Vohenstrauß
23.12.2020 - 12:08 Uhr

Friseursalon Kirner schließt seine Türen

45 Arbeitsjahre werden immer seltener. 50-jährige Dienstjubiläen gibt es hin und wieder. Jene 62,5 Jahre von Renate Kirner hören sich deshalb sehr rekordverdächtig an. Nun schließt sie ihr Traditionsgeschäft in der Altstadt für immer.

Ohne Arbeitslosigkeit und ohne längere Krankheitszeiten schließt Renate Kirner nach arbeitsreichen 62,5 Jahren die Tür ihres Friseurladens. Bild: fjo
Ohne Arbeitslosigkeit und ohne längere Krankheitszeiten schließt Renate Kirner nach arbeitsreichen 62,5 Jahren die Tür ihres Friseurladens.

Im renommierten Friseursalon Kirner in der Brauhausgasse gingen mit der Verpflichtung zum erneuten Zusperren die sprichwörtlichen Lichter endgültig aus. Am letzten Öffnungstag wollte nicht nur der langjährige dritte Bürgermeister Horst Frötschl ein letztes Mal seine Haare geschnitten bekommen. Mit Maria Piehler wurde jedoch einer Moosbacherin die Ehre zuteil, die allerletzte Kundin des bekannten Friseurgeschäfts zu sein. Ein Kundenstamm, der sich über den gesamten Altlandkreis bis ins Naabtal erstreckte, muss sich im neuen Jahr nach einem Ersatz umsehen.

Ihre 78 Jahre sind Renate Kirner nicht anzusehen. In der letzten Zeit sah die Geschäftsfrau ihre Tätigkeit immer mehr in einem neuen Licht: „Nur dass ich den Leuten eine Freude mache, da bin ich drüber.“ Die Leidenschaft dafür und den Beruf als Hobby zu sehen, wäre immer mehr in den Vordergrund getreten: „Das war mein Leben; oder salopp ausgedrückt – aus Spaß an der Freud‘.“

Die Wiege Kirners stand im Mai 1942 in der schlesischen Stadt Ratibor im Dreiländereck zwischen Böhmen, Polen und Ostdeutschland. Als sich im nahen Ausschwitz die Lage immer mehr zuspitzte, packte die Familie im August 1944 die Koffer und machte sich auf dem Weg in die Oberpfalz. Der Vater stammte aus Pleystein und hatte dort seinen Zweitwohnsitz, so dass der Umzug trotz der Kriegswirren relativ reibungslos vonstatten ging.

Heiligabend früher um 4 Uhr offen

Begonnen hatte das berufliche Leben Kirners im Heimatort Pleystein. Bei der erst kürzlich verstorbenen Anni Reber erlernte Kirner die ersten Schritte ihrer Handwerkskunst. Auch blieb sie der Nachfolgerfamilie Schwägerl im Laden direkt unter dem Kreuzbergmassiv noch lange Zeit treu. Intensive Berührungen mit Vohenstrauß begannen dann ab 1958, als sie ins Friseurgeschäft Voit auf dem Marktplatz wechselte. Heute hat darin die Bäckereifiliale Meier aus Etzgersrieth ihren Laden. Noch ganz genau erinnert sich die leutselige und agile Friseurmeisterin an einen Heiligen Abend in ihrer Anfangszeit, als dort bereits um 4 Uhr in der Nacht geöffnet wurde. 60 Leute erhielten dann bis zum frühen Nachmittag hin eine neue Frisur verpasst. Bevor es in die Selbstständigkeit ging, erwarb sich Kirner weitere Fähigkeiten bei allen damaligen Vohenstraußer Friseuren. So folgten Stationen in den Geschäften Hoch, Sollfrank und Schmidt. Auch Letzteres ist längst Geschichte, welches dereinst in der Pfarrgasse beheimatet war. Weitere Stationen folgten in Weiden bei den Firmen Keilhammer und Hümmer.

Vohenstrauß25.11.2020

Auf 35 Jahre Existenz brachte es das eigene Geschäft. Sieben Gesellinnen bildete die Meisterin während dieser Zeit dort aus und zehn Beschäftigte hatte es während der gesamten Zeit gegeben. Dauerwellen durch Lockenwickler waren tagtäglicher Bestandteil der Arbeit. Rund 60 bis zu 85 Wickler waren dabei in die Haare jeder Kundin einzubringen. Eine Zahl, die sie noch heute beschäftigt: „Ich würde gerne einmal den Berg von Dauerwickeln auf einmal sehen. Das müsste doch ein riesiger Haufen sein.“ Eine Aussage, welche sie gegenüber Kunden, Freunden und in der eigenen Familie bestimmt schon 100 Mal getroffen habe.

So blickt die Friseurmeisterin nunmehr auf ein „wirklich arbeitsreiches Leben“ zurück, ohne nur einen Deut müde zu wirken. Immer wieder hätten ihr Kunden bis zuletzt gesagt: „Du kannst doch nicht aufhören.“ Vor allem die hohe Zahl treuer Stammkunden seien ihr zudem am Herzen gelegen. Mit Blick auf jenen Heiligen Abend Anfang der 1960er Jahre, habe sie zunächst auch den Heiligen Abend heuer als ihren letzten Tag schon vor Monaten festgelegt. Dass ihr nun die aktuelle Situation einen Strich durch die Rechnung machte und das Aufhören „quasi vorverlegte“ sehe sie als „Gott gegeben“. Eine Feier wäre sowieso nicht geplant gewesen. Zumal sie in den zurückliegenden 10 Jahren jede Woche von Dienstag bis Samstag ab ihrem 69. Geburtstag alleine im Laden stand.

Nachfolger: Vohenstraußer Küchenstudio

Der freie Montag sei ihr dabei mehr als eine Verpflichtung gewesen. Denn Anfang der 1970er Jahre hatte sie sich als rührige Mitstreiterin intensiv für die generelle Einführung des freien Montags in Friseurgeschäften engagiert: „Deshalb habe ich mich liebend gerne selbst daran gehalten.“

Freilich gibt es von der rührigen Vohenstraußerin auch eine private Seite. Schon in ihren ersten Jahren im Friseurgeschäft Voit lernte sie ihren späteren Ehemann Donat Kirner kennen. Die Hochzeit mit dem Schreinermeister folgte 1963 und zwei Söhne entstammen der Ehe. Trotz der Geschäftsaufgabe muss sich die Stadt um keinen weiteren Leerstand Sorgen machen. Sohn Donat Kirner plant fest mit einer Nutzung der ehemaligen Ladenräume. Der agile Schreinermeister möchte hier das erste Vohenstraußer Küchenstudio einrichten.

Maria Piehler aus Moosbach (sitzend) geht in die Geschichte des einstigen Friseurgeschäfts von Renate Kirner als letzte Kundin ein. Bild: fjo
Maria Piehler aus Moosbach (sitzend) geht in die Geschichte des einstigen Friseurgeschäfts von Renate Kirner als letzte Kundin ein.
 
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