Will man einen Ochsenkarren in Bewegung bringen, erfordere dies ein hohes Maß an Kontrolle. Das sagt Eckhard Stiegler, 65 Jahre alt und seit 40 Jahren Yogalehrer. Hinter diesen Satz setzt jeder wohl ein Fragezeichen. Ochse und Yoga? Was hat beides miteinander zu tun? Stiegler vergleicht den menschlichen Körper mit besagtem Ochsenkarren. Auch beim menschlichen Körper sei Disziplin und Kontrolle erforderlich.
Positive Körperhaltung
"Unsere Körperhaltung ist unser ganzer Ausdruck", betont Stiegler und zeigt es. Er geht zur Tür, kommt wieder herein: Gebückt und gedrückt ist seine Gangart. Dann verlässt er ein zweites Mal den Raum und betritt ihn diesmal übertrieben selbstbewusst. Wie einer dieser Angeber, die niemand mag. Beide Beispiele seien nicht richtig. "Wer Yoga macht, kann an seiner Körperhaltung positiv arbeiten", so Stiegler.
84 Asanas, so nennt man die aus Indien stammenden Yoga-Übungen, sind möglich. Alle können - tausendfach abgewandelt - eine Art Kontrollfunktion übernehmen. Für Stiegler, der Yoga bereits betrieb, als es noch als Esoterik verpönt war, ist die Gesunderhaltung von Körper und Geist ausschlaggebend. Mit Esoterik oder mit Akrobatik, wie oftmals praktiziert, erklärt er weiter, "hat das nichts zu tun." Wichtig aber sei die "Lehre zum Atmen": Pramajama. Denn: "Atmen ist mehr als nur, der Lunge Sauerstoff zuzuführen", betont der Trainer.
Stieglers Ansinnen ist es, mit Yoga zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Was nicht immer nur bequem sei. Man muss den sprichwörtlichen "inneren Schweinehund" überwinden. Bewegen ist anstrengend, bei Yoga muss man auch noch denken? Stiegler hat die richtige Antwort: "Wer in seiner Wohlfühl-Zone bleibt, muss im Alter mit reduziertem Bewegungsspektrum leben." Der Praktiker, der die Dinge lieber zeigt, springt auf und demonstriert das live. Nun muss nicht jeder gleich wie eine Eins einen Handstand hinlegen oder sich beim Bücken völlig verbiegen. Das sind Übungen, die üben erforderlich machen. Stiegler spricht es ganz nach der indischen Yoga-Lehre philosophisch aus: "Um Yoga zu verstehen, muss man zuerst den eigenen Körper verstehen."
Standhaftigkeit
Wer das hinkriegt, wird belohnt: Mit Standhaftigkeit im doppelten Sinn. Sportlich-körperlich wie geistig. Und mit gesteigertem Selbstbewusstsein. Viele Menschen, so Stiegler, praktizieren Yoga unterstützend zu ihren Hobbys wie Reiten, Fußball oder Bogenschießen. "Was zu mehr Verständnis für die Bewegungsabläufe verhelfe. "Beim Reiten für die Rückenstellung im Sattel oder beim Bogenschießen bei der Pfeillenkung ins Ziel", erklärt der Yoga-Meister. Was jetzt aber nicht heißt, das Yoga nur für dynamische Sportler da ist. In Stieglers Kursen zählt der älteste Teilnehmer 80 Jahre. Einsteigen könne man in jedem Alter, das Tempo werde den individuellen Möglichkeiten angepasst.
Stiegler legt Wert darauf, den rein körperlichen Aspekt zu fördern. "Yoga dient der Gesunderhaltung von Körper und Kopf." Was gut gelinge - vorausgesetzt man befolgt die Gesetze des Yoga, die streng sind. Weil eine ständige Korrektur der Körperhaltung dringend erforderlich ist, sagt Stiegler, sollten Anfänger Yoga nicht allein machen. Er warnt dringend vor "Do-it-yourself-Anleitungen", wenn sie auch haufenweise in der Literatur und im Internet angeboten würden. Denn: Falsch ausgeführte Bewegungsabläufen könnten den gewünschten Effekt umkehren. Der Yoga-Trainer bespricht jede Fehlstellung bei den Übungen mit seinen Schützlingen.
Ruhe und Achtsamkeit
Wie das in der Praxis aussieht: Im Trainingsraum im FC-Sportheim in Tirschenreuth ist es erstaunlich still. Zwölf Teilnehmer sitzen in einem Kreis auf Gymnastikmatten und konzentrieren sich auf ihre Übungen. Stiegler korrigiert eine Rückenhaltung, hilft beim Anlegen des Gymnastikbandes oder reicht einer Frau ein Yoga-Kissen. Die Übung dauert gut eine Minute, dann lösen die Teilnehmer ihre Körperspannung wieder. Yoga, was im Kurs unschwer zu erkennen ist, erfordert Ruhe und Achtsamkeit. Hektik und Stress werden völlig unspektakulär vor Beginn des Kurses "vor die Tür gesetzt".
Was bleibt ist höchste Konzentration, die wie von selbst eine Art Wegdriften für Körper und Seele auslöst. Nur noch der Respekt vor den Abläufen im Yoga. Dabei geht es nicht um die Leistung des Einzelnen oder um einen Wettbewerb des Besseren. Alle werden dort abgeholt, was sie persönlich leisten können im Yoga.
Was ist Yoga?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist Yoga eine indische Philosophie der geistigen und körperlichen Übungen. Der Begriff „Yoga“ kann sowohl „Vereinigung“ wie auch „Integration“ bedeuten. Yoga heißt Eins-Werden mit dem Bewusstsein durch Konzentration. In Europa und Nordamerika wurden bis vor kurzem unter Yoga oft nur körperliche Übungen verstanden. In Indien hat der geistige Aspekt weit mehr Stellenwert.
Immer wieder genannt werden in Verbindung mit Yoga auch die Atemübungen (Pranayama). Im Dezember 2016 wurde Yoga als Immaterielles Weltkulturerbe der Unesco anerkannt. Zauberhaft: Eine Ausführende wird Yogin genannt, was übersetzt auch Zauberin heißt.
Yoga wird in den Landkreisen Tirschenreuth und Neustadt/WN sowie in der Stadt Weiden bei den Volkshochschulen angeboten. Es gibt Yoga-Kurse in Verbindung mit Rehabilitation oder in Fitness-Studios. (ubb)
Eckhard Stiegler
Eckhard Stiegler beendet jede Kursstunde mit Meditation. Die Teilnehmer holen sich Decken, ziehen warme Socken über, legen sich auf ihre Matten und lauschen den leisen Worten ihres Meisters. Mit Ganzkörperentspannung werden die Anwesenden für einige Minuten in eine heile Welt gespült. Danach ist für heute Schluss, die Frauen gehen nach Hause. Eckhard Stiegler ist noch nicht fertig. Er zieht einen Pullover über und räumt auf.
„Meinen ersten Yoga-Kurs habe ich vor 40 Jahren an meinem 25. Geburtstag gehalten“, erinnert sich der Mähringer. Noch weiter zurück liegt Stieglers erste Begegnung mit Yoga. 1974 lernte er die aus Indien stammende philosophische Lehre samt ihrer geistigen und körperlichen Übungen beziehungsweise Praktiken in Regensburg und München bei Professor Reinhard Bögle kennen. Stiegler ist Anästhesiepfleger und Heilpraktiker. Zusätzlich gibt er Yoga-Kurse. Er absolvierte seinen ersten Yoga-Lehrgang bei der VHS vor 40 Jahren als erster Yogalehrer im Landkreis Tirschenreuth. Jetzt ist Stiegler 65 Jahre alt und hat das Erscheinungsbild eines sehr besonnenen Mannes mit dem Aussehen und dem sportlichen Körper eines 40-Jährigen. (ubb)
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