„Das vor wenigen Tagen noch weit entfernt geglaubte Szenario eines Lockdowns wie im Berchtesgadener Land ist inzwischen in greifbare Nähe gerückt“, schreibt Weidens Oberbürgermeister Jens Meyer am Montag auf Nachfrage an Oberpfalz-Medien. An diesem Tag stieg die Sieben-Tage-Inzidenz in Weiden auf 205. Meyer bezeichnet die Entwicklung der Corona-Fallzahlen als „hochdynamisch“ und rechnet mit einem weiteren Anstieg dieses Wertes. Die Stadt stehe „in enger Abstimmung mit dem Gesundheitsamt und der Regierung“. Es gelte, den Lockdown zu verhindern.
"Mir fehlt jegliches Verständnis"
„Ein Lockdown wäre eine große Belastung für die Menschen und die Wirtschaft“, so Meyer. „Wir überwachen das Infektionsgeschehen äußerst engmaschig und beraten uns mehrmals täglich, inwieweit noch schärfere Maßnahmen notwendig sind, um einen Lockdown zu vermeiden. Mir ist bewusst, dass dies weitere Einschnitte bedeuten wird. Aber die Infektionsketten müssen unterbrochen werden.“ Das Stadtoberhaupt bittet „inständig, soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren und bei unvermeidbaren Kontakten stets Maske zu tragen, um so einer weiteren unkontrollierten Verbreitung des Virus entgegenzuwirken“.
Meyer hat dabei seine Eindrücke von der „Querdenken“-Demo am Samstag im Kopf. Er hatte sich nach eigener Aussage für rund eineinhalb Stunden einen Eindruck vom Geschehen auf dem Festplatz gemacht. Meyer findet deutliche Worte. „Die Redebeiträge, die ich gehört habe, waren absurd. Es ist erschreckend, mit welcher Ignoranz der Bedrohung durch das Coronavirus entgegnet wird. Mir fehlt jegliches Verständnis dafür, eine solche Veranstaltung in dieser Zeit abzuhalten in einem Ort, der den dunkelroten Schwellenwert seit Tagen überschreitet. Zudem halte ich es für verantwortungslos, sich ohne Mund-Nase-Schutz durch die Stadt zu bewegen.“ Dankbar sei er „den Menschen, die ursprünglich Gegenveranstaltungen geplant hatten, dass sie ihren gerechtfertigten Protest virtuell in den sozialen Netzwerken abgehalten haben“.
"Die Bewegung ist rechts offen"
Unter den Gegendemonstranten war auch Hans Lauterbach, Sprecher des Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte (OBTM). Er bemängelt den Umgang mit den Hygieneschutzmaßnahmen, warnt aber auch eindringlich vor einer Unterwanderung dieser Demos. „Patrick Schröder war da, der AfD-Kreisvorstand aus Amberg, die AfD Schwandorf. Und wir haben einen Mann gesehen, der ein T-Shirt mit Nazi-Symbolik trug“, sagt Lauterbach. Er sagt auch: „Deutlichen Rechtsextremismus konnte man nicht feststellen.“ Und er wirft nicht alle Teilnehmer in einen Topf.
„Ich will keinen zum Nazi stempeln, der keiner ist. Das waren sicher nicht alles Nazis. Aber die Bewegung ist rechts offen. Man kann die Leute nicht genau festmachen. Sicher waren auch viele dabei, die einfach mit den Masken nicht klarkommen. Aber was soll man denen noch erklären?“ Er vermutet, dass dies nicht immer der Fall war. Immer wieder seien Demonstranten gekommen, um zu diskutieren, ohne Abstand zu halten oder Masken zu tragen.
Die Demo war am Abend von der Polizei aufgelöst worden, weil mehrere Menschen auf der Bühne den Abstand nicht eingehalten hatten. „Der Allgemeinzustand in dieser Region ist diesen Leuten egal. Die riskieren alles“, so Lauterbach.
"Antidemokratisches Verhalten"
Der OBTM-Sprecher sorgt sich darum, dass auf den „Querdenken“-Demos Grenzen verwischen. „Es ist schwierig festzumachen, wo es anfängt, antisemitisch oder rechtsextrem zu werden.“ Die letzte Rednerin auf der Bühne habe antisemitische Bezüge hergestellt. Helmut Bauer als Anmelder der Demo lasse auf seiner Facebook-Seite einen Mordaufruf gegen Neustadts Bürgermeister Sebastian Dippold stehen, und in dessen Facebook-Gruppe „Der Grüne Schrei“ bejubeln Mitglieder ohne Konsequenzen, dass Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken. „Wer so etwas postet, hat den demokratischen Rahmen verloren. Wenn man diese Bewegung ernst nehmen soll, kann der Veranstalter nicht solche Inhalte zulassen. Das ist höchst antidemokratisches Verhalten.“ Lauterbach fordert, sich klar von rechten Strukturen zu distanzieren.
Morddrohung wegen Video
Mit drastischen Worten distanziert hat sich Neustadts Bürgermeister Sebastian Dippold. „Hier wird wieder eine ganze Bande von Nazis mit unterwegs sein, auch wenn man das Ganze als Yuppie-1-2-3-Friedensdemo tarnt. Aber wir wissen nicht erst seit dem Weidener Stadtrat, was für Gesocks und Klientel hier mitläuft“, sagt er in einem Video. Er hat daraufhin eine Morddrohung erhalten, gegen die er Anzeige erstattet hat, wie er am Montag mitteilt. Die „Querdenken“-Demos seien „ durchsetzt und unterwandert vom rechten Bereich. Und dann noch ein Fackelzug vorbei am Klinikum, wo gerade Covid-19-Patienten um ihr Leben kämpfen. Das ist das Allerletzte.“
Die Redebeiträge, die ich gehört habe, waren absurd. Es ist erschreckend, mit welcher Ignoranz der Bedrohung durch das Corona-Virus entgegnet wird.
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