Sulzbach-Rosenberg
01.12.2022 - 17:34 Uhr

"Masel Tov Cocktail" und die Frage nach Antworten auf Antisemitismus

Wie ist es, als Jude in Deutschland zu leben? Und: Was kann man gegen Antisemitismus tun? Diesen Fragen ging eine Diskussionsrunde nach, nachdem im Capitol ein preisgekrönter Kurzfilm gezeigt wurde: "Masel Tov Cocktail".

von mfh
Die Teilnehmer der Diskussionsrunde nach der Vorführung von "Masel Tov Cocktail" (von links): Stadtheimatpfleger Markus Lommer, Tim Kurockin von der Israelitischen Kultusgemeinde Amberg, Anna Schwamberger, Landtagsabgeordnete der Grünen und schulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, und "Masel tov Cocktail"-Regisseur Arkadij Khaet. Bild: mfh
Die Teilnehmer der Diskussionsrunde nach der Vorführung von "Masel Tov Cocktail" (von links): Stadtheimatpfleger Markus Lommer, Tim Kurockin von der Israelitischen Kultusgemeinde Amberg, Anna Schwamberger, Landtagsabgeordnete der Grünen und schulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, und "Masel tov Cocktail"-Regisseur Arkadij Khaet.

Rund 40 Menschen waren der Einladung der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zum Filmabend ins Capitol gefolgt. Zu sehen war "Masel Tov Cocktail", ein Kurzfilm, in dem sich ein jüdischer Jugendlicher mit sowohl vermeintlich positiven als auch negativen Vorurteilen sowie Antisemitismus konfrontiert sieht. Gleichzeitig schöpft er aber Kraft aus seinen jüdischen Wurzeln.

Es war im Saal ausgesprochen ruhig nach dem 30-minütigem Film. Anna Schwamberger, schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, durchbrach das Schweigen und gestand, sie habe absichtlich den Film vorab nicht angesehen, um mit frischen Eindrücken in die Diskussion zu starten. Die erste Frage war an Regisseur Arkadij Khaet gerichtet: Wie es denn sei, Jude in Deutschland zu sein. „Ich wollte nicht mehr ständig genau diese Frage beantworten“, antwortete Khaet. "Aber jetzt werde ich nach jeder Filmvorführung genau dazu um Stellungnahme gebeten.“

Der Regisseur sprach über seine Beweggründe für den Film und räumte ein, dass darin auch autobiographische Züge enthalten seien. Er werde oft gefragt, was man gegen Antisemitismus tun könne. Seine Antwort: „Warum bin ich derjenige, der das beantworten soll? Es ist die Aufgabe der Gesellschaft, hierzu eine Antwort zu finden!“ In diesem Zusammenhang kritisierte er auch den deutschen Film, der jüdisches Leben immer nur im Kontext des Opfers zeige oder als Reduktion auf die Religion.

Projekt "Meet a Jew"

Tim Kurockin ist Mitglied der israelitische Kultusgemeinde Amberg. Ob er sich im Film wieder erkannt habe, wurde der Schüler gefragt. „Wieder erkannt habe ich mich nicht. Aber ganz viele Punkte spiegelten das heutige jüdische Leben und die Problemstellungen“, sagte der 18-Jährige, der mehr Aufklärung in den Schulen forderte. Deswegen engagiere er sich auch in dem Begegnungsprojekt "Meet a Jew" des Zentralrats der Juden, bei dem er in Schulen oder Vereine gehe und einen persönlichen Einblick in seinen Alltag gebe und Fragen rund um die jüdische Gegenwart beantworte.

Stadtheimatpfleger Markus Lommer beantwortete die Frage, was man gegen Antisemitismus tun könne, mit einem jüdischen Zitat: "Man kann die Vergangenheit nicht von der Gegenwart trennen. Lerne aus der Geschichte!“ Lommer plädierte für den Dialog und stellte klar: „Jüdisches Leben muss ein selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sein." In Bezug auf Antisemitismus fand er klare Worte: "Wir müssen auch in solchen Fällen aus unseren bequemen Sesseln aufstehen und das Maul aufmachen."

"Klischeehaftes Allgemeinbild"

Interessante Einblicke gewährte Regisseur Khaet mit seinen früheren Erfahrungen mit dem Film an Schulen. Er bemängelte das Wissen der Lehrer zum Thema Antisemitismus, jüdisches Leben und NS-Zeit und verwies auf eine Lehrerfigur im Film, die genau diese Problematik verkörpere. Als schulpolitische Sprecherin wollte Anna Schwamberger diese Aussage nicht allein im Raum stehen lassen. Tim Kurockin bestätigte Khaets Ausführungen: „Viele Lehrer haben ein klischeehaftes, exotisches Allgemeinbild vom Judentum. Religion ist nicht gleich Judentum."

Die Landtagsabgeordnete nahm diese Schilderungen als Aufgabenstellung für ihre schulpolitische Arbeit mit und beendete nach einer sehr interessanten und engagierten Diskussion die Veranstaltung. Im kleinen Kreis wurde noch lange gesprochen, denn ohne Zweifel hatte der handwerklich sehr gut gemachte Film die Seelen aufgewühlt.

Hintergrund:

Kurzfilm "Masel Tov Cocktail"

  • Der Kurzfilm "Masel Tov Cocktail" hatte im Januar 2020 seine Premiere
  • Seitdem erhielt "Masel Tov Cocktail" zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen, unter anderem den Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa, den deutschen Menschenrechts-Filmpreis und den Grimme-Preis
  • Arkadij Khaet hat nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben
  • Die Hauptrolle des jüdischen Gymnasiasten Dimitrij Liebermann spielt überzeugend Nachwuchsschauspieler Alexander Wertmann, der 1997 als Sohn jüdischer Einwanderer geboren wurde
 
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