Weiden in der Oberpfalz
11.10.2019 - 13:02 Uhr

Ringen um eine "grüne Linie"

Er führt die kleinste Fraktion im Stadtrat. Karl Bärnklau steht als Fraktionschef zwei weiteren Parteifreunden vor. Ob es 2020 mehr werden? Für die Stadtratswahl 2020 hofft er auf grünen Rückenwind aus Bund und Land.

Als Fraktionschef der Grünen muss Karl Bärnklau stets nach Allianzen suchen. Im Interview gesteht er: "Bei den Genossen war ich nicht so häufig erfolgreich wie bei den anderen." Bild: Gabi Schönberger
Als Fraktionschef der Grünen muss Karl Bärnklau stets nach Allianzen suchen. Im Interview gesteht er: "Bei den Genossen war ich nicht so häufig erfolgreich wie bei den anderen."

Ja, er ist "mi'm Radl" da. Denkbar umweltfreundlich fährt Karl Bärnklau aus Neunkirchen bei Oberpfalz-Medien vor – auch wenn auf der Strecke gar keinen Radweg gibt, wie er im Interview mit Ralph Gammanick kritisch anmerkt. Bärnklau ist 63 Jahre alt und Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat – und dabei noch einer der dienstjüngsten Gremiumsmitglieder, weil erst seit fünf Jahren dabei. 2014 trat er als grüner OB-Kandidat an. Das allerdings wird er 2020 nicht wiederholen.

Karl Bärnklau macht aus halben Sätze ganze:

Punktpunktpunkt

•Fraktionschef zu sein, bedeutet für mich …

Bärnklau: ... große Verantwortung, viel Freude und eine unheimliche Bereicherung.

•Und für die Fraktion bedeutet es ...

Bärnklau: ... manchmal etwas Ungeduld. Wobei ich eher integrierend als differenzierend agiere.

•Mein größter Erfolg der letzten Jahre ist …

Bärnklau: ... neben inhaltlicher Arbeit zu vielen Anträgen und Beschlussvorschlägen die zweimalige Teilnahme der kleinsten Fraktion am Seifenkistenrennen, um ein deutliches Zeichen für Toleranz und Vielfalt zu setzen.

•Mein größter Misserfolg ist ...

Bärnklau: ... dass unser Antrag auf Immissionsmessungen von Funkmasten total abgelehnt wurde. Das hätte keine 1000 Euro gekostet. Das war eine reine Machtdemonstration. Hinterher sagte ein befreundeter Kollege von einer anderen Fraktion: "Wir haben dir gezeigt, wo der Bartl den Most holt."

•Mein Lieblingskollege im Stadtrat ist …

Bärnklau: ... Gisela Helgath.

•Mein größtes politisches Ziel ist…

Bärnklau: ... Weiden CO2-neutral und damit Enkel-tauglich zu machen. Alle unsere Aktivitäten ergeben sich aus den Zielen ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit.

•Meine schlimmste Befürchtung für die Wahl 2020 ist …

Bärnklau: dass von denen, die Toleranz und Vielfalt nicht so achten wie wir, einige Vertreter in den Stadtrat kommen.

•Der beste Oberbürgermeister für Weiden wäre …

Bärnklau: ... wenn ich antreten würde, ich selber.

•Das Gewerbegebiet West IV bedeutet für Weiden …

Bärnklau: ... den Gegensatz dessen, was ich als größtes politisches Ziel formuliert habe. Eine Rückwärtsorientierung.

•Am Eröffnungstag des NOC denke ich an …

Bärnklau: ... die Anfänge, die Skepsis und die kritischen Stimmen, die in der Bevölkerung zu hören waren, und das Durchhaltevermögen aller Stadtratskollegen, um das für und mit Fondara zum Erfolg zu führen.

•Die Stromtrasse Süd-Ost-Link ist für mich …

Bärnklau: ... ein rotes Tuch. Ich war von Anfang an dabei und dagegen.

•Wenn ich mir die sanierungsbedürftigen Schulen so ansehe ...

Bärnklau: ... haben wir leider Recht gehabt, dass der vielgepriesene Konsolidierungsfortschritt weit hinter dem ist, was öffentlich kundgetan wird.

•Ein neues Kino wäre für Weiden …

Bärnklau: ... ideal, wenn es an der richtigen Stelle – im NOC – stünde.

•Der Weidener Sport braucht …

Bärnklau: ... Unterstützung für Breitensport.

•Nach 13 Jahren OB Seggewiß ist Weiden …

Bärnklau: ... an einer Stelle, wo es noch viel zu tun gibt.

ONETZ: Sie lassen nicht locker: Beim neuen Aktionsbündnis gegen West IV machen auch die Grünen mit. Ist das Gewerbegebiet noch zu verhindern?

Karl Bärnklau: Schau mer mal. Die Themen Flächenfraß, Nachhaltigkeit, Schutz vor Klimawandel haben ja Auftrieb erhalten. Wir sind überzeugt, dass sich die Stadt weiterentwickeln muss. Aber wenn man die Rahmenbedingungen – global, national und lokal – berücksichtigt, muss man anders agieren. Dann ist das Gewerbegebiet an der falschen Stelle.

ONETZ: Wo wäre die richtige?

Karl Bärnklau: Am Flugplatz.

ONETZ: Dieses Areal wäre zu kleinparzelliert, heißt es.

Karl Bärnklau: Das war das schlagende Argument, weshalb man das dort nicht gemacht hat. Nahezu parallel dazu hat ein erfolgreicher Unternehmer (gemeint ist Christian Engel, d. Red.) bei Halmesricht 25 Hektar kleinparzelliert zusammengekauft. Wenn's nicht so ernst wäre, könnte ich lachen.

ONETZ: Haben Sie nicht mal angekündigt, das Ergebnis des Bürgerentscheids von 2014 zu respektieren? Mehr als 70 Prozent stimmten für West IV.

Karl Bärnklau: Ich habe das angekündigt – mit dem Zusatz: "so lange ich es verantworten kann". Das Zugeständnis war, im Nachhinein betrachtet, meiner politischen Unerfahrenheit geschuldet. Als die Fragestellung beschlossen wurde, hatten wir zwei Ergänzungsvorschläge. Nämlich, dass die Folgen – Finanzen, Verkehrsbelastung, Erholungswert/Ökologie – für die Bürger auch mit angesprochen werden. Der Stadtrat hat dies mit großer Mehrheit verworfen.Es gab irgendwann einen Kipp-Punkt, wo man gesehen hat, wie es mit der Ökologie im "ökologischsten aller Gewerbegebiete" bestellt ist, und dass sich die Kosten weit von den ursprünglichen Darstellungen entfernen. Die Aussagen von damals würde ich heute nicht mehr so treffen. Die Voraussetzungen dafür, dass die Bürger objektiv befragt wurden, waren schon damals nicht gegeben.

ONETZ: Der politische Widerstand gegen die Stromtrasse Südost-Link wirkt in Weiden zaghafter als anderswo. Woran liegt das?

Karl Bärnklau: An den Mehrheitsverhältnissen in der Stadt Weiden. Wir sind nur 3 von 41.

ONETZ: Inzwischen lehnt aber doch jede Fraktion die Trasse ab.

Karl Bärnklau: Wir hätten mehr als genügend Chancen gehabt, dies zusammen deutlich zu machen. Wir hatten dazu zwei Anträge im Stadtrat, mit mehreren bewusst unterteilten Beschlussvorschlägen, damit wirklich alle Wege finden, ihren Unmut auszudrücken. Sie haben es nicht getan.

ONETZ: Sind Sie von den anderen Fraktionen enttäuscht?

Karl Bärnklau: Ja. Insbesondere, weil mir nach den Erörterungsterminen mit Tennet ein Kollege von einer anderen Fraktion gesagt hat: "Da müssen wir was tun!" Diese Chancen hatten wir.

ONETZ: Als kleine Fraktion brauchen Sie immer einen starken Partner. Wo finden sie den?

Karl Bärnklau: Wechselnd. Ich hab's mit allen Fraktion mehrfach versucht. Ich muss sagen: Bei den Genossen war ich nicht so häufig erfolgreich wie bei den anderen.

ONETZ: Die Grünen in Bund und Land sind im Aufwind. Vor Ort können Sie aber offenbar nicht davon profitieren.

Karl Bärnklau: Prozentual nicht ganz, das stimmt. Aber auch wir haben einen Mitgliederzuwachs. Und bei den Europawahlen haben wir doch deutlich zugelegt.

ONETZ: Erwarten Sie sich Rückenwind für die Stadtratswahl?

Karl Bärnklau: Ja, klar.

ONETZ: Wie weit ist die Stadtratsliste?

Karl Bärnklau: Im Entstehen. Wir haben die Thematik, das mit Veit Wagner ein Zugpferd und engagierter Stadtrat ausscheidet. Dafür brauchen wir qualifizierten Ersatz. Unser Ziel sind schließlich drei Sitze plus x. Wir sehen, dass wir mit drei Stadträten ab und zu etwas bewegen, aber keine grüne Linie durchziehen können.

ONETZ: Wie viele Kandidaten wird die Liste umfassen?

Karl Bärnklau: Die 40 kriegen wir sicher nicht voll. Aber sie wird so aussehen, dass wir keine Stimmen verschenken. Also "größer 13".

ONETZ: In der Rubrik "Punktpunktpunkt" (siehe unten) erklären Sie, Sie selbst wären der beste Oberbürgermeister. Warum tritt der Beste nicht an?

Karl Bärnklau: Er ist einmal angetreten. Ich würde es mir nach wie vor zutrauen, jetzt noch mehr als damals. Aber alles im Leben hat seine Zeit. Aus Gründen privater Planung mache ich das nicht mehr. Eines möchte ich festhalten: Das Amt des Oberbürgermeisters ist ein Knochenjob, Hut ab vor dem, der das übernimmt.

ONETZ: Wer wäre dem Amt bei den Weidener Grünen noch gewachsen?

Karl Bärnklau: Gisela Helgath. Aber sie hat auch schon "Nein" gesagt. Die Tendenz geht dazu, dass wir keinen OB-Kandidaten stellen.

ONETZ: In der Diskussion um die Kreditvergabe an die Kliniken AG hat Gisela Helgath im verbale Prügel bezogen. War die Ablehnung im Ferienausschuss mit Ihnen abgestimmt.

Karl Bärnklau: Selbstverständlich. Es sind offenbar viele nervös und dadurch sehr unfair geworden. Was der Oberbürgermeister gesagt hat, kann als persönlicher Angriff interpretiert werden. Die gesamte Diskussion ist nicht übermäßig kollegial verlaufen. Eine Teilnehmerin von 11 Gremiumsmitgliedern hatte halt eine andere Meinung. Man muss trennen zwischen der Tätigkeit im Aufsichtsrat und im Stadtrat. Als Stadträtin hat sie das Wohl der Stadt zu vertreten. Wir haben schon mehrfach die Aussage gehört, dass wir diese finanzielle Unterstützung noch tätigen müssen, und dann wäre der Geburtsfehler der mangelnden Kapitalausstattung behoben. Wenn dies immer so einfach durchgeht, wird sich nichts ändern.

ONETZ: Was muss sich ändern?

Karl Bärnklau: Es muss das Vertrauen geschaffen werden, dass bestmögliche Leistungen für die Bürger erzielt werden – bestenfalls in einem Kostenrahmen von null für die Kommune. Wenn aber ein Programm aufgesetzt wird, Maßnahmen angekündigt werden und um finanzielle Ausstattung gebeten wird, dann dauert's ein, zwei Jahre, dann schießt man nochmals nach, und dann steht das große Feuer an – dann fehlt hier das Vertrauen.

ONETZ: Sie sind mit dem Rad gekommen: von Neunkirchen über die Frauenrichter Straße. Wie sind da die Radwege?

Karl Bärnklau: Da ist keiner. Es fehlen noch einige Strecken im Weidener Radwegenetz. Vor einigen Tagen habe ich übrigens einen Antrag zur besseren Beschilderung von Radwegen weggeschickt.

ONETZ: Wie zufrieden sind Sie mit den neuen Schutzstreifen in der Sedan-/Dr.-Pfleger-Straße?

Karl Bärnklau: Das ist einen Versuch wert.

ONETZ: Was halten Sie von der Gesamtlösung?

Karl Bärnklau: Für mich ist das ein Kompromiss. Nichts hält auf dieser Welt so lange wie ein Provisorium – das kann auch hier zutreffen. Schade, dass wir nie versucht haben, wirklich zuzumachen. Wir haben ein Interesse, dass die Stadt mit dem Auto erreichbar ist. Aber ich sage: Zielverkehr ja – Park- und Suchverkehr nein. Wenn ich mich selbst anschaue: Ich mach's wie alle anderen. Ich suche mit dem Auto einen kostenlosen Parkplatz, und ich fahre durch die Stadt durch. Und wenn ich das so mache, machen's alle anderen auch. Das ist halt so drin bei den Leuten. Wenn also die Stadt nicht regulativ eingreift, wird sich nichts ändern.

ONETZ: Wollen Sie 2020 als Fraktionsvorsitzender weitermachen?

Karl Bärnklau: Das hängt von den Wahlen ab. Wir arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen. Für mich ist es die erste Periode. Fragt sich, ob der Bürger die Arbeit honoriert. Möglicherweise sieht er seine Erwartungshaltung nicht erfüllt. Ich bin da Realist. Natürlich ist es dann auch die Frage, welchen Vorsitzenden die Fraktionsmitglieder haben wollen.

ONETZ: Wie groß ist der Verlust von Veit Wagner, der nicht mehr antritt? Er ist ja gerne mal anderer Meinung als seine beiden grünen Kollegen.

Karl Bärnklau: Natürlich tut man sich als Fraktionsvorsitzender leichter, wenn nach einer kontroversen Diskussion die Fraktionsmeinung als eine Meinung vertreten wird. Auf der anderen Seite erwarte ich auch von den anderen Fraktionen – leider nicht immer mit dem gewünschten Erfolg –, dass die Mitglieder eher nach ihrer eigenen Meinung abstimmen als nach dem Willen des Vorsitzenden. Bei uns Grünen wird immer viel diskutiert.

ONETZ: Als Neunkirchener verlieren Sie auch Josef Gebhardt und Alois Schinabeck als Stadtratskollegen. Haben Sie Berührungspunkte mit ihnen?

Karl Bärnklau: Wir sitzen am selben Stammtisch! Persönlich verstehen wir uns sehr gut. Ich bedaure, dass sie nächstes Jahr nicht mehr dabei sind. Und ich ziehe – wie vor Veit Wagner – meinen Hut, dass sie selber sagen: Ja, ich habe das jahrelang gemacht, aber es muss jetzt Schluss sein. Ich habe Respekt vor Leuten, die das selber erkennen und nicht aus dem Amt geschoben werden.

ONETZ: Wann ist da bei Ihnen der Zeitpunkt erreicht?

Karl Bärnklau: Eine Periode geht aus heutiger Sicht auf jeden Fall noch. Und dann schau mer mal. Nach sechs Jahre sollte eigentlich Ruhe sein. Sie sehen schon: Ein kleines Hintertürchen lasse ich mir offen.

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