An drei Verhandlungstagen vor dem Amtsgericht Tirschenreuth hatten über 15 Zeugen ihre Sicht auf die Tatnacht dargelegt. Angeklagt waren ein Lokalbetreiber (44) und sein Adoptivsohn (24), der auch in der Gaststätte mitarbeitet. Beide, sie sind nicht vorbestraft, haben nach Überzeugung des Richters im Februar 2018 vor der Pizzeria und Shisha-Bar einen Gast (25) verprügelt. Neben Faustschlägen musste der Geschädigte auch Fußtritte einstecken. Er erlitt Schwellungen am Auge, Abschürfungen am Körper und verlor einen Zahn.
Amtsgerichtsdirektor Thomas Weiß verurteilte den 44-jährigen Wirt am Freitag wegen schwerer Körperverletzung zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die zehn Monate Freiheitsstrafe für den 24-Jährigen setzte Weiß auf drei Jahre zur Bewährung aus. Zudem muss der Adoptivsohn 800 Euro an die Stiftung Sternenkinder zahlen.
Dabei blieb der Richter jeweils nur zwei Monate unter den geforderten Freiheitsstrafen von Staatsanwältin Franziska Paintner. Sie hatte aber auch bei dem 24-Jährigen auf keine Bewährung plädiert. Die Juristin sah die Anklageschrift bestätigt. Zudem bezeichnete sie die Aussagen der Angeklagten als "absolut unglaubwürdig". Diese hatten vehement bestritten, an der Schlägerei beteiligt gewesen zu sein. Dem 44-Jährigen warf die Staatsanwältin vor, Zeugen beeinflusst und dabei auch noch seine Frau hineingezogen zu haben. Außerdem seien er und sein Adoptivsohn nicht einsichtig.
Auf Zeugen eingewirkt
Einige Zeugen hatten vor Gericht Erinnerungslücken, als es um die Prügelei ging. Im Gegensatz dazu hatten sie vorher bei der Polizei detailliert die Tat beschrieben. Daher stand für Paintner fest: "Es wurde auf Zeugen offenbar stark eingewirkt."
Zudem sei die Aussage der Ehefrau des 44-Jährigen unglaubhaft. Diese habe bei der Polizei angegeben, dass sie nichts gesehen habe. In der Verhandlung habe sie auf einmal alles genau beschrieben. Die Ehefrau könne sich daher auch noch auf Post von der Staatsanwaltschaft einstellen. Anwalt Richard Ducheck plädierte auf Freispruch seines 44-jährigen Mandanten. Er verwies auf die widersprüchlichen Aussagen der Zeugen. Klar sei aber, dass der Geschädigte und dessen Kollege, der auch einen Kaugummiautomaten im Lokal kaputt gemacht hatte, bewusst provoziert hätten. Später hätten sich die beiden beim benachbarten Casino geprügelt. Dabei dröselte er die einzelnen Zeugenaussagen genau auf.
"Irgendwer hat den Jungen geschlagen, aber wir nicht", beteuerte der 44-Jährige, der 2004 von der Türkei nach Deutschland kam. Die Polizei habe in der Tatnacht ihre Arbeit nicht richtig gemacht, da sie vorhandene Kamerabilder nicht ausgewertet und keine weiteren Zeugenaussagen aufgenommen habe. "Ich habe keinerlei Vertrauen zur Polizei", übersetzte der Dolmetscher.
Auch Anwalt Stephan Müller forderte, seinen 24-jährigen Mandanten freizusprechen. Selbst der Geschädigte habe nur von einem Fußtritt durch den 24-Jährigen gesprochen. "Und nicht einmal dieser kann bewiesen werden." Letztendlich würden Zweifel an der Schuld seines Mandanten bleiben, so dass er nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" nicht verurteilt werden dürfe.
"Das große Vergessen"
In seinem Urteil sprach Richter Weiß noch einmal die Zeugenaussagen an. Einige hätten sich an das Geschehen vor und nach der Tat genau erinnern können. Nur bei der Tat selber "gab es auf einmal das große Vergessen" oder andere Versionen als bei der Polizei. Diese Zeugen seien auch nach der Tat noch Gäste im Lokal gewesen. Insgesamt hielt er die Aussagen bei der Polizei für glaubhaft im Gegensatz zu denen vor Gericht. Zudem war das Schöffengericht überzeugt, dass die Frau des 44-Jährigen vor Gericht gelogen hatte.
Die fehlende Einsicht und die Tatsache, dass der Lokalbetreiber seine Ehefrau "in eine Falschaussagen laufen ließ", hätten eine Aussetzung zur Bewährung verhindert. Beim 24-Jährigen sprach der Amtsgerichtsdirektor von "falscher Solidarität": "Er wollte seinem Chef helfen." Der junge Iraker war 2015 nach Deutschland gekommen und macht eine Ausbildung zum Friseur. Aus Sicht von Weiß "ein Musterflüchtling, denn er arbeite und bemüht sich". Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Berufung und Revision sind möglich.























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