Sulzbach-Rosenberg
07.05.2025 - 15:11 Uhr

Vortrag in Sulzbach-Rosenberg zur Entnazifizierung nach dem Zweiten Weltkrieg

"Waren Sie Mitglied der NSDAP, der SA oder der SS?" Diese Frage mussten vor 80 Jahren viele mit "ja" beantworten. Nicht alle wurden für ihre Vergehen bestraft, zeigt ein Vortrag in Sulzbach-Rosenberg.

Nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes startete die Aufarbeitung. In Bayern war dafür zunächst die US-Besatzungsmacht zuständig. Die amerikanische Öffentlichkeit verlangte eine Bestrafung von Funktionären der NSDAP. 120.000 Personen wurden in den ersten Monaten interniert, meistens in ehemaligen Konzentrations- oder Kriegsgefangenenlagern.

Allerdings konnten die US-Besatzungsbehörden nur die größten Fälle selbst bearbeiten, vor allem in den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen. Schon im März 1946 wurde die Verantwortung für die Entnazifizierung daher den deutschen Zivilbehörden übergeben, die daraufhin mehr als 500 sogenannte Spruchkammern aus jeweils drei unbelasteten Personen bildeten.

Schwung des Anfangs ließ nach

Benedikt Martin Ertl, Archivar und Historiker vom Staatsarchiv München, beleuchtete die Arbeit dieser Spruchkammern in der Buchhandlung Volkert in Sulzbach-Rosenberg kritisch. Der Schwung, mit dem die Entnazifizierung begonnen hatte, erlahmte relativ schnell. Die "Stunde Null" nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei ein Mythos, sagt Ertl.

Alle, die während des dritten Reiches in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Verantwortung getragen hatten, mussten zunächst einen Fragebogen mit 137 Fragen zu Ämtern und Mitgliedschaften in NS-Organisationen ausfüllen. Die Spruchkammer teilte daraufhin eine von fünf Einstufungen zu, von "Haupttäter" bis "Entlastet". Für Belastete wurden Freiheitsstrafen oder der Einzug des Vermögens angeordnet.

Fiktive Entlastungen

Allerdings gab es die Möglichkeit zur Berufung. Und hier wurden dann oft "Persilscheine" vorgelegt, Entlastungsschreiben, die den Belasteten in günstigem Licht darstellten. Ertl trug einen Fall vor, wo SS-Männer einem SS-Sturmbannführer bestätigten, dass er nur durch Zufall einer Einweisung ins KZ entgangen sei, wodurch er als "Entlastet" eingestuft wurde.

Insgesamt seien meist die kleinen Rädchen bestraft worden, während die führenen Personen sich durch solche Machenschaften entlasten konnten, stellte Ertl fest. In der nachfolgenden Diskussion ging es um die heutige Erinnerungskultur, auch um Friedrich Flick und seine NS-Vergangenheit, die in Sulzbach-Rosenberg lange nicht thematisiert wurde.

 
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