In einem Brief an die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften vom 15. Mai 1836 bezeichnete Johann Andreas Schmeller die zimbrischen Sprachinseln um Schläge (Asiago) als die "mittäglichsten Sporaden der Deutschen" - also die südlichsten deutschen Sprachinseln. Um "von den in dieser Berggemeinde noch übrigen Resten deutscher Sprache mit eigenen Ohren etwas zu vernehmen" ritt Schmeller 1844 auf einem Maulesel in die Laimbachtäler. Nach seinen Forschungsreisen zu den Zimbern äußerte Schmeller die Befürchtung, dass dem Zimbrischen der baldige Sprachtod bevorstehe.
Wortbedeutungen nicht erforscht
Knapp 180 Jahre später begaben sich nun Sprachforscher und Dialektologen aus dem Umfeld der Schmeller-Gesellschaft erstmals auf Spurensuche. Auf Einladung des Kulturvereins "Laimpachtaler Zimbarn" verbrachte eine neunköpfige Delegation vier Tage im Welschtiroler Brandtal (Vallarsa in Trentino). Es ist eines der beiden Täler, die der Laimbach durchfließt. Die Laimbachtäler (Valli del Leno) gehören zum historischen zimbrischen Sprachgebiet, das vollständig vom Italienischen umgeben ist. Das Zimbrische wiederum gilt als älteste Form des Bairischen.
Die Delegation war zu Gast bei den sogenannten Europa-Gesprächen im Tagungsraum des Pleifer Dokumentations- und Kommunikationszentrum der Sprachminderheiten in den Alpen. Dabei stand die Erforschung und Dokumentation des dortigen aktuellen Sprachzustands des Zimbrischen im Mittelpunkt. Bisher wurden sowohl die Bedeutung der unzähligen, bis in die Gegenwart gebräuchlichen zimbrischen Flurnamen als auch die vielen noch heute in der örtlichen Mundart gesprochenen zimbrischen Wörter nicht wissenschaftlich erforscht. Gleichzeitig stellte sich die zentrale Frage, ob und wie das Überleben des Zimbrischen für die nächste Generation gesichert werden kann.
Wörterbuch und Volksmärchen
Bei den Gesprächen, die mit zwei Exkursionen zu zimbrischen Kulturstätten in den Laimbachtälern angereichert wurden, ging es hauptsächlich darum, eine Bestandsaufnahme der heute noch vorhandenen zimbrischen Sprachrelikte vorzunehmen. Dabei konnte vor allem auf aktuelle Forschungsergebnisse zurückgegriffen werden, die der einheimische Sprachforscher DDr. Hugo-Daniel Stoffella, seit 2017 selbst Mitglied der Schmeller-Gesellschaft, vorlegte. Er hat in den vergangenen Jahren neben zahlreichen weiteren Veröffentlichungen zwei grundlegende Werke verfasst: ein zimbrisches Wörterbuch im Idiom der Laimbachtäler sowie ein Buch über zimbrische Sagen und Volksmärchen aus den Laimbachtälern. Der 2012 gegründete Kulturverein "Laimpachtaler Zimbarn" sorgte dafür, dass mittlerweile für Grundschulkinder regelmäßiger Zimbrisch-Unterricht auf dem Stundenplan steht. Zudem belebte er nach historischen Quellen die alten deutsch-zimbrischen Festtagstrachten wieder, die zugleich als die südlichsten bairischen Trachten gelten. Christian Ferstl, Vorsitzender der Schmeller-Gesellschaft, äußerte beim Abschied den Wunsch an die Mitglieder des Kulturvereins, dass bis zum nächsten Besuch einer Delegation der Schmeller-Gesellschaft, der in zwei Jahren stattfinden soll, der Gebrauch des Zimbrischen als Alltagssprache weiter zunehmen möge: "Heute sehen wir die wunderbaren zimbrischen Trachten, in zwei Jahren hören wir hoffentlich verstärkt auch die wunderbare zimbrische Sprache."
Künftige Zusammenarbeit
Es ist geplant, die Ergebnisse der Studienreise in einer eigenen Seminarschrift zu veröffentlichen. Für die Zukunft ist eine enge Zusammenarbeit zwischen der Schmeller-Gesellschaft und den "Laimpachtaler Zimbarn" vorgesehen. Man war sich einig, gemeinsam die nächsten Schritte zu einer Revitalisierung des Zimbrischen in den Laimbachtälern anzugehen. Dazu zählen insbesondere Projekte sowohl zum Nutzen für die alltägliche Kommunikationspraxis als auch in Forschung und Wissenschaft sowie begleitende Maßnahmen von politischer und administrativer Seite.
Die Schmeller-Gesellschaft
- Gründung der Johann-Andreas-Schmeller-Gesellschaft 1979
- Ziel: Dialektologische und literarische Hinterlassenschaft Johann Andreas Schmellers zu erforschen, sein Werk einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen sowie in der Tradition Schmellers Mundartpflege und -forschung zu fördern
- Aktivitäten: Die Gesellschaft veranstaltet Lesungen, Vorträge, Ausstellungen und Fachtagungen, publiziert wichtige Arbeiten in ihren Jahrbüchern und verleiht seit 1985 etwa alle drei Jahre den mit 2000 Euro dotieren Johann-Andreas-Schmeller-Preis für hervorragende wissenschaftliche Leistungen
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