet von den Verpflichtungen, die ich als Bauernkind einfach hatte. Jeden Tag mussten die Tiere versorgt werden und wir Kinder hatten unsere festen Aufgaben, für die es keine Ausnahmen oder Ausreden gab.“
Wie ihre Protagonistin ist Martina Bogdahn später in München gelandet und staunt nach wie vor – „München halt“. Vor allem schmunzelt sie über Dinge, die nicht zusammenpassen oder in ihrem Kopf nicht so richtig zusammengehen: „So trifft man im Sommer in der Tram am englischen Garten oft Horden von triefend nassen, lachenden Menschen in Badehose oder Bikini. Sie steigen ein, um eine Station weit zu fahren, damit sie sich anschließend im Eisbach wieder zurücktreiben lassen können. Immer schön, wenn daneben eine Dame mit Hündchen, Kostüm und dazu passender Handtasche sitzt. Oder junge gutgelaunte Männer und Frauen, die mitten im Winter in Neoprenanzug und mit Surfbrett unter dem Arm in die U-Bahn einsteigen, weil sie zum Surfen an die Thalkirchener Welle fahren. Oder neulich, da saß ein älterer Mann neben mir an der Bushaltestelle und hatte einen riesigen Blumenschmuck für eine Beerdigung dabei. Auf dem Schmuckband stand: Du warst ein lieber Hund, Ruhe sanft. Für immer dein Horsti. Es gibt wohl tatsächlich einen Tierfriedhof in München.“
Im Nachwort des Romans schreibt Martina Bogdahn, dass es ein Freund war, der sie, die Fotografin, zum Schreiben brachte. Der Sprung vom Bild zum Wort sei aber vielleicht nie richtig passiert. Musste auch gar nicht: „Ich schreibe und in meinem Kopf läuft parallel dazu der Film ab. Vielleicht beschreibe ich nur, was ich da sehe und das ist ja wieder ganz schön nah dran an meiner eigentlichen Berufung zur Fotografin.“
Sprachbarriere schon überwunden
Nach dem Schreiben ist jetzt aber vor dem Lesen. Klar sei sie nervös vor den anstehenden Veranstaltungen mit Publikum: „Aber ich habe gerade meinen ersten Auftritt in der Fernsehshow "Ringlstetter" (BR-Fernsehen, Anmerk. d. Red.) hinter mir, und da war ich sooooo schlimm aufgeregt, dass ich denke, das darf nicht mehr so schlimm kommen. Kann es gar nicht. Und so bin ich jetzt eigentlich ganz gelassen. Ich mag Menschen im Allgemeinen sehr gerne und da freut es mich doch ungemein, dass der Roman so wohlwollend empfangen wird. Da will ich doch auch etwas zurückgeben.“
Eine der ersten Stationen der Tour ist die Buchhandlung Volkert in Sulzbach-Rosenberg. Beides nicht unbekannt für Martina Bogdahn: „Ich war einmal in Sulzbach-Rosenberg mit meiner Familie zum Mittagessen. Und einmal in der tollen Buchhandlung Volkert. Und ich muss sagen, als der Buchhändler sich vorgestellt hat, hatte ich zuerst Sorge, aber nicht lange, denn ich habe gleich alles verstanden“, erzählt sie lachend. „Also kein Kummer, die Sprachbarriere ist schon einmal geknackt worden!“
Wenn sie sich etwas wünschen dürfte, dann wäre es, der Schriftstellerei weiter treu zu bleiben. „Im Moment suche ich in meinem Kopf viele kleine Momente zusammen und binde rote Fäden daran. Vielleicht gibt es am Ende eine neue Geschichte“. Jemanden, der auf einer Mühle aufgewachsen ist und dort bis heute noch so oft wie möglich Holzofenbrot nach alter Tradition backt, kann man aber natürlich nicht ohne einen Tipp für die heimische Brotbäckerei entlassen: „Ach, da gibt es ja tausend Tipps und Wahrheiten und Empfehlungen. Bei mir ist es einfach so, dass ich immer genau wiege, dem Teig gut zuhöre (er schmatzt beim Kneten) und mir einfach viel Zeit nehme für etwas, das hinterher gut riechen und schmecken soll.“
Zu Person, Buch und Lesung
- Martina Bogdahn, Fotografin und Schriftstellerin, geboren 1976 in Weißenburg, aufgewachsen auf einem Einödhof in Mittelfranken, Studium Kommunikationsdesign in München, lebt und arbeitet in München.
- Mühlensommer, Roman, 336 Seiten, gebunden, erschienen am 11. April im Verlag Kiepenheuer & Witsch, 23 Euro
- Lesung mit Martina Bogdahn am Freitag, 19. April um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Volkert, Tickets unter www.nt-ticket.de
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