Tirschenreuth
20.07.2020 - 11:45 Uhr

Kein vorbeikommen an Schmeller

Der Schmeller-Preis geht heuer an eine Marburger Sprachforscherin - ihre Arbeit erklärt, warum das Präteritum verschwunden ist. Schon 1821 stellte Johann Andreas Schmeller fest, dass diese Vergangenheitsform nicht mehr geläufig ist.

Mit dem Johann-Andreas-Schmeller-Preis 2020 wurde die Marburger Spachforscherin Dr. Hanna Fischer (Zweite von links) ausgezeichnet. Bürgermeister Franz Stahl, Vorsitzender Christian Ferstl und Jury-Vorsitzende Dr. Nicole Eller-Wildfeuer (von links) freuten sich, den Preis an eine renommierte Sprachforscherin zu übergeben. Bild: heb
Mit dem Johann-Andreas-Schmeller-Preis 2020 wurde die Marburger Spachforscherin Dr. Hanna Fischer (Zweite von links) ausgezeichnet. Bürgermeister Franz Stahl, Vorsitzender Christian Ferstl und Jury-Vorsitzende Dr. Nicole Eller-Wildfeuer (von links) freuten sich, den Preis an eine renommierte Sprachforscherin zu übergeben.

Aus Sicht der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft erfolgten die Corona-Lockerungen der letzten Wochen gerade zum richtigen Zeitpunkt. So konnte die Jahreshauptversammlung im Gasthaus "Zur Alm" doch wie geplant durchgeführt werden. Höhepunkt der Zusammenkunft war dabei die Verleihung des Johann-Andreas-Schmeller-Preises 2020.

Die Auszeichnung erhielt die Sprachforscherin Dr. Hanna Fischer von der Universität Marburg an der Lahn für ihre Dissertationsschrift "Präteritumschwund im Deutschen. Dokumentation und Erklärung eines Verdrängungsprozesses". Dr. Nicole Eller-Wildfeuer von der Universität Regensburg übernahm den Vorsitz der Jury vom langjährigen Leiter Prof. Dr. Anthony Rowley. Sie wies darauf hin, dass von den Jurymitgliedern elf wissenschaftliche Werke, die von einem internationalen Bewerberkreis aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien eingereicht worden waren, mit insgesamt 4 354 Seiten Umfang begutachtet werden mussten. Dabei zitierte Eller-Wildfeuer aus zwei Expertisen, die der prämierten Arbeit eine sehr umsichtige Herangehensweise an den Untersuchungsbereich und bedeutungsvolle Forschungsergebnisse bescheinigten.

Bereits 1821 nicht mehr geläufig

Die Preisträgerin konfrontierte das Publikum als Einstieg in die Präsentation ihres Werks mit dem Zitat "Schriebst du diesen Brief?" aus dem Munde Ferdinands in Schillers Drama "Kabale und Liebe". Erwartungsgemäß hätte demgegenüber jeder der Anwesenden "Hast du diesen Brief geschrieben?" gesagt. Dann spürte Hanna Fischer den Gründen für diesen Präteritumschwund in der gesprochenen Sprache nach - dessen Anfänge reichen in den historischen hochdeutschen Sprach-Variationen bis in die mittelhochdeutsche Zeit (Mitte des 11. bis Mitte des 14. Jahrhunderts) zurück. Dabei gab es für sie auch kein vorbeikommen an Johann Andreas Schmeller. Dieser stellte bereits 1821 fest, dass "in unseren Dialekten weder das Imperfect, noch das eigentliche Plusquamperfect üblich ist". Weiter schreibt Schmeller: Auch die "einfachen Präteritumformen war, hatte [sind] unseren Dialekten nicht mehr geläufig".

Bei ihrer Arbeit griff Hanna Fischer vor allem auf Georg Wenkers "Sprachatlas des Deutschen Reiches", Dialektgrammatiken, Atlanten und weitere Studien zurückgriff. Eine Erklärung für den Präteritumschwund sieht Fischer insbesondere in einem Sprachwandel des deutschen Tempus-Aspekt-Systems. Die Sprachforscherin verwies auf drei aufeinanderfolgende Prozesse: Entstehung des Perfekts, Expansion des Perfekts und schließlich Verdrängung des Präteritums. "Die erste Vergangenheit war einmal - um nicht zu sagen: ist einmal gewesen", resümiert Fischer.

Gesellschaft gut vernetzt

Vorsitzender Christian Ferstl freute sich, zur Jahreshauptversammlung viele Mitglieder begrüßen zu können. In seinem Bericht richtete er sein Augenmerk auf wichtige Begebenheiten des vergangenen Jahres. Ferstl verwies auf die vielfältige Zusammenarbeit mit anderen Vereinen oder Institutionen, die zeigten, dass die Schmeller-Gesellschaft inzwischen gut vernetzt ist und als verlässlicher Partner wahrgenommen wird. Als Beispiele nannte der Vorsitzende unter anderem den Sitz der Schmeller-Gesellschaft im Kuratorium des Leader-Projekts "REGIOident Fichtelgebirge", den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung mit dem Verein "Schwäbisches Literaturschloss Edelstetten" oder die Fertigstellung des Tagungsbandes zum 7. Dialektologischen Symposium im Bayerischen Wald, das von der Schmeller-Gesellschaft mitorganisiert worden war. Ferstl vertrat die Gesellschaft zudem auf Tagungen und Versammlungen.

Mehrere Projekte in Planung

In nächster Zeit stehten Projekte in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis für bayerisch-österreichische Namenforschung, dem Netzwerk der großlandschaftlichen deutschen Dialektwörterbücher und der Abteilung "Bayerisches Wörterbuch" an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München in Aussicht.

Schatzmeisterin Beate Heinrich betonte in ihrem Bericht, dass die Kreisstadt die 204 Mitglieder zählende Gesellschaft im Vorjahr bei der großen internationalen Jubiläumstagung zum eigenen 40-jährigen Bestehen sehr unterstützte. Auch Bürgermeister Franz Stahl, zugleich stellvertretender Vorsitzender der Schmeller-Gesellschaft, zeigte in seinem Grußwort die große Verbundenheit der Stadt zu Schmeller auf.

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