Bayern hinkt beim Ausbau der Windenergie im deutschlandweiten Vergleich massiv hinterher. Für die Grünen in Bayern ist die Ursache klar. Auf ihrer Homepage ist zu lesen: "Grundlage für das Quasi-Verbot von neuen Windrädern ist die strenge 10H-Regelung, die nur in Bayern gilt. Sie besagt, dass der Abstand eines Windrads zu den nächsten Wohnhäusern mindestens das 10-fache seiner Höhe betragen muss." So sind in Bayern 2020 insgesamt nur acht neue Windräder ans Netz gegangen, drei neue wurden genehmigt und drei sind beantragt worden. Für die Grünen "eine verheerende Bilanz".
"Landschaft nicht verspargeln"
Im November 2014 ist das bayerische 10H-Gesetz in Kraft getreten. Da Windräder inzwischen an die 200 Meter vom Fuß des Turms bis zur Spitze ihrer Flügel hoch sind, beträgt der Pflichtabstand mindestens zwei Kilometer. Mit dem Gesetz wollte der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer Windkraft-Gegner zufriedenstellen, die sich überall in Bayern massiv gegen neue Anlagen wehrten. "Wir müssen auf unsere wunderschöne bayerische Landschaft Rücksicht nehmen. Wir dürfen sie auf keinen Fall mit Windrädern verspargeln", verteidigte Seehofer 10H.
So ist der Ausbau der Windkraft in den vergangenen Jahren so gut wie zum Stillstand gekommen. Die aktuelle Bestandsaufnahme im Landkreis Tirschenreuth ist überschaubar: In Asch und am Wetterberg bei Laub (beide Gemeinde Mähring) stehen vier, in Ellenfeld bei Bärnau je zwei große und zwei kleine und bei Erbendorf drei Windräder. Zusammen also lediglich 11.
Seit zwei Jahren wird über den geplanten Windpark "Silberschlag" mit mehreren Windrädern im Hessenreuther Wald diskutiert. Gegner hatten eine Petition gestartet, um das Projekt bereits in der Planungsphase zu Fall zu bringen. 3252 Bürgerinnen und Bürger aus der Region - mit dem Schwerpunkt Erbendorf, Kemnath und Pressath - sprachen sich mit ihren Unterschriften gegen das Vorhaben aus. "Die vielen Unterschriften sind für uns ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Menschen hier im schönen Hessenreuther Wald keine Windräder möchten", sagte Andreas Wöhrl, Sprecher der Bürgerinitiative bei der Übergabe der Listen im Juni an Landrat Roland Grillmeier.
Kein Antrag und kein Gutachten
Aber scheinbar stocken die Planungen sowieso: "Für den Hessenreuther Wald liegt uns weder ein Antrag für den Windpark noch ein artenschutzrechtliches Gutachten vor", bestätigt Oberregierungsrat Markus Zapf vom Landratsamt Tirschenreuth. Es hätten nur gemeinsame Gespräche stattgefunden über das Was, Wo und Wie. Optimistischer klingt es hingegen vonseiten der NES GmbH & Co. KG. "Das Projekt wird nach wie vor weiter verfolgt. Zu gegebener Zeit werden wir zum Projektfortschritt informieren", teilt Geschäftsführerin Birgit Grünbauer auf Anfrage zum derzeitigen Stand des Windparks "Silberschlag" mit.
Kaum Aktivitäten bei Planungen für neue Windräder registriert das Landratsamt. Jurist Zapf muss hier weit zurückblättern. In den Jahren 2013 und 2014 seien beim Landratsamt 30 sogenannte Vorbescheidsanträge zum Bau von Windrädern eingegangen. Damals hatte sich abgezeichnet, dass die 10H-Regel kommt, weiß Zapf. Seitdem habe sich so gut wie nichts mehr getan. Außer in Bärnau.
Bärnau kein Mitspracherecht
"Uns liegt ein Antrag auf Bau von vier Windrädern in der Nähe der Stadt vor", sagt Zapf. 2016 sei erstmals ein Antrag gestellt worden, dann sei dieser wieder zurückgezogen worden und seit August 2019 sei das Vorhaben wieder in Planung.
Auch Bärnaus Bürgermeister Alfred Stier ist über das Vorhaben des Unternehmens Strauß & Niebauer Windkraftprojekte GbR aus Regensburg informiert. "Wir sind aber nicht am Vorfahren beteiligt", sagt Stier. "Wenn das Unternehmen die Hürde Landratsamt genommen hat und das dort befürwortet wird, wird auch gebaut, falls die Stadt Nein sagen sollte. Wir können das nicht beflügeln, auch nicht verhindern", so der Bürgermeister. Er persönlich sei der Meinung, dass man "solche Dinge in Angriff nehmen muss". Durch das Hin und Her bei den Planungen der Windkraftanlagen und für Vorranggebiete habe die Stadt 140 000 Euro in den Sand gesetzt. "Wir haben daraus gelernt, aber ich würde es wieder tun", so das Stadtoberhaupt. Die Meinungen im Bärnauer Stadtrat zu Windrad-Vorhaben seien geteilt. "Wir haben sehr nachhaltige Befürworter, aber auch maximale Gegner."
"Wir sind in der Endphase", sagt Thomas Strauß von "Strauß & Niebauer Windkraftprojekte GbR". "Wir wollen im Februar 2022 mit dem Bauen beginnen." Zwei Anlagen werden am Steinberg, zwei beim Stöberlhof errichtet. Höhe: 118 bis 180 Meter vom Fuß bis zur Flügelspitze. Seit 2016 würden die Bemühungen laufen, dort einen Windpark zu errichten. Der letzte Antrag stamme aus dem Februar 2020.
2,3 bis 4,2 Megawatt würden die Windräder an Energie liefern, so Strauß. "Die große Anlage kann den Strombedarf der Stadt Bärnau decken", erklärt er. Ihn freut besonders, dass die Stadt die Absicht habe, so wie bereits in Ellenfeld, sich an den neuen Anlagen zu beteiligen.
10H "nicht haltbar"
Die 10H-Regel werde bei den Projekten bei Bärnau in allen vier Fällen eingehalten. „Diese Vorgaben werden sich ändern müssen“, fordert Strauß. „Söder ist der einzige, der sich noch daran hält. Das ist rechtlich überhaupt nicht haltbar.“ 10H behinderte die Planung und die Verwirklichung von neuen Windparks. „Von den drei Anträgen, die in Bayern im vorigen Jahr eingegangen sind, waren zwei von uns“, verdeutlicht Strauß die Situation.
Reform der 10H-Regel
Inzwischen hat Markus Söder eine Reform der 10H-Regel angekündigt. Im Staatswald, in vorbelasteten Gebieten und auf Truppenübungsplätzen, soll künftig nur noch ein Mindestabstand von 1000 Metern eingehalten werden müssen. Söder räumte gleichzeitig ein, dass der Ausbau derzeit kaum vorangehe. Selbst in Umweltverbänden werde über Windkraft gestritten, genau wie bei den Menschen vor Ort.
Zu Beginn der Energiewende waren die Pläne von Staatsregierung und CSU sehr ambitioniert. Zum Zeitpunkt der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 drehten sich nur gut 400 Windräder in Bayern. Dann präsentierte die Staatsregierung ihr Konzept "Energie Innovativ". Das gut 80 Seiten starke Heft trug in wesentlichen Teilen die Handschrift des damaligen Umweltministers und jetzigen Ministerpräsidenten Markus Söder. Darin hieß es, dass bis 2021 in Bayern bis zu 1500 neue Windräder aufgestellt werden sollten. Aktuell stehen 1120 Windräder in Bayern.
Zusammen produzieren sie knapp 4,6 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr. Das entspricht gut fünf Prozent des Stromverbrauchs. Ursprünglich strebte die Staatsregierung bis 2021 einen Wert von bis zu zehn Prozent an. In der nächsten Zeit will die Staatsregierung in den Staatswäldern 100 neue Windräder aufstellen lassen.
„Das Projekt wird nach wie vor weiter verfolgt. Zu gegebener Zeit werden wir zum Projektfortschritt informieren.“
„Wenn das Unternehmen die Hürde Landratsamt genommen hat und dort alles befürwortet wird, wird auch gebaut, falls die Stadt Nein sagen sollte.“
„Wir sind in der Endphase. Wir wollen im Februar 2022 mit dem Bauen beginnen.“
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