Beim Namen Günter Grass fällt der Groschen wohl erst einmal Richtung "Die Blechtrommel" und Literaturnobelpreis 1999. Dass die Karriere des für die deutsche Nachkriegsliteratur wegweisenden Schriftstellers ihren Anfang im Bereich der bildenden Kunst genommen hat, ist nicht immer ganz so präsent. Die Ausstellung im Literaturhaus Oberpfalz in Sulzbach-Rosenberg verknüpft jetzt die beiden kreativen Seiten unter dem Grass-Ausspruch "Beim Zeichnen schreiben sich Sätze fort".
Die Ortswahl kommt nicht von ungefähr: Günter Grass und der Sulzbacher Literaturarchiv-Gründer Walter Höllerer lernten sich im Rahmen der legendären "Gruppe 47" kennen. Man war sich offenkundig von Anfang an sympathisch, sagt Patricia Preuß, Programmleiterin des Literaturhauses und Mit-Kuratorin der Ausstellung bei der Vorbesichtigung: "Walter Höllerer hat Günter Grass auch unterstützt, etwa mit Veröffentlichungsmöglichkeiten in seiner Zeitschrift "Akzente". Es wuchs eine lebenslange Freundschaft, bestätigt Hilke Ohsoling, die Co-Kuratorin der Ausstellung. Sie muss es wissen, betreute sie doch lange Jahre das Grass´sche Büro weit über bloße Sekretariats-Tätigkeiten hinaus. Zudem vertritt sie die Grass´schen Interessen seit der Gründung 2011 als Geschäftsführerin der Günter-und-Ute-Grass Stiftung mit Sitz in Lübeck.
Auf die Frage, wie "Herrn Grass" – wie sie ihren berühmten Chef bis heute ausschließlich nennt – denn so im persönlichen Umgang war, fällt ihr als Erstes "spannend" ein. Wütend habe sie ihn in all der Zeit tatsächlich nie erlebt: "Er war harmoniebedürftig". Das deckt sich mit Patricia Preuß´ Eindruck anlässlich einer Lyrik-Lesung im Dezember 2003 in der Maxhütte: "Er war gelassen, zugänglich und freundlich".
Darin, dass sich Grass´ bildendes vom literarischen Werk nicht trennen lasse, sind sich beide Kuratorinnen einig: "Der Wechsel zwischen den Künsten war das, was ihn angetrieben hat", glaubt Preuß. "Herr Grass hat in Bildern gedacht. Seine Texte sind wie ein offenes Bilderbuch, sie waren letztlich wie eine Spielart des Zeichnens in Worten", sagt Ohsoling. Und erzählt, dass die Illustrationen zu seinen jeweiligen Büchern auch das kreative Loch zwischen Abgabe des Manuskripts und Eintreffen der ersten Korrektur-Fahnen überbrückten.
Im bewährten Rahmen des Literaturhauses finden sich daher konsequenterweise unter den insgesamt 52, mit verschiedensten Originalen aus dem Literaturhaus-Fundus angereicherten Grafiken und Bronzen auch zahlreiche dieser Projekt bezogenen Zeichnungen. Im Vordergrund stehen dabei die Symbiose der Grass´ Talente und das Handwerkliche, nicht aber die Person Günter Grass, so Preuß.
Die Freundschaft mit Walter Höllerer spiegelt sich ebenso wie Grass´ Interesse an Natur und Umwelt. Das Thema "Hundejahre" liegt Preuß besonders am Herzen: "Das ist wie eine kleine Bildergeschichte". Sie freut sich aber auch über eine Foto des Pariser Hauses, in dessen Keller der legendäre, dem Literaturarchiv vermachte "Pariser Koffer" mit dem Typoskript der "Blechtrommel" einst gefunden wurde.
Insgesamt hütet die Günter-und-Ute-Grass-Stiftung übrigens ungefähr 500 verschiedene Lithographien, ca. 500 Radierungen in Auflagen, über 100 Terrakotten und mehr als 4000 Zeichnungen des Schriftstellers, der sich immer sehr gefreut habe, wenn er als vielseitiger Künstler wahrgenommen werden konnte, so Ohsoling. Eines dieser Werke, die "Fünf Blechtrommler", entstand zum 50. Geburtstag des als Buch wie Film weltberühmten Oskar-Matzerath-Stoffes, traf vor gut einem halben Jahr als Geschenk zu Walter Höllerers 100. Geburtstag in Sulzbach-Rosenberg ein. Daraus wiederum ergab sich die Idee zur Ausstellung, an der Preuß und Ohsoling gut ein halbes Jahr gearbeitet haben. "Das Publikum soll dadurch auch angeregt werden, das eine oder andere wieder zu lesen", wünscht sich die Hausherrin. Vielleicht ja unter einem echtem "Grass", den es vor Ort für die eigenen vier Wände zu erwerben gibt.
Zur Ausstellung und Person
- Beim Zeichnen schreiben sich Sätze fort, eine Ausstellung zum künstlerischen Werk von Günter Grass, bis 22. Dezember im Literaturhaus Oberpfalz, Dienstag bis Freitag, 9 bis 17 Uhr (außer an Feiertagen), Sonntag 14 bis 17 Uhr, Führungen am 22. September um 17 Uhr und Sonntag, 12. November um 15 Uhr, weitere Informationen unter www.literaturarchiv.de.
- Günter Grass, Bildhauer, Maler, Grafiker, Schriftsteller, geboren 1927 in Danzig, gestorben 2015 in Lübeck, kurz vor Kriegsende zur Waffen-SS einberufen, Studium Grafik und Bildhauerei in Düsseldorf und Berlin, 1956 erste Buchpublikation "Die Vorzüge der Windhühner", 1959 Romandebüt "Die Blechtrommel", 1999 Nobelpreis für Literatur

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