Tod eines Babys: Hätte die Staatsanwaltschaft Amberg doch ermitteln sollen?

Vilseck
15.05.2023 - 08:45 Uhr
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Für Straftaten von US-Soldaten in Deutschland ist die US-Justiz zuständig. Aber es gibt Ausnahmen, bei denen die deutsche Seite die Tat verfolgen kann. Hätte der Tod eines Babys im Kreis Amberg-Sulzbach zu diesen Ausnahmen zählen sollen?

Die Staatsanwaltschaft Amberg hat die Ermittlung um den Tod eines Babys in Vilseck abgegeben. Hat das wirklich sein müssen?

Das Nato-Truppenstatut verhindert, dass deutsche Ermittlungsbehörden gegen den mutmaßlichen Mörder eines deutschen Kleinkindes ermitteln. Oder doch nicht? Die Staatsanwaltschaft Amberg hat die Strafverfolgung in einem Fall vom März 2022 unter Verweis auf das Truppenstatut an die US-Militärbehörden abgegeben. Ein US-Soldat hatte damals seinen eigenen, nur wenige Monate alten Sohn brutal zu Tode gequält. Während die Mutter bereits wegen Tötung durch Unterlassen verurteilt ist, wurde der Haupttäter bisher laut einer Sprecherin seiner Einheit in Vilseck noch nicht einmal vom Dienst suspendiert.

Unter anderem Rechtsanwalt Jörg Jendricke meldet nun auch Zweifel daran an, ob es unbedingt nötig gewesen sei, die Ermittlungen zu dem Fall abzugeben. Jendricke hat die Mutter des Kindes in ihrem Prozess um den Tod des Kindes vertreten. Die Frau ist Deutsche, sie stand vor dem Landgericht in Amberg und wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Während des Prozesses war auch der mutmaßliche Haupttäter im Gerichtssaal, um dann schnell wieder unbehelligt zu verschwinden.

Ausnahmen eingeplant

Wenn es nach Jendricke gegangen wäre, hätte sich auch der 27-Jährige für seine Tat beim Landgericht in Amberg verantworten müssen. Auch der Jurist kennt die Vorgaben des Nato-Truppenstatuts. Allerdings sehe diese Regelungen auch Ausnahmen vor. "Hier wurde ein deutscher Staatsbürger in Deutschland getötet. Wann, wenn nicht hier, sollte eine solche Ausnahme gemacht werden."

Staatsanwalt Tobias Kinzler widerspricht hier deutlich. Ausnahmen seien für Fälle "von extrem herausragender Bedeutung mit omnipräsenter Öffentlichkeitswirkung" vorgesehen. Ein solcher Fall liege beim Tod des fünfmonatigen Babys nicht vor. Hinzu komme, dass das Kleinkind neben dem deutschen auch einen US-amerikanischen Pass hatte. Entsprechend groß sollte auch das Interesse der US-Behörden an einer Strafverfolgung sein.

"Der Tod eines Menschen"

Allerdings taucht der Hinweis auf eine "omnipräsente Öffentlichkeitswirkung" im Nato-Truppenstatut oder den Zusatzdokumenten nicht auf. Vielmehr verweist etwa eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags auf das Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut. Dort heißt es, die deutschen Behörden können den Verzicht auf die Strafverfolgung zugunsten der US-Militärbehörden auch zurücknehmen, "wenn sie der Ansicht sind, dass wesentliche Belange der deutschen Rechtspflege die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit erfordern". Ein Unterzeichnungsprotokoll des Zusatzabkommens führt Beispiele für solche Fälle näher aus: Dabei werden auch ausdrücklich Straftaten genannt, "durch die der Tod eines Menschen verursacht wird", so wie es bei der Tat vom 5. März 2022 der Fall war.

Die Amberger Staatsanwaltschaft hat sich Anfang März 2022 anders entschieden. Ein Zurück kann es jetzt nicht mehr geben. Tatsächlich sieht das Truppenstatut einen Zeitraum von 21 Tagen vor. In diesen drei Wochen hätte die Staatsanwaltschaft das Interesse an der Strafverfolgung anmelden müssen, so muss man nun auf die US-Militärjustiz warten, ob und wie der Täter eine Strafe für seine Tat erhält.

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