Die Zahlen sind erschreckend. Rund 168000 Frauen wurden 2023 bundesweit Opfer von Gewalt. Ein Anstieg von 17,5 Prozent im Vergleich zu 2019. "Doch das sind nur die Fälle, die zur Anzeige gebracht wurden. Die Dunkelziffer ist um einiges höher", sagt Enikö Nagy, Leiterin des Frauenhauses Weiden. Viel zu oft blieben die Verbrechen im Verborgenen - "weil die Frauen Angst haben". Um diesen Frauen eine Stimme zu geben, initiiert das Frauenforum Weiden-Neustadt nun zum zweiten Mal eine fast dreiwöchige Veranstaltungsreihe, die mit einer großen Aktion am "Orange Day" am 25. November endet.
Der "Orange Day" gilt seit 1999 als internationaler Gedenktag, der auf das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen aufmerksam machen soll. "Wie der Name schon sagt, ist die Farbe Orange essenziell. Sie symbolisiert eine Zukunft ohne Gewalt", erklärt Susanne Reinhardt, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Weiden. Ein Ziel, das aktuell in weiter Ferne scheint, wie Angela Frank, Sozialpädagogin bei Dornrose e.V. und Mitinitiatorin, informiert: "Die Zahlen der betroffen Frauen steigen. Das merken wir auch in unserer Beratungsstelle." Das kann Enikö Nagy bestätigen: "Das Frauenhaus ist immer ausgebucht. Wir sind überfüllt und haben aktuell eine Quote von eins zu drei. Das bedeutet, wir können eine Frau aufnehmen, während wir drei aus Platzmangel ablehnen müssen." Ein bayernweites Phänomen. "Es passiert immer wieder, dass in Bayern nur ein Zimmer in einem Frauenhaus frei ist. Das ist ein großes Problem", sagt Nagy. Nichtsdestotrotz sei vielen Menschen immer noch nicht klar, wie oft Gewalt gegen Frauen vorkomme. "Wir hören immer wieder: ,So etwas passiert doch bei uns in der Gegend nicht.' Das ist falsch. Es passiert überall", betont auch Kerstin Urban, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Neustadt/WN.
Notfallnummer und Selbstverteidigung
Umso wichtiger sei es, ein Zeichen zu setzen und den Betroffenen eine Stimme zu geben, betont das Frauenforum Weiden-Neustadt - ein Zusammenschluss mehrerer Organisationen und Institutionen. Die knapp drei Wochen im Zeichen des "Orange Days" starten Anfang November mit einer Aktion, die "auffallen soll", erklärt Greta Bautz von der VHS Weiden-Neustadt. "Wir verteilen 25.000 orange bedruckte Tüten an Bäcker in Weiden und dem Landkreis Neustadt/WN, in die sie ihre Waren packen können. Auf den Tüten sind Notfallnummern und Infos zu Gewalt gegen Frauen zu finden." Ein Zeichen, dem etliche folgen: eine Kunstausstellung zum Thema Sexismus in Werbeformaten, Filmvorführungen, Lesungen und Vorträge, Infostände und ein Selbstverteidigungskurs.
Der Abschluss ist eine Premiere: der "Orange Walk" am 25. November. Der stille Protest soll laut auf all die Opfer aufmerksam machen, erklärt die Gleichstellungsbeauftragte Susanne Reinhardt. "Wir ziehen mit orangefarbenen Regenschirmen und Schildern durch die Stadt, um in der Gesellschaft Verständnis und eine Sensibilisierung für das Problem zu schaffen." In etlichen Gesprächen hätten Betroffene von ihren Erfahrungen erzählt - "und diese haben wir von OTH-Studenten einsprachen lassen. Die Aufnahmen werden bei dem Orange Walk zu hören sein." Das ganze Programm im Überblick:
- Samstag, 2. November: An einem Infostand zum Thema "Gewalt gegen Frauen und Mädchen", der von 10 bis 15 Uhr im NOC Weiden aufgebaut ist, können sich Schüler, Familien, Institutionen und Interessierte mit Fachkräften austauschen und sich informieren. Ein zweiter Infostand steht am Samstag, 16. November, von 8 bis 14 Uhr vor dem Backhaus Kutzer in der Leimbergerstraße in Weiden.
- Donnerstag, 7. November: Der Auftakt der fast dreiwöchigen Programmreihe wird bunt. Um 18.30 Uhr wird die Ausstellung "Kauf mich?! Frauen und Männer in der Werbung" im 1. Stock der VHS Weiden eröffnet. Gezeigt werden Beispiele sexistischer Werbeformate aus unterschiedlichen Jahrzehnten. Die Ausstellung ist bis 23. November geöffnet.
- Mittwoch, 13. November: Weiter geht es mit einer Vorstellung des Films "Morgen ist auch noch ein Tag" im Neue-Welt-Kino-Center in Weiden um 19 Uhr. Der Streifen handelt von einer Frau, die von einem gewalttätigen Mann terrorisiert wird und zeigt, wie schwer der Weg sein kann, sich aus den Fängen zu lösen. Anmeldung auf www.neue-welt-kino.de.
- Donnerstag, 21. November: Unter dem Motto "Frauensicherheit" steht der Aktionstag an der OTH. Nach einem Auftritt der Gruppe "Elly tanzt" des Elly-Heus-Gymnasiums um 13 Uhr referiert Rechtsanwältin Avukat Zümrüt Turan-Schnieders zum Thema "verliebt, verlobt, verprügelt". Ab 15 Uhr liest Autorin Nora Kellner aus ihrem Buch "OpferMacht - Klartext reden über sexualisierte Gewalt". Anschließend bietet Thomas Neser einen kostenlosen Selbstverteidigungskurs für Frauen an, bevor der Tag mit der Filmvorführung "Female Pleasure" endet. Anmeldung für den Selbstverteidigungskurs auf www.oth-aw.de/orangeday.
- Montag, 25. November: Nachdem die Fahnen am Neuen Rathaus um 16.30 Uhr gehisst wurden, startet der erste "Orange Walk", ein stiller Protestzug gegen Gewalt an Frauen. Mit beleuchteten orangefarbenen Regenschirmen und Schildern ziehen die Teilnehmer über die Dr.-Pfleger-Straße, den Oberen Markt, die Bürgermeister-Prechtl-Straße und den Schlörplatz zum Alten Rathaus.
Gewalt gegen Frauen in Deutschland in Zahlen
- Jede dritte Frau ist mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen.
- Alle vier Minuten erlebt eine Frau Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner.
- 331 Frauen wurden 2023 Opfer von versuchtem oder vollendetem Mord oder Totschlag.
- 4622 Frauen erlebten 2023 sexualisierte Gewalt durch ihren (Ex)-Partner.
- 58 Prozent der Frauen meiden nachts aus Angst bestimmte Straßen, Plätze oder Parks.
- Quelle: unwomen.de
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