Claudia Pichler ist in München aufgewachsen. „Und i red trotzdem boarisch“, gab sie gleich am Anfang ihres Auftritts im Seidel-Saal ein Statement ab, ein rebellisches Statement gegen die Verwässerung der bayerischen Kultur durch Pseudobrauchtum und zu viele Zuagroaste. Beim Abi legte man ihr nahe, keinen Deutsch-Leistungskurs zu belegen. Zum Trotz begann sie anschließend ein Germanistikstudium.
Die Doktorarbeit über Polt hat Pichler beeinflusst. „Kurzlebige Tiere waren Bestandteil meiner Kindheit.“ In Polt-Manier zerlegte sie Erinnerungen und Erfahrungen in den ganz normalen Alltagswahnsinn oder machte sie mit einem kurzen Satz zu zynischen Weisheiten. „Geputzt wird bevor der Besuch kommt. Was meinst, wie das während des Lockdowns ausgeschaut hat!“ Alles hat sein Gutes.
Dieser bayerische Werte-Maßstab und die Maskenaffäre um Monika Hohlmeier und Andrea Tandler gipfelte in ihrer Erkenntnis: „Wenn die Korruption in Bayern weiblich wird, dann sind wir doch mit dem Gendern auf einem guten Weg.“ Die Münchenerin ist eine gute Beobachterin. Sie rückte so manchen Zeitgeist in das Licht differenzierter Wahrnehmung. „Männer in Radlerhosen werden nur noch übertroffen von Funktionsbekleidung im Partnerlook.“
Eigener Werbesong
Eine Weltpremiere – das machte sie zumindest dem Publikum glaubhaft – sei ihr erster eigener Werbesong. Und wie dann anschließend im Lied zu erfahren war, konnte die besungene Essigessenz für allerlei Gutes verwendet werden, vom Coq au vin bis hin zum edlen Weinverschnitt.
Vom Urban Gardening über die Dreifaltigkeit des Grillens, dem früheren Volkssport Raufen bis zum Angebot eines Vollsortimenters führte ihre Betrachtung und Erklärung bayerischer Lebensart und Umgangsformen. Tiefschürfende Erkenntnisse vermittelte ihr Lied von Alois Brummer, der Fleischfliege, und Jessica, der Fruchtfliege, die bei besagtem Vollsortimenter dem Liebesglück frönten. Das Ergebnis wollte man nicht wissen, doch Pichler brannte es dem Publikum unbarmherzig in die Gehirnwindungen. Polt ließ grüßen.
Erfahrungen gebeichtet
Dass die Mittdreißigerin noch solo ist, mag seine Gründe haben. Pichler beichtete ihre Erfahrungen im Online-Dating. Die meisten Männer seien doch nur Fadiseure, ein Begriff, der im „Großen Polt – ein Konversationslexikon“ als „Dialogtöter“ oder „Mensch mit dem Charme einer Zentralheizung“ definiert wird. Wen sollte es da noch wundern, dass während der Pandemie statt eines aussagekräftigen Profilbildes nur der Impfpass abgebildet war, so Pichler. „Ich brauche wirklich keinen Mann, aber Tatort schauen kann man nicht alleine!“ Dieses Geständnis verarbeitete sie in einem Lied, mit dem sie auch ihre Vorstellung abrundete.
Es heißt, das bayerische Universum sei weiß-blau und beuge sich nicht dem Pfad der Erkenntnis. Mit Claudia Pichlers Erklärungen, sozusagen mit ihrer eigenen Relativitätstheorie, wird bayerische Lebensart und bayerisches Selbstverständnis zumindest in seinen Grundzügen etwas klarer.
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